Kurz vor Präsidentenwahl in der Türkei:"Hürriyet"-Chefredakteur tritt zurück

Zwei Tage vor der Präsidentenwahl ist Enis Berberoğlu von seinem Posten als Chefredakteur der wichtigen türkischen Zeitung "Hürriyet" zurückgetreten. Schon in der Vergangenheit hatte Ministerpräsident Erdoğan den Verlag der Zeitung kritisiert. Erst am Donnerstag war es nach einer TV-Debatte zum Eklat gekommen.

  • Hürriyet-Chefredakteur Enis Berberoğlu ist zurückgetreten - zwei Tage vor der Präsidentenwahl in der Türkei.
  • Der Doğan-Verlag, zu dem die Hürriyet gehört, wies Spekulationen über politische Gründe oder Streitigkeiten mit dem Management zurück.
  • Ministerpräsident Erdoğan hat mehrfach Kritik am Doğan-Verlag und der Hürriyet geäußert - zuletzt bei einer Wahlkampfveranstaltung am Donnerstag.

Rücktritt kurz vor der Präsidentenwahl

Der Chefredakteur der türkischen Zeitung Hürriyet, Enis Berberoğlu, ist vor der Präsidentenwahl am Sonntag zurückgetreten. Vorausgegangen war scharfe Kritik von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan am Doğan-Verlag, dem das Blatt gehört.

Die Zeitung wies Spekulationen zurück, Berberoğlu habe auf Druck der Regierung am Freitag seinen Posten geräumt. Auch Berichte über Auseinandersetzungen mit dem Verlagsmanagement wurden dementiert, wie die Todays Zaman berichtet. Vielmehr habe er sich aus eigenem Antrieb dazu entschieden und den Schritt noch vor der Wahl angekündigt, "damit dem keine politische Bedeutung beigemessen wird". Eine Stellungnahme von Berberoğlu selbst gab es zunächst nicht.

Wiederholte Angriffe Erdoğans auf den Doğan-Verlag

Erdoğan hat den Doğan-Verlag in der Vergangenheit schon mehrfach angegriffen, Eigentümer Aydın Doğan liegt regelmäßig im Clinch mit dem Ministerpräsidenten. Jüngst kritisierte Erdoğan die Berichterstattung über den Konflikt im Gazastreifen, sie ergreife Partei für Israel.

Bei einer Wahlveranstaltung am Donnerstag holte Erdoğan zum Rundumschlag gegen die Doğan-Mediengruppe, die liberale Zeitung Radikal und eine Journalistin aus. Amberin Zaman, Kolumnistin der Zeitungen Economist und Tafar, hatte den Erdoğan-Konkurrenten Kemal Kılıçdaroğlu in einer TV-Debatte gefragt, ob muslimische Gesellschaften überhaupt in der Lage seien, ihre Autoritäten in Frage zu stellen.

Daraufhin nannte Erdoğan sie "eine Militante in Gestalt einer Journalistin" und "eine schamlose Frau" und rief, den Angaben der Todays Zaman zufolge lautstark: "Sie gaben Ihnen einen Stift und Sie schreiben eine Kolumne in einer Zeitung. Und dann laden sie Sie in einen Fernsehsender der Doğan-Mediengruppe ein und Sie beleidigen eine Gesellschaft, die zu 99 Prozent muslimisch ist."

Journalistin Zaman kontert

Zaman antwortete Erdoğan am Freitag in einer ihrer Kolumnen für Tafar. Darin warf sie Erdoğan vor, eine muslimische Frau zu "lynchen", nur weil sie seine Handlungen beschreibe. Regierungstreue Medien hätten eine Schmierkampagne gegen sie gestartet, schreibt Zaman. Sie sei als "Judenschlampe" beschimpft worden, die den Dschihadisten im Irak am besten als "Konkubine" diene. Der Economist solidarisierte sich in einer Stellungnahme mit seiner "weithin respektierten" Journalistin. "Unter Herrn Erdoğan ist die Türkei zu einem immer schwierigeren Ort für unabhängigen Journalismus geworden", erklärte die Economist-Redaktion.

Erst in der vergangenen Woche hatte ein anderes Führungsmitglied der AKP mit frauenfeindlichen Bemerkungen für Irritationen gesorgt: Vize-Regierungschef Bülent Arınç hatte lautes Frauenlachen in der Öffentlichkeit als unschicklich bezeichnet und damit vor allem den Protest junger Türkinnen provoziert.

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