Krimi-Franchise "CSI":Leiche für Leiche zum Erfolg

D.B. Russell (Ted Danson, links) and Catherine Willows (Marg Helgenberger) bei der Arbeit in CSI: Vegas.

Auf der Suche nach unwiderlegbaren Beweisen: Die Ermittler D.B. Russell (Ted Danson, links) and Catherine Willows (Marg Helgenberger) bei der Arbeit in CSI: Vegas.

(Foto: Sonja Flemming/CBS)

"CSI" hat in 15 Jahren den Blick auf die Polizeiarbeit dramatisch verändert - der CSI-Effekt beeinflusst heute sogar Gerichtsverfahren. Als cool galten trotzdem immer andere. Eine Ehrenrettung zum Jubiläum.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

In ganz seltenen Fällen, da kann es sich für einen Menschen tatsächlich lohnen, wenn er keine Ahnung hat von dem, was er da gerade tut. Wenn er mit kindlicher Naivität einfach mal loslegt und ein Projekt so gestaltet, wie es ihm gefällt. Wenn er Regeln und Grenzen nicht kennt und sie deshalb auf eine Weise bricht oder verschiebt, wie es zuvor niemand gewagt hat. So wie Anthony Zuiker Ende der 1990er-Jahre: Da verfasste er ein Skript für eine Serie.

Gewiss, er konnte formulieren und hatte Ideen, aber keine Ahnung von Drehbüchern: Er verwendete schon in der ersten Folge Rückblenden, was unter TV-Autoren damals als Eingeständnis der Ideenlosigkeit galt. Er wollte Gewalt drastisch darstellen, undenkbar zur besten Sendezeit auf einem frei empfangbaren Kanal. Er gönnte seinen Protagonisten erst einmal kein Privatleben. Was für ein unverfilmbarer Unsinn, was für eine abstruse Idee eines ahnungslosen Amateurs!

Nun, 15 Jahre nach der Ausstrahlung der ersten Episode ist CSI: Crime Scene Investigation eine der erfolgreichsten Fernseh-Franchises weltweit, inklusive der Ableger CSI: Miami und CSI: NY wurden mittlerweile 764 Episoden gezeigt, es gibt Bücher, Videospiele und die interaktive Ausstellung CSI: The Experience.

"Ich hatte bei der Premiere keine Ahnung, dass sich das zu diesem weltweiten Phänomen entwickeln würde", sagt Zuiker, der mittlerweile gefeiert wird als einer der kreativsten Köpfe der TV-Geschichte.

Er hat ein Buch über seinen Werdegang geschrieben mit dem herrlichen Titel Mr. CSI - How a Vegas Dreamer Made a Killing in Hollywood, One Body at a Time. Er hat das amerikanische Fernsehen verändert, mit einer Leiche nach der anderen - und wem das gelingt, der prägt in diesem Land auch immer ein Stück weit die Gesellschaft.

Bei allen stilistischen und visuellen Neuerungen, die von zahlreichen anderen Serien übernommen wurden (die Rückblenden in Lost etwa wären ohne die Vorarbeit von CSI undenkbar), ist die Serie zunächst ein klassischer Krimi - was womöglich auch der Grund dafür ist, dass sie nur selten genannt wird, wenn es um Beispiele für herausragende Serien geht.

Präzise Nerds, die ihre Fälle mit unwiderlegbaren Beweisen lösen

Es ist Mainstream-TV, nicht unbedingt Kunst: Es gibt eine Leiche, die Ermittler suchen nach dem Täter und finden ihn am Ende fast jeder Episode. Die inhaltliche Besonderheit von CSI liegt in der Vorgehensweise der Beamten: Sie kombinieren nicht wie der schrullige Inspektor Columbo in der gleichnamigen Serie, sie sind keine schlampigen Genies wie Fitz in Cracker und auch keine knallharten Cops wie die in The Wire. Sie sind präzise Nerds, die ihre Fälle mit Forensik und damit unwiderlegbaren Beweisen lösen. Der Zuschauer soll mit heruntergeklapptem Unterkiefer vor dem Bildschirm sitzen und sich wundern, was wissenschaftlich so alles möglich ist bei der Verbrechensbekämpfung.

