Kampagne zum neuen Rundfunkbeitrag:"Die Musik spielt beim Gesetzgeber"

Zerfass

"Wer den Rundfunkbeitrag nicht bezahlen will, wird weiter dagegen protestieren": Kommunikationswissenschaftler Ansgar Zerfaß von der Uni Leipzig.

(Foto: Ansgar Zerfaß)

Seit Anfang des Jahres muss jeder Haushalt den neuen Rundfunkbeitrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio bezahlen. Trotz groß angelegter Info-Kampagne regt sich noch immer Widerstand. Was läuft falsch? Ein Gespräch mit dem Kommunikationswissenschaftler Ansgar Zerfaß über Legitimationsprobleme und warum Transparenz keine Lösung ist.

Interview: Vanessa Steinmetz

Wer? Wie? Was? ARD, ZDF und Deutschlandradio versuchen unter dem Slogan "Einfach. Für alle." seit Wochen, den Bürgern den neuen "Rundfunkbeitrag" zu erklären. Statt der Gebühreneinzugszentrale, kurz GEZ, treibt seit Beginn des Jahres ein Beitragsservice der Sender 17,98 Euro pro Haushalt ein - laut eines neuen Gutachtens könnte das allerdings verfassungswidrig sein. Dessen ungeachtet läuft die Marketingmaschine auf der Internetseite oder im Programm der Öffentlich-Rechtlichen seit Wochen auf Hochtouren. Trotzdem will die Debatte über die Zwangsabgabe nicht verstummen. Das wäre auch mit der intelligentesten Kampagne nicht zu erreichen, sagt Medien- und Kommunikationswissenschaftler Ansgar Zerfaß. Der 47-Jährige beobachtet als Professor an der Universität Leipzig die Kommunikation von verschiedenen Organisationen - und kann der Beitrags-Kampagne durchaus einiges abgewinnen.

Süddeutsche.de: Die GEZ hatte ein eher negatives Image - bei der Abkürzung denken viele an Menschen, die unangekündigt an der Haustüre klingeln und die man nicht hereinlassen will. Jetzt sprechen sich unter anderem Maybrit Illner und Günther Jauch in einem Spot für den "Rundfunkbeitrag" aus - wird dieser so die GEZ-Assoziationen abschütteln können?

Ansgar Zerfaß: Das Thema GEZ ist bei vielen Menschen schon seit Kindesalter in den Köpfen. Bevor da jetzt jemand "Rundfunkbeitrag" sagt, wird es noch ein bis zwei Jahre dauern. Ich glaube aber, dass in diesem Fall der Markenwechsel das kleinere Problem darstellt. Das eigentliche Thema ist doch, ob ich für ARD und ZDF rund 20 Euro im Monat bezahlen will. Wer das einsammelt, ist letztlich egal.

Würde ein frischeres Image oder eine kreativere Kampagne zu mehr Akzeptanz führen?

ARD oder ZDF werden nicht lustiger oder kreativer, weil man so eine Kampagne darüber stülpt. Das wäre ein Fehler. Man muss ja etwas machen, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt repräsentiert. Dass eine Kampagne, die im Prinzip alle Menschen ansprechen muss, eher nüchtern bleibt, ist verständlich. Das Thema Rundfunkgebühren kann man schlecht emotional aufladen.

Also alles richtig gemacht?

Man kann sich immer darüber streiten, ob zum Beispiel die einzelnen Botschafter die richtigen sind. Aber die Gesamtkampagne ist solide gemacht. Wenn man die Ausgangslage betrachtet - das Thema ist ja eher dröge - ist der gewählte Weg schon ganz gut. Es ist etwas Eigenständiges entstanden, das sich auch über einen längeren Zeitraum halten kann. Allein Farbe und Schrift haben schon einen eigenen Charakter. Das ist nicht super-kreativ, aber mehr, als ich erwartet hätte.

Kann eine PR-Kampagne das überhaupt leisten, eine Zwangsabgabe sympathisch zu machen?

Man kann noch so lange und intensiv informieren: Wer den Rundfunkbeitrag nicht bezahlen will und die Legitimität des öffentlichen-rechtlchen Systems anzweifelt, wird weiter dagegen protestieren. Die Kernfragen bleiben bestehen: Wie viel öffentlich bezahlten Rundfunk brauchen wir? Wie wird mit den Beiträgen gewirtschaftet? Was wären die Alternativen? Diese Aspekte kann keine noch so intelligenten Kampagne lösen. Die entscheidende Frage ist letztlich, ob die richtige Zielgruppe angesprochen wird.

"Vieles andere sind Scheingefechte"

Was wäre denn die Zielgruppe, die überzeugt werden müsste?

Menschen, die großen medialen oder politischen Einfluss haben. Politiker, Journalisten und Unternehmer. Ob diese mit einem TV-Spot erreicht werden, ist eher unwahrscheinlich. Da muss etwas anderes passieren, beispielsweise durch Pressearbeit, Interviews in Fachzeitschriften oder gezielte Anzeigen.

Multiplikatoren also. Und was die anderen denken, ist egal?

Machen wir uns keine Illusionen: Öffentliche Kampagnen und die häufig hinter den Kulissen geführte Kommunikation mit den eigentlichen Entscheidern sind zwei Dinge. Die Musik spielt in diesem Fall beim Gesetzgeber, der bestimmen kann, wie Gebühren festgelegt und verwendet werden. Da ist der eigentliche Hebel. Vieles andere sind Scheingefechte.

Wie sich der öffentliche Rundfunk finanziert

Warum wird dann überhaupt so eine groß angelegte Kampagne gefahren?

Weil sie erklären, informieren soll. Das steht im Vordergrund und ist auch unstrittig: Wenn ich Prozesse umstelle, muss ich das gut kommunizieren. Man denkt aber häufig, wenn alle verstanden haben, was sich ändert, dann wird das auch akzeptiert. Jahrelange Erfahrungen in anderen Branchen und bei anderen Themen zeigen aber, dass das nicht so ist.

Liegt das Legitimations-Problem nicht auch bei den Sendern selbst? Wenn diese klarer kommunizieren würden, wohin der Rundfunkbeitrag geht, würde das zu einer höheren Akzeptanz für die Haushaltsabgabe führen.

Die Annahme: "Wenn ich euch alles offenlege, wenn ihr alles wissen würdet, dann würdet ihr uns auch vertrauen", ist empirisch falsch. Das funktioniert nur mit rational argumentierenden Menschen. Viele entscheiden aber auf der Grundlage von Sympathie und Emotionen, nicht aufgrund besserer Argumente. Und Interessenkonflikte kann man nicht weg diskutieren. Deshalb führt auch vollständige Transparenz in vielen Fällen nicht zum Ziel. Große Teile der Bevölkerung erreicht man beim Thema Rundfunkgebühren durchaus mit oberflächlichen Botschaften und Zuspitzungen. Das ist leider die Realität.

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