Lieblingsserie: Die Tudors:Der Tyrann und seine Frauen

Das Leben des englischen Königs Heinrich VIII mit seinen sechs Liebeleien im Serienformat: Jonathan Rhys Meyers spielt den wütenden Herrscher glaubwürdig.

Conrad Breyer

Es geht um Sex, um nichts als Sex. The Tudors erzählt die Geschichte des britischen Königs Heinrich VIII und seiner sechs Frauen, mitunter war das Weltpolitik. Drei Staffeln hat der Sender ProSieben in Deutschland bereits ausgestrahlt, die vierte läuft gerade. Die Serie ist mehr als ein opulentes Historiengemälde, sie ist modern und hintergründig - und das hat sie ihrem Hauptdarsteller zu verdanken.

Frauenverschleiß ohne Grenzen

Heinrich VIII (Schauspieler: Jonathan Rhys-Meyers) ist skrupellos - nicht nur seinen Feinden, sondern auch seinen Frauen gegenüber.

(Foto: © 2010 TM Productions Limited/PA Tudors Inc.)

"Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived" - Das Schicksal der sechs Frauen Heinrichs VIII, das jedes englische Schulkind mit diesem Abzählreim zusammenfassen kann, hat jeher Stoff für unzählige Filme, Serien und Geschichten geboten. Keine aber hat die Figur des Königs, der England von 1509 bis 1547 regierte, so konsequent auf ihren Sex Appeal ausgelegt wie Jonathan Rhys Meyers.

Der 33-jährige Schauspieler zeigt Heinrich VIII als machtgeilen, sexbesessenen, hoch sensiblen Regenten, der sich von der Macht korrumpieren lässt, dabei aber immer schön anzuschauen ist. Michael Hirst, der die 38 Folgen für die vier Staffeln geschrieben und mit produziert hat, hat Rhys Meyers für die Interpretation seiner Rolle als Henry von Anfang an freie Hand gelassen.

Das war klug, denn der schlanke, schöne Ire hat auf den ersten Blick so gar nichts mit dem historischen Heinrich gemein, fett und feist, wie er war. "Ich war anfangs recht zögernd, die Rolle anzunehmen", hat Rhys Meyers einmal gesagt. "Weil ich nicht wie Heinrich VIII aussehe. Ich sagte: 'Wenn Ihr mich 60 Pfund schwer macht und mein Haar rot färbt und ich einen fuchsigen Bart tragen muss, bin ich nicht Euer Mann.'"

Jonathan Rhys Meyers kompensiert das vermeintliche Manko mit eindringlichem Spiel und dem vollen Einsatz seines Körpers und wurde so zur Idealbesetzung für die Rolle. Geholfen haben mag ihm dabei die Tatsache, dass Hirst nie auf vollständige historische Authentizität bestanden hat: Sprache, Kostüme, auch das Geschehen selbst sind für den Zuschauer von heute gemacht. Rhys Meyers Henry wirkt deshalb echt.

Opfer einer Hofintrige

Er verleiht der Figur eine neue Hintergründigkeit. Das Schöne ist des Teufels und niemand vermag das besser zu inszenieren als Jonathan Rhys Meyers, der Verführer.

Fast die gesamte erste Staffel über verweigert sich Anne Boleyn (herrlich intrigant: Natalie Dormer), dem zudringlichen Henry, weil sie den König unter Druck setzen will. Nicht irgendeine Mätresse will sie sein, sondern Königin! Dafür aber muss sich Henry erst von Katharina von Aragon (Maria Doyle Kennedy) scheiden lassen, seiner ersten Frau. Als Zuschauer erlebt man die unglaubliche Wut des Königs.

Als er Anne Boleyn schließlich zur Frau nimmt und sich dafür eigens mit Rom anlegt (Heinrich VIII gründet die Anglikanische Kirche), entzieht er sich ihr bald, sucht sich neue Liebhaberinnen. Anne selbst wird Opfer einer Hofintrige und muss am Ende der zweiten Staffel sterben. Es geht um Sex als Machtinstrument, die Macht des Starken über den Schwachen.

