Rezepte:Kochen im Zeitraffer

Lesezeit: 3 min

Erfolgsrezept: Die kurzen Kochclips (hier ein Garnelen-Burrito) werden bei Facebook tausendfach geklickt. (Foto: foodboom)

Millionen Menschen klicken auf kurze Clips, in denen Kochgerichte im Schnelldurchlauf zubereitet werden. Doch warum eigentlich?

Von Kathrin Hollmer

Hände braten Haselnüsse in einer Pfanne an, schneiden Salatherzen und filetieren Zitronen. Zeitraffer-Videos, in denen man Händen beim Schnippeln, Rühren und Braten zusieht, sind bei Facebook seit ein paar Monaten extrem beliebt. Sie starten automatisch, sobald man beim Scrollen an ihnen hängen bleibt. Es dauert keine Minute, bis das Gericht fertig ist - hier ein Salat mit karamellisierter Zitrone.

Die Hände wachsen in diesen Videos aus dem Off ins Bild, den Koch sieht man nicht. Darum gibt es auch kein Fachgesimpel von Hobbyköchen, die über die Vorzüge von Sauce hollandaise oder béarnaise philosophieren. Die Videos werden zunächst lautlos abgespielt. Schaltet man den Ton an, läuft belanglose Aufzugmusik. Das macht die Filmchen - trotz Zeitraffer-Hektik - beinahe meditativ. Den Leuten scheint das zu gefallen: Die Zahlen jedenfalls sind beeindruckend.

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Von Maria Holzmüller

Die US-amerikanische Facebook-Seite Tasty, die zum Online-Portal Buzzfeed gehört, hat fast 63 Millionen Facebook-Fans - Buzzfeed selbst etwa ein Siebtel davon. Inzwischen gibt es mehrere Ableger im Ausland, in Deutschland etwa "Einfach Tasty". Das erfolgreichste Kochvideo von Tasty, ein Stern aus Blätterteig mit Tomaten-Käse-Füllung, wurde bereits mehr als 150 Millionen Mal aufgerufen. Ihr größter Konkurrent, Tastemade, ebenfalls aus den USA, hat gut 17 Millionen Fans und auch Ableger auf der ganzen Welt.

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Nach nur einem halben Jahr mehr als 250 000 Fans

In Deutschland wollen mehrere Projekte den Erfolg dieser Vorbilder aus den USA nachahmen. "Futtern" ist ein Ableger von bild.de, "Leckerschmecker" gehört zu dem Onlineportal heftig.de. Sebastian Heinz, Gründer des Kochkurs-Portals Kochschule.de, startete Ende 2015 gemeinsam mit dem Koch Hannes Arendholz die Firma "Foodboom". Das Start-up produziert neben den Facebook-Videos auch Kochshows für Youtube und eine App. Am meisten Aufmerksamkeit bekommt Foodboom auf Facebook. Dort hat die Seite nach nur einem halben Jahr schon mehr als 250 000 Fans.

"Die High-Traffic-Videos geben den Menschen das Gefühl, dass die Gerichte so schnell und einfach zubereitet sind, dass man das auch selbst schaffen kann", sagt Sebastian Heinz. Wobei die Rezepte selbst nur wenige zu interessieren scheinen: Bei Foodboom klicken höchstens fünf Prozent der Zuschauer auf die Links zur Anleitung.

Im Zeitraffer sind Spaghetti Bolognese in 42 Sekunden zubereitet und ein Steak mit Whiskey-Schalotten in 55. Die Ästhetik des Essens steht dabei im Vordergrund, neudeutsch: Food Porn. "Schöne Essensbilder funktionieren immer", sagt Heinz. Trotzdem will Foodboom die Menschen wirklich zum Kochen bringen. "Frittiertes Snickers, mit Käse Überbackenes, Hackfleisch und alles mit Nutella generiert viele Klicks", sagt Heinz. "Unser Ziel ist es jedoch, jeden Tag eine neue kreative Idee und auch gesunde Gerichte zu zeigen."

Foodboom erreicht Heinz zufolge jede Woche allein über seine Social-Media-Kanäle mehr als 1,5 Millionen Menschen - weil die Videos auf Facebook schnell und deshalb zigfach geteilt werden können, anders als auf Youtube. "Wir haben festgestellt, dass sich die meisten Videos mit Aufrufen wie 'Lass uns mal wieder kochen!' viral verbreiten", sagt Heinz. Das merkt er auch an den Rückmeldungen: "Wir bekommen teilweise hundert Fotos von nachgekochten Gerichten pro Rezept."

Wie man aus einer Kartoffel und einer Rose einen neuen Rosenstrauch züchtet

Immer mehr Firmen in Deutschland entdecken in den Kochvideos ein Geschäftsmodell - auch, um mit Native Advertising zu experimentieren, also Werbung, die redaktionellen Inhalten ähnelt. "Wir entwickeln Rezepte für Firmen und integrieren deren Produkte. Allerdings nur solche, die wir gut finden", sagt Heinz. Geld kommt auch durch Auftragsarbeiten herein. Bei etwa zehn der 20 Videos, die Foodboom jede Woche produziert, sind Firmen die Auftraggeber, sie zahlen Provisionen für gebuchte Kochkurse oder gekaufte Küchenutensilien. In Zukunft will das Start-up anbieten, über Einkaufslisten Lebensmittel direkt online zu bestellen. "Für mich ist das die Zukunft", sagt Heinz.

Das Format lässt sich auch für andere Themen adaptieren. Die Facebook-Seite Geniale Tricks etwa zeigt in Sekundenschnelle, wie man aus einer Kartoffel und einer Rose einen neuen Rosenstrauch züchtet oder mit einer Büroklammer ein kurzes Armband leichter schließen kann. Künftig dürfte es darum eher noch mehr Zeitraffervideos in den Timelines geben.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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