Kritik an Arte:Eine starke Säule

Wie populär darf Arte sein? Dokumentarfilmer sorgen sich um den Kulturkanal - sie befürchten, dass Eigenproduktionen mit künstlerischem Anspruch nach und nach ins Internet abgedrängt werden. Denn längst ist Arte nicht mehr überall die Nische, die es mal war.

Es ist erst ein paar Tage her, dass der deutsch-französische Kulturkanal Arte ein neues Programmschema für 2012 ankündigte. Es war eine Meldung mit dem üblichen optimistischen Eigenlob, das Sender gerne über sich selbst verbreiten: Von Betonung der kulturellen Note war die Rede, von Flexibilität und Innovation. Wie genau die neue Ordnung aussehen wird, ging daraus indes nicht hervor.

Das Schicksal Roms: Cäsar rächen

Mit Hochglanz-Formaten wie der Serie Rom, einem Produkt von HBO, BBC und Rai, wirbt Arte um Zuschauer. Produzenten von Dokumentarfilmen fürchten um die Ideale des Kanals - und um Sendeplätze.

(Foto: Arte/obs/Docside/Indigenes Foto)

Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok), der Berufsverband senderunabhängiger Filmschaffender, hat aber dennoch eine klare Vorstellung davon, was kommen soll. Sie veröffentlichte am vergangenen Montag eine Erklärung und wirft dem Sender in einem Frontalangriff "planmäßige Selbstzerstörung" vor. Unterzeichnet ist die Mitteilung auch von zwei französischen Produzentenorganisationen. Die aktuelle Programmpolitik von Arte beobachte man "mit wachsender Sorge", heißt es dort, mit der Neuordnung "hat der Trend zur Popularisierung des Arte-Programms einen neuen Höhepunkt erreicht". In der aktuellen Europa-Krise hätten die Gründungsideen von Arte "enorme Bedeutung". Dass die Ideale noch gelten, bezweifeln die Produzenten.

"Künstlerische, vom persönlichen Blick der Autoren geprägte Programme" drohten, aus dem regulären Programm ins Internet abgedrängt zu werden.

Auf Nachfrage erklärt die AG Dok, die Zahl der Neuproduktionen auf dem Sendeplatz des großen Dokumentarfilms am späten Freitag solle nach ihrer Kenntnis von 40 auf zwölf reduziert werden. Ein weiterer Vorwurf der Filmemacher: ARD und ZDF zögen "Gelder zur Finanzierung des eigenen Programms und ihrer internen redaktionellen Strukturen" aus dem Arte-Budget.

Das weist Gottfried Langenstein zurück. Langenstein ist Arte-Vizepräsident und beim ZDF Direktor für Europäische Satellitenprogramme. Er sagt, die Behauptung, die deutschen Partner würden eigenes Programm und redaktionelle Strukturen mit Arte-Geld finanzieren, "ist schlichtweg falsch. Das ZDF verwaltet das Arte-Budget in einem eigenen Haushaltskreislauf und finanziert davon nur Arte-Produktionen und Arte-Mitarbeiter".

Der Vorwurf, Arte popularisiere sich zu stark, ist nicht neu. Tatsächlich ist es vor allem in Frankreich für den Sender überlebenswichtig, im Wettkampf neuer digitaler Sender nicht zu viel Marktanteile zu verlieren. Der Programmchef Christoph Hauser hat in diesem Sinn erfolgreich gewirkt - und Kritik auf sich gezogen. Arte ist nicht überall mehr die Nische, die es mal war, aber der Sender hat, etwa im Internet, neue Formen gefunden. Hauser versichert: Die Dokumentation bleibe "die stärkste Säule" des Senders, die Zahl der Neuproduktionen beim großen Dokumentarfilm werde "nicht verändert". Arte bleibe der Sender des Autorenfilms. Aber ist Arte noch der Sender des Autorenfilms?

Wie angespannt indes die finanzielle Lage der Dokumentarfilmproduzenten derzeit ist, wurde Anfang der Woche beim Branchentreffen "Sunny Side of the Doc" in La Rochelle diskutiert. Dort sagte Arte-Präsidentin Véronique Cayla, dass es künftig mehr Dokumentationen im Programm geben werde. Details zum Programmschema will der Sender im November bekanntgeben. Darauf sind viele gespannt.

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