Der CSI-Effekt: Publikum glaubt an forensische Methoden

Das führte zum so genannten CSI-Effekt, für den mittlerweile auch andere Serien wie Cold Case, Bones oder Without a Trace sorgen.

Das Publikum erhält durch die oftmals unrealistisch raschen und teils auch hanebüchenen Ermittlungen die Illusion, dass moderne Polizeiarbeit nun einmal genau so funktionieren würde.

Geschworene fordern bei Gerichtsverhandlungen nun stichhaltigere Beweise als die oftmals vagen Erinnerungen von Zeugen - in Studien heißt es, dass O. J. Simpson im Jahr 1995 ob der forensischen Beweise wohl für schuldig erklärt worden wäre, hätte CSI bereits existiert. Die Geschworenen jedoch seien damals nicht für blutige Handschuhe, Haare und Teppichfasern sensibilisiert gewesen. "Der CSI-Effekt ist meiner Meinung nach das Erstaunlichste, das diese Serie hervorgebracht hat", sagt Zuiker: "Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte ist es nicht mehr möglich, die Geschworenen in die Irre zu führen."

Beide Ableger sind mittlerweile abgesetzt, die Quoten des Originals sind von durchschnittlich mehr als 20 Millionen Menschen (2000 bis 2006) auf knapp zwölf Millionen gesunken. Das sind noch immer herausragende Zahlen, doch wirkte das Konzept zuletzt doch fad wie ein ausgelutschter Drops.

Für Abwechslung soll nun der neue Spin-off CSI: Cyber sorgen, dessen erste Folge in den USA am Mittwoch ausgestrahlt wurde und schon einen Tag später in Deutschland zu sehen ist.

Tatort Internet

Patricia Arquette, kürzlich für ihre Rolle im Film Boyhood mit dem Oscar ausgezeichnet, leitet ein Team aus Computernerds, das knifflige Kriminalfälle im Internet aufklärt. "Unsere Zuschauer werden sich wohlfühlen, weil sie zahlreiche bekannte Elemente aus der Franchise zu sehen bekommen", sagt Zuiker.

Gleichzeitig in 150 Ländern ausgestrahlt

Statt Projektilen, die Haut und Knochen zerfetzen und dabei Spuren hinterlassen, sollen die Zuschauer nun vorgeführt bekommen, wie Cyberkriminalität funktioniert. Das ist nicht wirklich neu, viele andere Krimidramen wie The Blacklist, Scandal oder Scorpion haben mittlerweile die Figur des Computergeeks integriert, der bei stagnierender Handlung wie ein Gott aus der Maschine hüpft und einen Lösungsansatz anbietet.

Ein neuer CSI-Effekt ist deshalb nicht zu erwarten, womöglich aber frischer Wind für die Franchise - was natürlich auch an Arquette und den anderen herausragenden Darstellern wie Peter MacNicol, Shaw Moss und Charley Koontz liegt.

Den Start des Ablegers und das Jubiläum übrigens feiern die Verantwortlichen ganz unbescheiden mit einem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde - und damit das auch ja niemand verpasst, haben sie den kompletten Mittwoch vorsorglich zum "World CSI Day" erklärt.

In 150 Ländern gleichzeitig sollte die Folge "Kitty" (die den Spin-off CSI: Cyber vorbereitet und in Deutschland Wer ist Special Agent Avery Ryan heißt) ausgestrahlt werden - in Deutschland beteiligte sich in der Nacht zum Donnerstag der digitale Spartensender RTL Crime. Zuvor hatte der Rekord für die Episode, die in den meisten Ländern zur gleichen Zeit zu sehen war, bei 98 Staaten gelegen (Doctor Who im Jahr 2013).

"Die Franchise hat sich mit Las Vegas, New York und Miami beschäftigt, nun hüpfen wir in diese weite Welt der Cyberkriminalität", sagt Zuiker: "Es ist eine Welt, in der jeder mit jedem verbunden ist, überall und jederzeit. Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als die neue Serie und 15 erfolgreiche Jahre mit einer weltweit gleichzeitigen Ausstrahlung zu feiern." Das ist nun wahrlich nicht schlecht für jemanden, der erst einmal keine Ahnung hatte von dem, was er da tat.

CSI: Cyber, RTL Crime, 19.30 Uhr.

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