Letzter Auftritt:Ein großer Schweiger

In "Böse Wetter" blickt der im Juni verstorbene Götz George gewohnt desillusioniert und wortkarg aufs Leben.

Von Holger Gertz

Böse Wetter ist natürlich ein Paradestoff für den Tag der Deutschen Einheit. Da gab es, noch zu DDR-Zeiten, ein Grubenunglück im Harz. Ein junger Geophysiker (Matthias Koeberlin) hat inzwischen einen Roboter entwickelt, mit dem in schlafenden Schächten nach Bodenschätzen gesucht werden kann, der Geophysiker erscheint also an Ort und Stelle, um zu ermitteln, ob Silber zutage gefördert werden könnte. Aber es zeigt sich schnell, dass er in Wahrheit der Geschichte seiner Familie auf der Spur ist und dem Schicksal seines Vaters, der bei dem Grubenunglück damals umgekommen war. Es war allerdings kein Arbeitsunfall, der Vater wollte fliehen, das unterirdische Gängesystem hielt einen Ausweg bereit, aber es muss jemanden gegeben haben, der ihn verpfiffen hat, einen Menschen hinter dem doch recht naheliegenden Decknamen "IM Brocken". Das ist, im Groben, die Geschichte.

Böse Wetter ist eine sehr deutsche Geschichte, auch deshalb, weil man noch einmal den großen deutschen Schauspieler Götz George sehen kann. Sein letzter Film. George ist im Sommer überraschend gestorben. In dem Drama von Regisseur Johannes Grieser hat er noch ein Kapitel aus dem dicken Deutschland-Buch erzählt, er hat am Leben erhalten, was nicht vergessen werden soll. So fügt sich diese letzte Episode in Georges Karriere, der wie kein anderer deutsche Geschichte greifbar und immer auch begreifbarer gemacht hat. Er war KZ-Aufseher, Knabenmörder, Skandalreporter, hier ist er der fiktive Minenbesitzer Friedrich Türnitz , in dessen Schächten sich damals alles abgespielt hat. Türnitz steht vor der Frage: alles verkaufen? Oder: die Nachforschungen unterstützen? Es ist lange nicht klar, wer Georges Türnitz eigentlich ist: Ehrenmann oder Verräter, Täter oder Opfer. Womöglich sogar jener IM Brocken.

Böse Wetter - Das Geheimnis der Vergangenheit

"Mein Lebenswerk? Menschenskind, du kannst vielleicht sentimental sein", sagt Friedrich Türnitz (Götz George). Sonst sagt er nicht viel.

(Foto: Daniela Incoronato/ARD Degeto)

Diese Spannung wird gehalten. Da ähnelt Böse Wetter dem Drama Besondere Schwere der Schuld von 2014, in dem George als mutmaßlicher Serienverbrecher Komalschek in seine Heimatstadt zurückkommt, um sich durch ein Gebirge von Lügen und Verdächtigungen ans Licht der Gerechtigkeit zu kämpfen. Georges Komalschek sagte nicht viel, überhaupt war der alte George längst zu einem Großmeister des Schweigens geworden. Auch in Böse Wetter sind seine Wortbeiträge reduziert. "Aus der Traum, Schicht im Schacht, Feierabend", raunt er. "Übernimm dich nicht!", droht er. Es ist der desillusionierte Blick auf das Leben, der seine späten Filme prägt, und der immer auch die Weltsicht des Menschen George spiegelt, der an sich zweifelte. Und vor allem an dem Bild, dass sich andere von ihm machten. "Mein Lebenswerk? Menschenskind, du kannst vielleicht sentimental sein", sagt er irgendwann, im typischen George-Tonfall, meckernd und brüchig, aber gleichzeitig voller Kraft. George hat ja noch mit Mitte siebzig, steht in allen Ankündigungen, sämtliche Szenen auch im Berg selbst gespielt. Dass er kein Double brauchte, gehört zur Legende dieses Mannes.

Georges Rolle ist kleiner als in Besondere Schwere der Schuld, aber trotzdem sind es vor allem die Szenen mit ihm, die dem Film ein paar besondere Momente schenken. Sonst ist da viel deutsches Durchschnittsfernsehen mit den berühmten vielsagenden Blicken und zu oft durchgekauten Wendungen (Buch: Nicholas Hause und Michael Gebhart): "Nichts ist so gewesen wie es scheint." Mit einem altklugen Kind, wie dem Vormittagskinderprogramm am Wochenende entliehen. Und der junge Geophysiker gräbt nicht nur an seiner Familiengeschichte herum, er wird auch noch - um im Bild zu bleiben - von Beginn an sehr lärmend angebaggert von einer jungen Frau, die ihn schon lange kennt. Das ist recht seifig. Auch wenn sich am Ende zeigt, dass Sehnsüchte schon im Sandkasten verhängnisvoll wirken können.

Zum Schluss weinen alle umeinander. Nur Götz George geht noch einmal schnell über den Flur. Und das ist - in all ihrer Beiläufigkeit - eine berührende letzte Szene.

Böse Wetter, ARD, Montag, 20.15 Uhr.

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