Journalist Sonne zur ZDF-Affäre der CSU:"Ich dachte, dass diese Zeiten hinter uns liegen"

Der Anruf des CSU-Sprechers in der ZDF-Redaktion ist kein Einzelfall - immer wieder versuchen Politiker, auf die Arbeit von Journalisten Einfluss zu nehmen. Das hat auch der ehemalige ARD-Korrespondent Werner Sonne erlebt. Ein Gespräch über verärgerte Politiker und Journalisten mit Rückgrat.

Vanessa Steinmetz

Werner Sonne

"Da ist verlangt worden, den Reporter Sonne vom Sender zu nehmen": Vor allem im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung zur CDU-Spendenaffäre ist Ex-ARD-Korrespondent Werner Sonne selbst indirekt unter Druck geraten.

(Foto: Martin Athenstädt)

Werner Sonne, ehemaliger Berlin-Korrespondent des ARD-"Morgenmagazins", begann seine Karriere als Volontär beim Kölner Stadt-Anzeiger, dann wechselte er zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dort stieg Sonne zum Sonderkorrespondenten der ARD auf und leitete die Studios in Warschau und Washington, bis er ab 2004 wieder in Berlin arbeitete. Dass Politiker heute noch versuchen, auf Journalisten Einfluss zu nehmen - wie in der CSU-Affäre um Hans Michael Strepp - ist für ihn nicht neu.

Süddeutsche.de: Waren Sie überrascht, als Sie von dem Anruf von CSU-Sprecher Hans Michael Strepp beim ZDF gehört haben?

Werner Sonne: Ja, das war ein Anschlag auf die Pressefreiheit, und das ist nicht hinnehmbar. Der Rücktritt von Hans Michael Strepp ist der angemessene Schritt. Im Kern ist ein solcher Versuch der Einflussnahme nichts Neues, aber ich hatte gehofft, dass auch diese Leute lernfähig sind.

"Diese Leute"?

Damit meine ich Leute in der Politik im Allgemeinen und in den Parteien im Besonderen. Die glauben, sie könnten und dürften ungestraft Einfluss nehmen. Ich dachte, dass diese Zeiten hinter uns liegen.

Worauf spielen Sie an?

Ich spreche von den siebziger und achtziger Jahren. Vor allem in Bayern hatten die CSU und der Bayerische Rundfunk ein recht enges Verhältnis zueinander. Damals waren solche Anrufe recht üblich. Ich glaube aber, dass das nach der Strauß-Ära dramatisch abgenommen hat. Der BR macht heute einen guten, unabhängigen Job.

Haben Sie auch schon erlebt, dass Politiker Ihre Berichte beeinflussen wollten?

Direkt habe ich das nicht erlebt, nur Reaktionen, nachdem die Beiträge schon gesendet waren. Einmal ging es um eine Satiresendung im Programm des ARD-"Morgenmagazins". Es war aber eher geschmäcklerische Kritik, nicht inhaltliche. Nach einem anderen Beitrag, einem Kommentar zur CDU-Spendenaffäre, hat sich der heutige Finanzminister Wolfgang Schäuble jahrelang geweigert, mir Interviews zu geben. In den achtziger Jahren hat der damalige NRW-Ministerpräsident Johannes Rau, später Bundespräsident, eine Kampagne gegen mich losgetreten, nachdem ich ebenfalls einen kritischen Kommentar im WDR-Fernsehen gemacht hatte.

Hat auch jemand versucht, im Vorhinein Einfluss auf Ihre Arbeit zu nehmen?

Von meinem früheren Intendanten Fritz Pleitgen weiß ich, dass bei ihm immer wieder der Versuch unternommen worden ist, Druck in meine Richtung zu machen. Da ist verlangt worden, den Reporter Sonne vom Sender zu nehmen. Das hat er mir aber erst nach seinem Ausscheiden aus dem Amt erzählt. Er hat diesen Druck nie an mich weitergegeben. Das rechne ich ihm auf der einen Seite hoch an, auf der anderen Seite ist das natürlich eine Selbstverständlichkeit.

Wenn der Druck der Politiker gar nicht ankommt - warum versuchen sie es dann immer wieder?

Was Politiker dazu bewegt, ihre Kettenhunde loszulassen, weiß ich nicht. Das müssen Sie sie fragen.

Sind die Verantwortlichen vom ZDF mit dem Strepp-Anruf richtig umgegangen?

Das ZDF hat genau das Richtige gemacht, nämlich sich nicht beeinflussen zu lassen. In solchen Situationen muss man Rückgrat zeigen, da muss man seine Unabhängigkeit betonen. Der Zuschauer muss sich darauf verlassen können, dass die Journalisten unabhängig bleiben.

Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonders anfällig für Beeinflussungsversuche?

Manche Politiker haben vielleicht die irrige Vorstellung, beim öffentlich-rechtlichen System, bei dem Politiker mit in den Aufsichtsgremien sitzen, kann man das machen. Aber sie beschränken sich keinesfalls darauf. Denken wir an den Fall Wulff: Da hat es auf höchster Ebene den Versuch gegeben, beim Chef des größten deutschen Verlagshauses Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Der Bundespräsident hatte bei Kai Dieckmann angerufen und versucht, ihn unter Druck zu setzen.

Warum kommt es überhaupt immer wieder zu solchen Zwischenfällen?

Zu unserem Beruf gehören immer Nähe und gleichzeitig Distanz. Einerseits brauchen Journalisten die Nähe zur Information, zur Geschichte und damit zur Politik. Auf der anderen Seite dürfen sie sich nicht auf Geklüngel und Kumpanei einlassen. Das ist ein Spagat, den müssen Journalisten erkennen und aushalten. Es ist aber auch nicht so, dass man jeden Tag Anrufe bekommt mit irgendwelchen Drohungen.

Wie hätten Sie auf den Anruf vom Hans Michael Strepp reagiert?

Ich hoffe, dass ich gesagt hätte: "Wissen Sie, ich denke nicht daran, mich diesem Druck zu beugen."

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