Kämpferin für die Pressefreiheit in der Ukraine:Von der Aushilfe zum Printstar

Die Regierung Janukowitsch preist die Pressefreiheit in der in der Ukraine, doch tatsächlich werden Journalisten bei ihrer Arbeit massiv behindert. Gäbe es in dem Land keine Redakteure wie Katja Gortschinskaja, sähe es mit objektiver Berichterstattung noch schlechter aus: Das geplante Verleumdungsgesetz stoppte sie mit ihren Mitstreitern.

Cathrin Kahlweit

Auf den ersten Blick hat sie was von Cate Blanchett. Groß, blonde, nackenlange Haare, klare Gesichtszüge, hohe Wangenknochen - und dieses Unbedingte im Blick. Katja Gortschinskaja ist aber kein Filmstar, sie ist eher ein Printstar bei der Kyiv Post, einer unabhängigen ukrainischen Tageszeitung, die auf Englisch erscheint.

Derzeit verbringe sie mehr Zeit mit Demonstrieren als mit Recherchieren, sagt sie und wirkt etwas besorgt, aber immerhin: Es hat etwas gebracht. Das Gesetz, mit dem Verleumdung unter Strafe gestellt werden sollte und das vom ukrainischen Parlament kürzlich in erster Lesung angenommen worden war, ist gekippt worden. Weil Frauen wie Katja Gortschinskaja dagegen angeschrieben und vor dem Parlament protestiert haben, auch wenn der permanente Protest gegen die Einschränkung der Medienfreiheit ihr Leben nicht leichter macht. Und sicherer auch nicht.

Eine Zeit lang hat Gortschinskaja die Nase voll gehabt vom Journalismus und gründete ein Catering-Unternehmen. Dann fragte ihr Ex-Chef, ob sie nicht mal aushelfen könne, sie kehrte zurück - und blieb.

Seither schreibt sie in ihrem geschliffenen Englisch ("ich habe nicht im Ausland studiert, das britische Englisch ist mir irgendwie passiert") messerscharfe Leitartikel, in denen Worte wie "stalinistisch" und "skandalös" vorkommen, wenn es um die Medienpolitik der Regierung Janukowitsch geht.

Unterstützung bekommt sie von Kollegen wie Mustafa Najem, der für die Konkurrenz arbeitet. Der gebürtige Afghane kam als kleines Kind mit seinen Eltern nach Kiew. Heute ist der Journalist, der für die Ukrainskaja Prawda schreibt, in der ukrainischen Medienlandschaft ein politisches Schwergewicht. Man kennt ihn aus dem Fernsehen, er wird auf der Straße angesprochen, er ist ein Held - zumindest für all jene, die sich noch begeistern können dafür, dass ukrainische Journalisten sich gegen den Mainstream stellen.

Aus dem Ja wurde plötzlich ein Nein

Und zum Beispiel das Verleumdungsgesetz, das auch und gerade auf Journalisten und ihre investigativen Recherchen zielte, solange bekämpften, bis der Autor des Gesetzes das Machwerk zurückzog und das Parlament seine Abstimmung - unter Druck des Westens, der Öffentlichkeit, der Leitartikel von Gortschinskaja und Najem und ihrer Kollegen - in sein Gegenteil verkehrte, aus dem Ja plötzlich ein Nein machte. Die Pressefreiheit aber ist weiter in Gefahr.

Preisgekrönt und entlassen

In der Ukraine sind an diesem Sonntag Parlamentswahlen - und zumindest soviel ist wahr: Es gibt keine offene Zensur, wer kritische Zeitungsberichte über die Regierung und ihre Machenschaften lesen will, wird sie auch finden. Und es gibt auch ein, zwei Fernsehsender, die sich skeptisch über die Regierungspolitik äußern.

Es gibt Talkshows, in denen Oppositionspolitiker zu Wort kommen, es gibt das Internet. Aber: Laut einer Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung über "das Ende des Medienpluralismus in der Ukraine" sind mit einer Ausnahme alle großen Sender in der Hand von "ukrainischen Machtgrößen oder ukrainischen Oligarchen". Der einzige wirklich kritische Sender, TVi, hat ein Drittel seiner Zuschauer verloren, weil er von mehreren Kabelbetreibern aus dem Netz genommen wurde - offenbar auf Betreiben des Nationalen Fernseh- und Rundfunkrates.

Vor mehr als einem Jahr hatte TVi seine landesweiten Lizenzen abgeben müssen. Gegen den Chef von TVi, Mykola Knijaschitskij, hatte man im Sommer die Finanzpolizei losgeschickt; man konnte ihm nichts nachweisen, aber Knijaschitskij betont, dass viele Fälle wie seiner, in denen Kritiker mundtot gemacht werden sollen, mit Ermittlungen im privaten Umfeld begonnen hätten.

Gegen die Macher der kritischen Webseite LB.ua wurden Ermittlungen wegen Missachtung der Privatsphäre aufgenommen; die Seite hatte Recherchen über einen Parlamentarier der Partei der Regionen angestellt. Die Ermittlungen wurden eingestellt, die Regierung bestritt, dass es sich um eine politische Aktion gehandelt habe. Die Journalisten von LB.ua sahen - und sehen - das anders.

Katja Gortschinskaja und Mustafa Najem zählen an den Fingern ab, wie viele ihrer Kollegen zuletzt entlassen wurden, eins, zwei, drei, viele, "das waren teilweise preisgekrönte Kollegen", sagt Gortschinskaja, "Leute, mit denen sich ein Sender oder ein Blatt schmücken würde. Sie waren zu kritisch."

Plakat entrissen

Sie selbst hatte auf dem 64. Weltzeitungskongress, der in diesem September in Kiew stattfand, mal wieder demonstriert, mit Najem und Dutzenden Kollegen. Während vorn auf dem Podium Präsident Janukowitsch die Pressefreiheit pries, hielten hinten im Saal ukrainische Journalisten Plakate hoch: "8 von 9 Fernsehsendern werden von der Regierung kontrolliert", stand darauf oder "Seit Jahresbeginn wurden 40 Journalisten zusammengeschlagen" und "Die Telefone von Journalisten werden abgehört". Gortschinskaja hielt auch ein Poster hoch, dann wurde sie abgedrängt, das Plakat ihr entrissen.

Mustafa Najem ist bis heute sauer: "Da waren Dutzende Kameras und Wachen, aber komischerweise hat niemand was gesehen." Die Redakteurin zuckt ratlos mit den Schultern. "Jemanden anzeigen?", fragt sie, "ich bitte Sie, neun von zehn Angriffen auf Journalisten werden von den Behörden nicht verfolgt. Die Leute gewöhnen sich daran, dass Angriffe auf kritische Köpfe keine Konsequenzen haben. Früher galt als Unrecht, was heute der Normalzustand ist."

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