Journalistenpreis:Wer wir sind

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In Berlin wurde der Deutsche Reporterpreis verliehen. Die Auszeichnung, die vor sieben Jahren als Alternative zum hanseatischen steifen Henri-Nannen-Preis initiiert wurde, hat sich dadurch etabliert, dass sie den Wandel des Berufsbildes ernst nimmt.

Von Silke Burmester

Der Henri-Nannen-Preis, die alte, glanzvolle Diva der journalistischen Anerkennungskultur, soll nach einjähriger Auszeit im Frühjahr die Schönheitsklinik verlassen, um . . . ja, was eigentlich? Zeitgemäßer zu sein? Oder nur kostengünstiger?

Am Montag wurde in Berlin der Reporter-Preis verliehen, ein Preis, der vor sieben Jahren als Alternative zum hanseatisch steifen Nannen-Kult initiiert wurde und der sich zu einer Auszeichnung entwickelt hat, die der moderne Medienschaffende gern bekommen würde. Nicht nur, weil der Nannen-Glanz zunehmend aufgespachtelt werden muss, sondern auch, weil die Initiatoren um den Spiegel-Reporter Cordt Schnibben Journalismus immer offener und breiter betrachtet haben.

Da sich das Berufsbild mittlerweile schneller verändert, als Reporter grau werden, wurde auch der seiner Trotzphase entwachsene Reporter-Preis Neuerungen unterzogen. So haben nicht nur Crowdfunding-Projekte und Grafiken die Chance auf Würdigung, auch wurden die Kategorien Wissenschaftsreportage, Datenjournalismus und Investigation eingeführt. Für die Vorstellung der Kategorien dienten Filmsequenzen aus James Bond. Und Jörg Thadeusz, der - wie Schnibben sagte - "gerührt besser ist als geschüttelt", führte gewohnt plauderig durch den Abend.

In elf Gattungen wurde mit einem goldenen Bleistift belohnt, was "ausgezeichneter Journalismus" sein soll, wie Schnibben die Preisdefinition versteht. So wurde Bastian Berbner für sein Interview mit zwei Al-Qaida-Geiseln gewürdigt, dessen aus der Not geborene Montagetechnik neue Wege aufzeigt, und Nik Afanasjew für seine im Tagesspiegel erschienene Lokalreportage "Die Kids aus unserem Hinterhof", für die er drei Nachbarjungen mit Migrationshintergrund über fünf Jahre beobachtete. Auch Emilia Smechowski griff für ihren Essay "Ich bin wer, den Du nicht siehst" das Thema Identität auf, indem sie für die taz ihre polnische Abstammung betrachtete. Auch Jana Simons als "Beste Reportage" ausgezeichnete Arbeit "Der Junge, der in den Krieg ging" aus dem Zeit Magazin über einen deutschen IS-Rückkehrer beleuchtet die Frage nach Ankommen und Ausbruch. Der Preis in der neuen Disziplin "Datenjournalismus" ging an das Team der Berliner Morgenpost, die anhand der Buslinie M29 die sozialen Unterschiede Berlins darlegt.

Wer nicht gewonnen habe, solle nicht aufgeben, sagte Cordt Schnibben in seiner Eröffnungsrede. Man solle es einfach beim Nannen-Preis noch mal versuchen. Einsendeschluss: 6. Januar.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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