Justizposse:Und weiter geht die wilde Hatz

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Im Rabauken-Jäger-Streit zwischen "Nordkurier" und Generalstaatsanwaltschaft legen die Strafverfolger nach: Die Revisionserwiderung bestätigt die Befürchtung, dass hier eine Banalität mit heiligem Ernst verfolgt wird.

Von Thomas Hahn

Zu den bekanntesten Wildtieren Mecklenburg-Vorpommerns dürfte mittlerweile jenes tote Reh gehören, dass der Jagdpächter Manfred T. aus Ueckermünde vor zwei Jahren an die Anhängerkupplung seines Autos band und einige hundert Meter über die Fahrbahn schleifte. Der Vorgang ist zum Ausgangspunkt wütender Debatten über Fragen der Pressefreiheit geworden. Die Berichterstattung über die Abschleppaktion beschäftigt Gerichte, Anwälte, Medienbeobachter. Und die jüngste Rechtsprechung der Rostocker Generalstaatsanwaltschaft dazu wirkt auf Journalisten nicht sehr beruhigend.

Generalstaatsanwalt verfolgt die Banalität mit heiligem Ernst

Was bisher geschah: Im Juni 2014 machte ein Bild auf Facebook den Nordkurier aus Neubrandenburg auf den auffälligen Kadavertransport des Jagdpächters T. aufmerksam. Die Zeitung recherchierte und berichtete. Unter anderem verfasste der Redakteur Thomas Krause einen Artikel über die Reaktionen auf das Bild vom toten Reh an T.s Anhängerkupplung. Vergeblich versuchte er dafür, den Jäger selbst zu erreichen. Der Artikel trug den Titel: "Rabauken-Jäger erhitzt die Gemüter." Im Text berichtete Krause, dass T. in sozialen Netzwerken unter anderem als "Drecksjäger" bezeichnet werde.

T. zog vor den Presserat und verklagte Krause vom Nordkurier. Im Mai 2015 verurteilte das Amtsgericht Pasewalk den Journalisten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 1000 Euro. Im Februar 2016 bestätigte das Landgericht in Neubrandenburg das Urteil. Mancher stellt sich die bange Frage: Riskieren kritische Journalisten künftig strafrechtliche Verurteilungen, wenn sie im Rahmen der Pressefreiheit etwas frecher berichten? Jetzt bestätigt die Revisionserwiderung der Rostocker Generalstaatsanwaltschaft diese Bedenken.

Zweimal war das Strafverfahren schon eingestellt, aber die Generalstaatsanwaltschaft gab dem dringenden Wunsch des Jägers statt, die Sache vor Gericht zu bringen. Und aus der 16-seitigen Revisionserwiderung kann man nun lesen, dass die Rostocker Generalstaatsanwaltschaft den Fall mit heiligem Ernst verfolgt. Es geht ihr offensichtlich um die Verhältnismäßigkeit kritischer Berichterstattung. Denn einerseits erklärt sie: "Eine derart belanglose Begebenheit wirft keine die Allgemeinheit wesentlich berührende Fragen auf." Andererseits nimmt sie die Bezeichnung "Rabauken-Jäger" so wichtig, dass sie daraus eine Beleidigung ableitet, durch die dem Jäger T. "seine persönliche Integrität und soziale Achtung abgesprochen" werde.

Ein Hauch von Willkür weht einen da an. Denn natürlich muss eine Redaktion selbst entscheiden, welche Themen sie wichtig nimmt. Die wütenden Reaktionen auf den Reh-Transport gab es ja nun mal. Und wenn eine Redaktion ein Thema wichtig nimmt, muss sie sich auch nicht davon aufhalten lassen, dass die kritisierte Person für eine Stellungnahme nicht erreichbar ist; erst später erklärte der Jäger, er habe das Reh über einer kurze Strecke geschleift, um es an einer unfallsicheren Stelle fachmännisch zu entsorgen.

Laut Revisionserwiderung hätte sich Krause außerdem ausdrücklich von dem Begriff "Drecksjäger" distanzieren müssen, was aber auch nicht gut nachvollziehbar ist. Schon durch den Umstand, dass Krause als Autor einen anderen Kritiker zitiert, ist klar gekennzeichnet, dass nicht er selbst die Beschimpfung ausspricht. Es wirkt, als wolle die Rostocker Generalstaatsanwaltschaft ihre eigenen Vorstellungen von Journalismus durchsetzen - auch wenn die Generalstaatsanwaltschaft betont, dass nicht die Berichterstattung an sich, sondern nur "die Verwendung ehrverletzender Bezeichnungen ohne rechtfertigenden Anlass" zur Verurteilung des Redakteurs Krause geführt habe.

Von Instanz zu Instanz wird das Wort größer, um das es geht

Der Presserat hat eine Missbilligung ausgesprochen gegen die Nordkurier-Berichterstattung. Vor allem weil der Jäger zu leicht identifizierbar war. Und bedient nicht das Wort "Rabauken-Jäger" das Klischee vom Schlagwort-Journalismus? Irgendwie scheinen alle Betroffenen zu übertreiben. Der Berichterstatter, der Kläger, der Generalstaatsanwalt. Und ob der Kläger T. wirklich glücklich wird? Das Wort "Rabauken-Jäger" wächst von Instanz zu Instanz, und Thomas Krause hat vor, sein Recht auf freie Berichterstattung notfalls auch vorm Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einzuklagen.

© SZ vom 25.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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