Compliance-Vorwürfe bei "Bild":"Ungestörte Aufklärung"

Bild: Chefredakteur Julian Reichelt im Newsroom der Zeitung

Julian Reichelt im Newsroom der Bild-Zeitung in Berlin.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt wird nach Compliance-Vorwürfen freigestellt - und will gegen den "Spiegel" klagen.

Von Laura Hertreiter

Der Bild-Chefredakteur Julian Reichelt ist vorübergehend von seinen Aufgaben freigestellt worden. Wie der Axel-Springer-Konzern am Samstagabend mitteilte, habe er den Vorstand selbst darum gebeten, "um eine ungestörte Aufklärung sicherzustellen und die Arbeit der Redaktion nicht weiter zu belasten".

Das Berliner Medienunternehmen, zu dem auch die Welt gehört, ermittelt wegen möglicher Compliance-Verstöße gegen Julian Reichelt. Mehrere Frauen werfen Reichelt Fehlverhalten vor, es geht um Machtmissbrauch, das Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen und Mobbing. "Wenn aus Gerüchten über andere Personen konkrete Hinweise von Betroffenen selbst werden, beginnt das Unternehmen - wie im aktuellen Fall - sofort mit der Aufklärungsarbeit", teilte Springer am Samstag mit. Für diese Aufklärungsarbeit hatte das Medienhaus vor Wochen die Kanzlei Freshfields beauftragt. Solange die Untersuchung läuft, will Springer keine weiteren Angaben machen.

Bisher liegen zwar keine Beweise gegen ihn vor, dennoch sorgte der Fall Julian Reichelt bereits für wilde Schlagzeilen. "Vögeln, fördern, feuern" lautete die Überschrift eines Spiegel-Artikels vom Freitag, mit dem ein namentlich nicht genanntes Mitglied der Bild-Redaktion zitiert wird. Bereits in den Tagen zuvor hatten sich die Andeutungen überschlagen.

Am 5. März deutete Jan Böhmermann, TV-Satiriker mit millionenstarker Gefolgschaft im Netz, in seiner ZDF-Sendung ein "umfangreiches Compliance-Verfahren" gegen Julian Reichelt an. Der taz-Kolumnist Friedrich Küppersbusch verbreitete Sticheleien auf Youtube, ein Berliner Newsletter erdichtete ein anonymisiertes Dramolett, das sämtliche Gerüchte fiktionalisiert, die derzeit über Julian Reichelt in der Branche kursieren. Auf das Geraune folgte wenig später ein erster Bericht des Spiegel über die internen Ermittlungen bei Springer. Auch darin äußerte sich niemand namentlich oder konkret.

Aus Verlagskreisen hieß es am Sonntag, dass bislang keine strafrechtlich relevanten Anschuldigungen vorgebracht worden seien. Julian Reichelt selbst schrieb im Redaktionschat, der der SZ vorliegt: "Die Vorwürfe sind falsch." Er werde sich "gegen die wehren, die mich vernichten wollen". Konkret will er wohl gegen die Berichterstattung des Spiegel rechtlich vorgehen, er wirft den Reportern vor, ihm nicht die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben zu haben.

Der Spiegel teilte am Sonntag auf Anfrage mit, man habe Julian Reichelt im Zuge der Recherche "persönlich zu kontaktieren versucht" und die Pressestelle des Axel Springer Verlags seit Ende Februar mehrfach mit den später beschriebenen Anschuldigungen konfrontiert.

Bis die Vorwürfe gegen den Chefredakteur geklärt sind, übernimmt Alexandra Würzbach die Führung der Bild. Sie ist Chefredakteurin von Bild am Sonntag und Mitglied der Chefredaktion der Bild-Gruppe.

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