Lieblingsserie: Dexter:Genialität des Bösen

Tagsüber Forensiker, nachts Serienkiller: Dexter Morgan mordet mit Kalkül. Die US-Serie ist nichts für zarte Gemüter - und doch ein echtes Juwel.

Florian Zettel

Blut, Brüste und Brutalität, und immer wiederkehrende "Fick-Dich!"-Sätze - das ist Dexter. Vordergründig passt die US-Splatter-Serie also perfekt in das Programmschema des Banalitätensenders RTL2, der mit Extrem Schön und Frauentausch eine neue Ära des intellektuellen Ausblutens der Zuschauer eingeläutet hat.

File photo of actor Michael C. Hall at the 8th annual InStyle Summer Soiree party in West Hollywood

Ein Wolf im Schafspelz: Forensiker Morgan Dexter (Michael C. Hall).

(Foto: rtr)

Dabei ist Dexter mehr als die pure Traumwerdung der RTL2-Programmdirektion. Denn die US-Serie, die jenseits des Atlantiks Zuschauer wie auch Kritiker begeistert, ist ein Psychogramm der Gesellschaft - versehen mit einer Botschaft: In jedem von uns stecken Abgründe und Bestialität, man muss sie jedoch zu zähmen wissen. Doch genau das kann Dexter nicht: Er findet keine Grenzen in seinem Handeln. Das Grausame ist ihm nicht grausam genug und so begeht der smarte Antiheld Massaker um Massaker. Dieser Plot ist filmisch so exzellent umgesetzt, dass Dexter aus dem üblichen US-Serien-Allerlei herausragt.

Der Antiheld ist in diesem Fall Dexter Morgan, gespielt von Michael C. Hall, der bei der Miami Metro Police als Blut-Forensiker Tatorte analysiert. Seine Kollegen sehen in ihm einen netten und zuvorkommenden Kerl, der etwas verschroben ist. Doch in ihm brodelt es: "Ich stelle mir gern vor, ich wäre allein. Völlig allein. Vielleicht nach der Apokalypse oder nach einer Seuche. Egal. Hauptsache, es ist niemand mehr da, vor dem ich mich normal benehmen muss. Oder vor dem ich mein wahres Ich verbergen muss. Das muss dann Freiheit sein."

Ohne Gefühl und Gnade

Sein wahres Ich zeigt Dexter nach Feierabend. Da wetzt er die Messer im nächtlichen Miami und generiert sich als blutrünstiger Rächer. Er schlachtet ab, wen die Justiz seiner Meinung nach verschont oder übersehen hat. Ein Plot, der durchaus nicht typisch ist für Hollywood-Produktionen. Und es ist die Melange aus Bildern und Musik, die der Serie eine Stimmung verleiht, die Dexter in den Olymp des Krimi-Genres hebt.

Die kubanischen Rhythmen, mit denen die Dexterischen Schlachtszenen unterlegt sind, konterkarieren das Gesehene und relativieren die Qual für den Zuschauer ein wenig. Das Morden bekommt so eine morbide Virtuosität. Und immer wieder wechseln sich Tatort-Motive mit Bildern des tropenhaften Miami ab. Es ist aber auch diese von Hall gespielte unnachahmliche Dexter-Morgan-Haftigkeit, die einen erschauern und die Genialität des Bösen bei ihm akzeptieren lässt. Dexter ist nicht der eiskalte Killer, der wirr mordet. Alles ist Kalkül.

Faszination für Blutbäder

Dexters Kälte ist mehr als die übliche US-amerikanische TV-Coolness à la Miami Vice. Der Grundstock dafür wurde in seiner Kindheit gelegt. An dem Tag, als der dreijährige Dexter Zeuge eines Massakers wird. Immer wieder muss der Zuschauer in kurzen Rückblenden sein Trauma durchleben und erst am Ende der ersten Staffel setzt sich das Puzzle für die emotionale Behinderung zusammen. Tagelang kauert der Junge in einem Container. Fünf Zentimeter Blut bedecken den Boden. Der Cop Harry, der ihn vom Tatort entfernt und später adoptiert, befreit ihn.

"Töte nur das Böse"

Doch die Szenerie, wie mehrere Menschen - darunter seine Mutter - mit einer Kettensäge malträtiert wurden, brennt sich in sein Unterbewusstsein ein und lässt ihn emotional verkrüppeln. Sein Adoptivvater erkennt im Laufe der Jahre seinen Blutdurst und versucht diesen zu kanalisieren und beschwört ihn immer wieder: "Töte nur das Böse."

Das tut Dexter. Und zwar so gefühl- und gnadenlos, als wäre er der Lehrmeister von Charles Manson, Ted Bundy und John Wayne Gacy. "Wenn ich Emotionen hätte, müsste ich sie ertragen", stellt er einmal fest. Es ist ein Glück für ihn, dass er keine hat, doch diese Abwesenheit von Gefühlen stellt ihn wiederum vor private und berufliche Herausforderungen.

Mit seiner Faszination für Blutbäder zieht er die Aufmerksamkeit von Sergeant James Doakes auf sich, der immer wieder kurz davor ist, Dexters düstere Leidenschaft zu entdecken. Auch die Tarn-Beziehung zu Rita Bennett und ihren zwei Kindern wird ständig auf die Probe gestellt. Als Rita, die von dem Vater ihrer Kinder missbraucht wurde, sich von ihrem Peiniger emanzipiert, zunehmend selbstbewusster wird und damit auch Dexter nicht mehr so treu ergeben ist, gerät dieser in Not. "Eine echte Katastrophe. Ich wollte Rita, weil sie so beschädigt ist, sollte sich das geändert haben, war es das".

Auch Dexters gute Seite braucht ihre Opfer - vielleicht die grausamste Erkenntnis für die Fans des Schlächters. Mindestens genauso grausam ist es allerdings, dass Anfang April die zweite Staffel ausgelaufen ist und RTL2 erst im kommenden Jahr den Forensiker ins Nachtprogramm wieder aufnehmen wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: