Kirche und Medien:Ende einer Mission

Kirche und Medien: Da kommt was zusammen: Das Titelbild von Christ & Welt.

Da kommt was zusammen: Das Titelbild von Christ & Welt.

(Foto: Verlag)

Die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt", Nachfolger des einstigen Flaggschiffs der katholischen Publizistik, wird künftig nicht mehr von der Kirche hergestellt. Der fehlt ein stimmiges Medienkonzept.

Von Matthias Drobinski

Nein, es sei keine Trennung im Streit, darauf legen sie Wert beim Hamburger Zeit-Verlag. "Christ & Welt hat sich publizistisch und bei der Auflage seit 2010 so positiv entwickelt, dass es künftig dafür eine eigene Zeit-Tochter geben wird", verkündet Geschäftsführer Rainer Esser stattdessen und fügt hinzu, dass man stolz darauf sei. Vom 1. Oktober an jedenfalls wird die Beilage, die einst unter dem Titel Rheinischer Merkur das Flaggschiff der katholischen Publizistik in Deutschland war, von der hundertprozentigen Zeit-Tochter "Credo" produziert. Die Redaktion zieht nach Berlin; der Etat, der bei über 750 000 Euro liegen soll, bleibt gleich, das Blatt wird weiterhin von fünf Redakteuren gemacht. Das Katholische Medienhaus in Bonn aber, getragen vom Verband der Diözesen Deutschlands, verliert ein gewichtiges Produkt: Sechs Jahre lang hat dort ein Tochterunternehmen der Katholischen Nachrichtenagentur Christ & Welt produziert und der Zeit zugeliefert.

Der Vorgang ist gleich doppelt bemerkenswert. Zum einen, weil die Zeit, traditionell im weniger kirchenaffinen Milieu unterwegs, Religion und Sinnsuche für so wichtig hält, dass sie eine sechsseitige Beilage in Eigenregie weiterführt, die einmal als finanzielles wie publizistisches Risiko galt. Und vor allem, weil das gestiegene Interesse am Religiösen ausgerechnet zulasten der katholischen Kirche geht. Im Medienhaus in Bonn verbleiben die Katholische Nachrichtenagentur, der Internet-Auftritt katholisch.de, der Filmdienst, der Mediendienst - doch ausgerechnet Christ & Welt bricht nun weg, der Platz für die intellektuellen Debatten.

Das Blatt entwickelte eine eigene Debattenkultur, wie sie in den Kirchen selten ist. Ein Problem?

Der katholischen Kirche fehlt in Deutschland ein stimmiges Medienkonzept. Der Rheinische Merkur, gegründet 1946, katholisch-konservativ ausgerichtet, war eine publizistische Macht im Adenauer-Deutschland. Er war auch noch eine Macht, als 1971 die deutschen Bischöfe entschieden, nicht mehr die liberale Zeitung Publik zu finanzieren, sondern den konservativen Rheinischen Merkur. Die Macht aber bröckelte, die Leser starben oder gingen, am Ende waren es 13 000 Käufer, obwohl man zwischendrin die Abonnentenkartei der untergegangenen Woche erworben hatte. Der Finanzbedarf jedoch blieb, 4,5 Millionen Euro schossen die Bischöfe zu - bis sie dem teuren Treiben 2010 ein Ende machten. Die Zeit erklärte sich bereit, das Blatt als Beilage weiterzuführen, großartige Perspektiven für das neue Christ & Welt sah aber kaum jemand. Zu verschieden schienen die Leserschaften zu sein. Das Helmut-Kohl-Deutschland kommt zum Helmut-Schmidt-Deutschland, wie sollte das gut gehen?

Es ging überraschend gut. Christ & Welt entwickelte eine eigene Debattenkultur, wie sie in den Kirchen selten ist. Die Redaktion packte mutig auch strittige Themen an, und selbst die Anzahl derer, die für einen geringen Aufpreis die Beilage zur Zeit mitkaufen, ist seitdem leicht gestiegen auf derzeit 15 000. Kein Boom, aber ein Erfolg. Der Zeit-Verlag und das katholische Medienhaus überlegten, wie man das Produkt nun weiterentwickeln könnte.

Das Problem, sagen Insider, kam dann nicht aus dem Medienhaus, wo man gerne mit der Zeit weitergearbeitet hätte. Schwierig sei gewesen, dass die Bischöfe nicht so recht gewusst hätten, wofür und wohin sie investieren sollten; ein Blatt, das nicht einfach bei der Verkündigung des katholischen Glaubens hilft, sondern immer auch unbequem ist - das war offenbar nicht allen Hirten gleich viel wert.

So geht es nun von Oktober an in Berlin weiter, mit dem bisherigen Chefredakteur Raoul Löbbert, und auch sonst soll Christ & Welt bleiben, was es war. "Wir glauben, Christ & Welt so am besten absichern und weiterentwickeln zu können," sagt Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, und: "Wir wollen bei der Zeit nicht missionieren, aber mir war es immer wichtig, die Themen Religion und Sinnsuche bei uns zu verankern." Die Redaktion wird im alten Westberlin arbeiten, "wir lassen uns auf Berlin ein", sagt Patrik Schwarz, der als Geschäftsführender Redakteur der Zeit Herausgeber von Christ & Welt ist, "aber wir vergessen dabei nicht, wie wichtig die Regionen für die Religion in Deutschland sind." Ein bisschen Bonn soll in Berlin bleiben.

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