Rhys Meyers Henry nimmt sich, was er will, liebt und hasst leidenschaftlich. Frauen kommen, Frauen gehen. Verbündete, die er heute Freunde nennt, lässt er morgen hinrichten. Alles ist ihm Mittel zum Zweck, die Angst vor dem Machtverlust größer als die vor der Einsamkeit. Der Mann ist zerrissen.

Auf Anne Boleyn folgt Jane Seymour (Anita Briem, Annabelle Wallis), Heinrichs dritte Frau. Sie ist schön und gütig, gebiert Henry den ersten Sohn, der allerdings krank und schwach ist. Mit Seymour kommt in Staffel drei der Wendepunkt der Geschichte. Jane ist die einzige Frau, die Henry je wirklich liebt, doch sie stirbt im Kindbett.

Jetzt wird gewiss, was sich schon in der zweiten Staffel der Tudors abzeichnet: Henry wird sein persönliches Glück nie finden, auch weil er Menschen missbraucht und ausbeutet. Umso aggressiver geht er gegen seine Feinde vor, so im Katholikenaufstand des Juristen Robert Aske (Gerard McSorley).

Rhys Meyers spielt den abgeklärten Henry, den kühlen und skrupellosen Diktatoren, ebenso überzeugend wie den hoffnungsfrohen, jugendlichen Frauenhelden, dem an konstruktiven Austausch, Abwägen der Interessen und Möglichkeiten noch gelegen war. Dem von Folge zu Folge deutlicher werdenden körperlichen und geistigen Verfall seines Charakters verleiht Rhys Meyers eine bewundernswerte Plastizität.

Immer kommuniziert Rhys Meyers mit seinem Körper. Wie viel Kraft muss es diesen Schauspieler gekostet haben, einen Mann so leibhaftig darzustellen, der viel größer, viel schwerer, viel bedeutender und noch viel charismatischer als er selbst gewesen ist.

Abgründe des Lebens

Am Ende tut einem dieser einsame Tyrann fast leid, der sich - nach einer annullierten Ehe mit Anna von Kleve (Joss Stone) - über sein nahendes Ende (Heinrich VIII stirbt vermutlich an den Spätfolgen einer Beinverletzung) mit der 17-jährigen Hofdame Catherine Howard (Tamzin Merchant) hinwegtröstet, auch sie heiratet und auch sie, die Ehebrecherin, aufs Schafott schleifen lässt.

Ihres über 30 Jahre älteren, kranken und egomanischen Ehemannes schnell überdrüssig, überfordert mit ihrer Rolle als erster Dame des Landes, fängt Howard eine Affäre mit dem Höfling Thomas Culpeper an. Henrys sechste und letzte Frau Catherine Parr (Joely Richardson) überlebt den König um ein Jahr.

Das Abgründige, das Böse, das Launenhafte - niemand verkörpert das besser als Jonathan Rhys Meyers, der den Teufel darstellt. Der Ire hat einmal von sich gesagt, er sei nur deshalb Schauspieler geworden, weil ihn der Job von der Straße fern halte. Der Mann kommt aus prekären Verhältnissen. Die Eltern, beide arm, trennen sich früh; mit 15 fliegt Rhys Meyers von der Schule.

Ein Talent Scout entdeckt ihn im Billardclub. Mit einem Werbespot für Knorr wird er bekannt, er dreht Velvet Goldmine, Kick it like Beckham, Elvis Presley, Match Point, Mission Impossible III. Nach den Arbeiten zu Match Point macht er einen Alkoholentzug.

Jonathan Rhys Meyers, Hollywoods große Nachwuchshoffnung, kennt die Abgründe des Lebens aus eigener Anschauung. Das macht ihn geheimnisvoll und prädestiniert ihn für Rollen, die moralisch doppeldeutig sind. "Noch einmal aber", das hat er in einem Interview gesagt, "könnte ich den Henry nicht spielen". Der Körper hat ausgespielt.

"Die Tudors" gibt es auf DVD (Sony pictures home entertainment) und die vierte Tudors-Staffel läuft derzeit auf Pro Sieben.

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