Klage gegen die "Titanic":Vatikan verkneift sich die letzte Steilvorlage

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Von der einstweiligen Verfügung gegen ein "Titanic"-Cover hatte bislang ausschließlich das Satiremagazin profitiert. Bevor es am Freitag vor dem Hamburger Landgericht zur Verhandlung kommen sollte, zog der Vatikan seine Klage nun zurück. Die "Titanic" feiert den Schritt als "historisch einmaligen Triumph".

Carsten Eberts, Hamburg

Leo Fischer hatte Haltung geübt. Die linke Hand in Bauchnabelhöhe angelegt, die rechte Hand verschränkt darüber - so stand der Chefredakteur des Satiremagazins Titanic am Donnerstagnachmittag vor der Hamburger Michaeliskirche. Fischer trug ein Kardinalsgewand, mit der typischen Mütze, nickte weise und beantwortete geduldig allerlei Fragen. Majestätischer geht es für den Chefredakteur einer kleinen Satirezeitschrift kaum.

Der Papst auf dem Titelbild - hier das August-Heft des Satiremagazins "Titanic". Nun darf auch die Juli-Ausgabe wieder verkauft werden. (Foto: dpa)

Es sollten zwei große Tage werden in Hamburg - vor allem für die Titanic. Vor der Pressekammer des Landgerichts Hamburg war die mündliche Verhandlung über das Titelbild der Titanic-Ausgabe vom Juli anberaumt worden. Das Cover zeigte Papst Benedikt XVI. mit einem großen gelben und einem braunen Fleck auf der Soutane, dazu die Überschrift: "Halleluja. Die undichte Stelle ist gefunden." Angespielt wurde damit auf die "Vatileaks"-Affäre; für die einen war es geschmacklos, für die anderen ein Grenzfall, der jedoch gerade noch durch das Recht auf Satire gedeckt wird.

Zu diesem Prozess kommt es nun nicht mehr. Am Donnerstagnachmittag, nur wenige Stunden vor der Verhandlung am Freitag, hat der Vatikan seine Klage überraschend zurückgezogen. "Nach eingehenden Beratungen ist der Heilige Stuhl zur Entscheidung gelangt, eine Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung gegen den Titanic Verlag zu veranlassen", teilte die Deutsche Bischofskonferenz unter Berufung auf eine Erklärung des Staatssekretariats des Apostolischen Stuhls mit. Die umstrittene Titanic-Ausgabe darf ab sofort wieder verkauft werden.

Mit diesem Schritt ist der Vatikan offenbar gut beraten. Der Ausgang des Prozesses war höchst ungewiss: Zwar hatte dieselbe Kammer des Hamburger Landgerichts bereits der einstweiligen Verfügung stattgegeben. Presserechtler hatten jedoch bezweifelt, dass der Tatbestand der Blasphemie tatsächlich erfüllt ist. Auch der Deutsche Journalisten-Verband hatte dem Magazin seine Unterstützung zugesichert.

Bislang hatte ohnehin nur eine Seite von der Angelegenheit profitiert: die Titanic. Das Verbot der Ausgabe hatte eine Auflagensteigerung von knapp 70 Prozent bewirkt, in den Bahnhofsbuchhandlungen war das Heft meist ausverkauft.

Schnell hatte sich die Titanic entschieden, die Steilvorlage aus dem Vatikan bis zum Letzten auszukosten. Obwohl ein Gang vor das Landgericht nicht ganz billig ist, aus Frankfurt waren zudem große Teile der Titanic-Redaktion nach Hamburg gereist, um vor Ort zu protestieren. "Die ganze Aktion ist vom Papst bezahlt", sagte Fischer vor der Michaeliskirche: "Die Ausgabe hat sich bis zum Verbot rasend schnell verkauft. Der Vatikan hat uns den Prozess vorfinanziert."

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Der Auftakt-Protest am Michel geriet trotzdem zu einer eher lahmen Veranstaltung. Knapp 80 Medienvertreter und Schaulustige waren gekommen, um zu sehen, wie sich die Titanic-Mitarbeiter an die Kirche ketten. Das taten sie auch, jedoch nicht etwa in luftiger Höhe, sondern im Eingangsbereich, an ein kupferfarbenes Treppengeländer, gleich neben einem großen Stehaschenbecher. Die Apparate der Fotografen klickten kurz, die Mitarbeiter um Fischer guckten grimmig drein. Nach zwei Minuten war die Aktion vorüber.

Protest in Ketten: Chefredakteur Leo Fischer (2.v.l.) und weitere "Titanic"-Mitarbeiter vor der Hamburger Michaeliskirche. (Foto: dapd)

Es war ohnehin kurzweiliger, Chefredakteur Fischer im Kardinalsgewand bei seinen Ausführungen zu lauschen. Das Titelbild sei selbstverständlich nicht als Provokation gedacht gewesen - vielmehr habe man mit dem Papst das Ende von "Vatileaks" feiern wollen. "Martin Luther hat den Papst mit Beleidigungen überzogen, die wir in Titanic niemals drucken würden", dozierte Fischer weiter: "Unsere Hand ist ausgestreckt. Eine gütliche Einigung ist mit uns jederzeit möglich."

Dass der Vatikan das Angebot tatsächlich annehmen würde, dachte Fischer zu diesem Zeitpunkt selbst nicht. Die Titanic feierte den Schritt anschließend als "historisch einmaligen Triumph".

Ganz am Ende, neben all dem Ulk, wäre es vor Gericht auch noch um die Verteidigung der Pressefreiheit gegangen. Der Vatikan und insbesondere Papst Benedikt XVI. waren schon öfter von der Redaktion des Magazins aufs Korn genommen worden; noch nie hatte sich der Vatikan jedoch entschlossen, gerichtlich gegen Titanic vorzugehen. "Wir werden verfolgt von einem Monarchen aus Italien, der in Berlusconi-Manier versucht, die Presse auszuschalten", sagte Fischer. Der Papst fühlte sich hingegen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt.

Der Protest sollte am Freitagmittag seinen Höhepunkt erreichen. Während im Landgericht die einstweilige Verfügung verhandelt werden sollte, wollten die Titanic-Mitarbeiter den Platz vor dem Gericht in einen päpstlichen Mittelaltermarkt verwandeln. Neben Auftritten von Jongleuren und Feuerspuckern sollte den Besuchern die Möglichkeit geboten werden, symbolisch eine Hexe zu verbrennen. Zumindest diesen Gefallen zur Selbstdarstellung tut der Vatikan dem Satiremagazin nun nicht mehr.

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