Konkurrenz für Kochmagazine:Alles was zählt, ist Styling

Zutaten im Internet suchen, Rezepte aufs Smartphone schicken - Kochbegeisterte finden immer mehr online. Gegen die Konkurrenz aus dem Netz testen Fachmagazine die unterschiedlichsten Strategien. Immer weniger geht es dabei um Salat und Schnitzel.

Lea Hampel

Paul kommt nach Deutschland, diese einfache Information wurde im Frühjahr in der virtuellen Welt bejubelt, als sei sie ein echtes Wunder. Paul Lowe ist ein norwegischer Foodblogger, der als "Sweet Paul" über all das schreibt, was das Leben leckerer und niedlicher macht. Eine englische E-Ausgabe gibt es bereits, seit Mai liegt die deutsche Druck-Ausgabe am Kiosk und hat bei essensinteressierten Internetnutzern Begeisterung hervorgerufen. Dass der Kieler Verlag Falkemedia, wo auch So is(s)t Italien erscheint, aus Paul aus dem Netz eine gedruckte Zeitschrift macht, könnte man als Kapitulation des Magazinmarktes vor der Konkurrenz der Foodblogger sehen. Oder als letzten Ausweg.

Cafe Forum in München, 2012

Immer mehr zählen neben dem Salatrezept die passenden Dekotipps.

(Foto: Catherina Hess)

Konkurrenz aus dem Netz gibt es bei allen Magazinthemen, doch bei den Koch- und Essensmagazinen ist der Wandel besonders deutlich. Blogs, ob professionell wie Delicious Days oder ambitioniert-amateurhaft wie manches Essenstagebuch gibt es Hunderte - Blogs wie Chocolate and Zucchini bieten Rezepte und alltagstaugliche Tipps, Leser können kommentieren, eigene Erfolge dokumentieren oder gar Zutaten im eigenen Kühlschrank eingeben und Rezepte bekommen. Manche haben Rezepte-Apps auf dem Smartphone. Essenszeitschriften wie Essen & Trinken, die dieses Jahr 40-jähriges Bestehen feiert, sind als schneller Ratgeber vor allem für jüngere Leser weniger lebensnah als der Blick ins Netz.

Bei den Verlagen haben sich verschiedene Taktiken im Umgang mit der virtuellen Konkurrenz durchgesetzt. Hinter allen steht "die Einschätzung, dass bestimmte Bereiche im Netz besser funktionieren", sagt Vijay Sapre, Gründer des Magazins Effilee. Ein paar Verlage machen einfach mit, Gruner + Jahr beispielsweise hat die Website chefkoch.de gekauft, eines zahlreicher kostenloser Internetangebote von Verlagen. Die zweite Reaktion ist: Nachmachen. Immer mehr Magazine stellen ihre Heftinhalte online.

Die dritte Methode läuft unter dem Schlagwort "Ausdifferenzierung" und hat in den vergangenen Jahren den Abschnitt "Haushalt" im Zeitschriftenregal um Meter erweitert: Für italienische Küche gibt es Magazine, für Landküche, für Süßes und Vegetarier, zudem Sonderhefte zu Schokolade oder Wein. Insgesamt sind etwa 150 Publikationen auf dem Markt, schätzt Alexander von Schwerin, bei Gruner + Jahr für Foodtitel und chefkoch.de zuständig. "Die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung haben zugenommen", fasst er zusammen. Dem setzen die Magazinmacher eine Informationsflut entgegen, "vor allem auch, weil jeder Verlag versucht, immer neue Nischen für werbliche Auftritte zu finden", sagt Feinschmecker-Chefredakteurin Madeleine Jakits.

Eines ist allen Heften gemeinsam: Immer öfter stehen neben dem Salatrezept fürs Grillfest Texte über Gartenmöbel und Serviettenhalter. Es geht nicht ums Kochen, sondern darum, zu zeigen, dass einem Essen wichtig ist. Die Küche ist das geworden, was im bürgerlichen Zeitalter die "gute Stube" war, ein Raum für Gäste, der mit dem Alltag nicht viel zu tun hat. "Man hat das Gefühl, wenn ich mich nicht bei jedem Abendessen vor ein neu gemachtes Namensschild setze, habe ich was falsch gemacht", sagt Nicole Stich, die das Foodblog Delicious Days betreibt.

Kleineres Risiko bei speziellen Zielgruppen

Passend dazu achten auch die Magazine selbst mehr auf den schönen Schein. Essen & trinken glänzt seit Anfang 2011 und betont leichte Farben. Auch der Feinschmecker (Jahreszeiten Verlag) wird derzeit überarbeitet. Gleichzeitig baut man auf Lesegeschichten. Effilee, gegründet im Jahr 2008, hat von vorne herein mit Porträts und Reportagen die "Konzentration auf Text" gepflegt, wie Chef Vijay Sapre es ausdrückt.

Die Magazinbranche experimentiert in der Nische, auch bei den Kochmagazinen. Das Fleisch-und-Testosteronheft Beef, das sich an fleischkochende Männer richten soll, ist hier das beste Beispiel. Kleine Zielgruppen sind beim Werbekunden gut zu vermarkten, das Risiko ist überschaubar - und umso spezieller der Inhalt, desto weniger deutlich die Konkurrenz im Netz. Es leiden die klassischen Titel: Die Auflage des Feinschmecker ist seit 2002 von 104.932 auf aktuell 75.602 gesunken, bei Essen & Trinken von 220.208 auf 176.611. Und auch Effilee erscheint nur noch vier statt sechsmal pro Jahr.

Falkemedia will es trotzdem probieren und hofft wie die meisten Verlage darauf, dass Menschen gerne gedruckte Magazine anfassen. Zur Sicherheit vereint man hier alle Trends in einem Heft. Sweet Paul sieht hübsch aus auf dem Kaffeetisch, die Bilder sind so "super inszeniert", dass, wie Chefredakteurin Kathrin Hoberg es sich vorstellt, "die Leserin am liebsten jede Seite an die Wand hängen will. Bei uns gibt es nicht einfach 'ne Portion Nudeln, sondern jede Nudel ist einzeln geschwungen und drapiert". Das Heft will auch allgemeines Stylemagazin sein, mit Accessoires, Einrichtungsgegenständen und Basteltipps, bei denen die Leserinnen, "ins Träumen geraten".

Sweet Pauls erste Auflage, 40 .00 Stück, war nach einem Monat zur Hälfte verkauft. Ob sein Weg, vom Netz ins Regal, grundsätzlich aus der Magazinmisere führt, ist fraglich. Unter einem Blogeintrag über das Heft jedenfalls schrieb ein User: "Nach dem ersten ach-wie-schön-das gibt-es-jetzt-auch-in-echt, habe ich an den Zeitschriftenstapel zuhause gedacht und mir die 5,90 Euro gespart."

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