Kasachstan:"Das war's"

"Ich habe gemerkt, dass ich ein Gewissen habe, ich kann nicht weiter lügen": Eine kasachische Journalistin fühlt sich als Teil einer großen Desinformation. In ihrem Job beim Sender Chabar will sie nicht mehr arbeiten.

Von Frank Nienhuysen

Sie hätte sich leicht ins neue Jahr retten können, so lang ist das ja nicht mehr. Dann wollte sie ohnehin weg aus London, jedenfalls weg von ihrem TV-Sender. Bela Kudaibergenowa aber hat sich für ein knallendes Abschiedsfeuerwerk noch deutlich vor Silvester entschieden. "Das war's. Ich habe gemerkt, dass ich ein Gewissen habe, ich kann nicht weiter lügen", schrieb die Korrespondentin des staatlichen kasachischen Fernsehens auf ihrer Facebook-Seite. Und schloss mit ihrem Sender ab. Kudaibergenowa ist eine der bekanntesten Journalistinnen Kasachstans. Geboren noch zu Sowjetzeiten im russischen Astrachan, aufgewachsen in Moskau, arbeitete sie seit 2003 für den Fernsehsender Chabar und dessen Internetseite 24.kz. Zunächst war sie Korrespondentin in Moskau, seit sechs Jahren berichtete sie aus London. Und offenbar nicht immer so frei, wie sie es gern hätte.

Vor wenigen Tagen sollte sie in einem Londoner Luxushotel über ein Treffen berichten, das die kasachische Botschaft organisiert habe. Die Interview-Partner habe die Botschaft auch gleich empfohlen, schreibt die Korrespondentin. Rechtzeitig zum nationalen Unabhängigkeitstag sollte sie demnach einfangen, "dass die Kasachen glücklich sind und Kasachstan ein großartiges Land ist". Das sei für sie der letzte Anlass gewesen, aufzuhören. "Ich glaube, die Desinformation geht tief und ist weit verbreitet", sagte sie Radio Free Europe. "Wir finden immer ,Experten', die das sagen, was wir von ihnen wollen."

Das zentralasiatische, ölreiche Land wird autoritär regiert. Auf der Rangliste für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt Kasachstan auf Platz 160. Die regierungsnahe Zeitung Caravan Weekly warf der Journalistin Unprofessionalität vor; sie habe beleidigt einen Skandal gewollt, weil sie von London nach Moskau geschickt werden sollte und "die Tür sehr laut zugeknallt". Es komme oft vor, "dass Menschen Fantasie mit der Wirklichkeit vermischen". Kudaibergenowa meinte dazu: "Nonsens".

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