Gottschalk nimmt Abschied von "Wetten, dass..?":Leiser Abgang des letzten Clowns

Entertainment as usual: Und doch wird alles anders. Thomas Gottschalk verabschiedet sich gewohnt glamourös, familiär, lustig, aber auch langatmig und unspektakulär von "Wetten dass..?" - und treibt die Suche nach einem Nachfolger bei seinem letzten Auftritt voran.

Meike Mai

Um 23.18 Uhr war Schluss. Aus. Ende. Vorbei. Thomas Gottschalk verbeugte sich artig und verließ nach drei Stunden "Wetten dass..?" die Bühne jener Show, die immer mehr war als nur eine Wettsendung: Eine, die für Gesprächsstoff sorgte am Montag auf Schulhöfen und in Bürokantinen. Und für die ein oder andere Sensation.

Dieser Samstagabend sollte nur einem gehören: Thomas Gottschalk. Vor der Show brachte das ZDF einen Countdown und schaltete unter anderem live hinter die Bühne. Da stand "Thommy", blonde Locken, dunkles Sakko, rote Hosen mit Schottenmuster und Lackschuhe. Ein Auftritt für die Legendenbildung. Trotzdem: Wer an diesem Abend Tränen und Trompeten erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Thomas Gottschalks 151. Sendung war Entertainment as usual. Klar, es gab Torte (mit Marzipan-Michelle), viel Sekt (aber erst nach dem Intendanten-OK), Ständchen (Kravitz, Meat Loaf), Küsse (Wettkandidatin Nadine, nochmal Meat Loaf) und Geschenke (Lagerfeld-Bild, Nowitzki-Trikot und eine CD, erneut von Meat Loaf). Aber ansonsten zog der Show-Veteran seine drei Stunden routiniert durch. Gottschalk haute die üblichen Kalauer raus: "Ich bin der letzte Clown, der unterwegs ist, jetzt, wo Berlusconi und Gaddafi weg sind", begrüßte Hollywoodstars wie Lenny Kravitz als alte Bekannte und sah bei einem Wetteinsatz großzügig darüber hinweg, dass sich Karl Lagerfeld mit Jessica Biel verquatscht hatte.

Es war ein bisschen wie immer: glamourös und familiär, lustig und langatmig zugleich. Dabei war die Aufregung davor so groß gewesen wie nie. Im ganzen Land zerbrach man sich die Köpfe darüber, wer die TV-Sendung moderieren soll, deren Quoten noch dazu in den vergangen Jahren tendenziell gesunken waren. Das Publikum in Friedrichshafen hatte Tränen in den Augen und schwenkte verzweifelt Plakate. Das ZDF bedankte sich bei seinem Kameraliebling etwas unbeholfen mit Würstchen, Wunschgästen und einem flammenden Schriftzug "Danke Thomas". Warum nur all die Aufregung?

Weil "Wetten dass..?" nie nur eine TV-Sendung war. Man könnte jetzt Worte finden wie "Flaggschiff" und "Unterhaltungsdampfer" oder einfach sagen: Wollte man irgendjemandem irgendwann einmal Deutschland erklären, so müsste man mit ihm nur einen Gottschalk der vergangenen 24 Jahre ansehen. Allen begegnete man in diesen Aufzeichnungen, den Großkopferten und Tiefdekolletierten, den Sternchen und den Weltstars. Man sähe ein Publikum, das sich Familienfernsehen wünscht und über die Anzüglichkeiten des Gastgebers lacht, ein Ingenieursvölkchen, das bei Bagger- oder Technikwetten applaudiert und Denk- und Sport-Aufgaben honoriert. "Wetten dass...?" ist Deutschland, wie viele es sich wünschen.

Die Samstagabendshow hat etwas Heimeliges, etwas BRD-haftes. Etwas, von dem wir wissen, dass es eigentlich längst Vergangenheit ist. Genau deshalb ist die Ratlosigkeit groß, seitdem Gottschalk am 12. Februar in Halle (Saale) kündigte. Mit ihm geht ein Stück deutsche TV-Geschichte zu Ende.

Auch wenn das ZDF beteuert, spätestens im Sommer neu zu starten: Die Zeit der großen Samstagabend-Unterhalter ist mit Gottschalks letzter Sendung vorbei. Auf den 61-jährigen Franken traf die altmodische Bezeichnung Showmaster noch zu, genauso wie auf Kulenkampff, Frankenfeld und Carrell. Sie waren Entertainer, die mit Grandezza und Nonchalance moderierten. Und Gottschalk war ihr Paradiesvogel, ein Punk im sonst so durchgecasteten Fernsehen. Einer, der für seinen Abschied nicht mal eine Rede vorbereitet hat und deshalb zum Schluss etwas ins Fabulieren kam: "Ich hab es für Sie gemacht, es hat unheimlich viel Spaß gemacht, und irgendwie hab ich es auch für mich gemacht. Herzlichen Dank. Gute Nacht. Es war eine tolle Zeit."

Durch wen soll so einer ersetzt werden? Bei der Suche nach einem Nachfolger erhielt das ZDF bereits mehrere Absagen. Gottschalk versuchte es in der Sendung ganz direkt bei seinem Gast, langjährigen Weggefährten und Freund Günther Jauch: "Dieses Sofa ist ab nächster Sendung, soweit ich weiß, zu haben. Günther, möchtest Du offiziell zusagen?" Jauch meinte schmunzelnd, er werde es sich überlegen und in 24 Stunden seine Entscheidung bei dem von ihm moderierten RTL-Jahresrückblick verkünden. Mit dieser Ankündigung dürfte er erreicht haben, dass sich einige Zuschauer mehr seine Show am Sonntagabend ansehen - doch ein "Ja" zu Wetten dass..? gilt als unwahrscheinlich.

Wer Wetten dass..? künftig moderiert, ist also weiter unklar. Sicher ist nur: Thomas Gottschalk wird nicht mehr dabei sein. Was bleibt? "Es war eine tolle Zeit."

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