Journalismus mit Drohnen:Luftnummern

Drohne Octocopter

Eine Drohne, hier ein "Octocopter", beim Testflug. Mit einer Kamera ist sie auch für Journalisten nützlich.

(Foto: AFP/Julian Stratenschulte)

Drohnen mit Kameras eröffnen Reportern ganz neue Möglichkeiten - für riskante Recherchen, aber auch für Angriffe auf die Privatsphäre. In den USA ist der Journalismus mit Flugobjekt jetzt ein Unterrichtsfach.

Von Kathrin Werner

Fergus Pitt muss in einer Turnhalle lehren. Sein Unterricht ist immer ein bisschen geheim, immer an der Grenze der Legalität. Unter freiem Himmel wäre er verboten. In der Sporthalle der New Yorker Columbia University lassen seine Schüler Amerikas umstrittenste Flugobjekte in die Luft: Drohnen. Pitts Schüler sind Journalisten verschiedener Medien, zuletzt vom Verlag Gannett, der USA Today herausgibt. Pitt gibt mit verschränkten Armen Anweisungen, die Schüler steuern die Drohnen per iPad. Die unterarmgroßen Maschinchen haben vier Propeller und eine Kamera montiert. Sie fliegen Loopings, manchmal stürzt eins ab. Es sieht aus wie großer Spaß für Modellflug-Fans.

Aber es ist viel mehr. Pitt ist der Leiter der Drohnenforschung am Tow Center for Digital Journalism an der angesehenen Columbia University, er beschäftigt sich mit Recht und Ethik beim Einsatz von Drohnen durch Reporter - und hin und wieder, versteckt in der Turnhalle, bringt er Journalisten bei, wie man die unbemannten Flugobjekte steuert. "Die Möglichkeiten, die Drohnen Reportern und Medienhäusern bieten, sind riesig", sagt Pitt, "die Hindernisse sind es leider auch." Zuerst zu den Möglichkeiten: "Mehr und mehr gute Medienhäuser bilden ihre Reporter für die Nutzung von Drohnen aus, es ist ein Trend", sagt Pitt.

In den vergangenen Monaten sind Drohnen, ausgerüstet mit Kameras, des Öfteren im Journalismus zum Einsatz gekommen. In Thailand etwa filmte die Bangkok Post die jüngsten Demonstrationen - von oben und aus sicherer Entfernung gesteuert. Die besten Bilder von den Zerstörungen des Taifuns auf den Philippinen lieferten ebenfalls Drohnen. Der CNN-Reporter Karl Penhaul und der britische Fotograf Lewis Whyld schossen so ihre Bilder - mit ferngesteuerten Fliegern konnten sie näher ran, als es von Helikoptern oder Flugzeugen aus möglich gewesen wäre.

Umweltaktivismus per Drohne

Auch Hobby-Drohnenpiloten und mehrere Umwelt- und Sozialaktivisten haben schon Kameras per Drohne losgeschickt - die Bilder wurden später von Fernsehsendern und Zeitungen verwendet. In Dallas in Texas hat eine Drohne Bilder von einem Strom frischen Schweinebluts aufgenommen, der aus einem Schlachthaus in einen Fluss floss. Die Behörden haben den Schlachthof geschlossen. Und die Journalistenschüler an der University of Nebraska haben Drohnen genutzt, um 2012 die Dürre in ihrem Staat zu dokumentieren.

Folgenlos geblieben ist das nicht: Die amerikanische Flugbehörde FAA hat angeordnet, die Flüge sofort einzustellen. An der Uni Nebraska gibt es ähnlich wie an Columbia eine Forschungsstelle für Drohnen ("Drone Journalism Lab"), die wie Pitt nicht frei und offen unterrichten und forschen darf. "Es könnte alles so viel einfacher sein, aber wir stecken fest", sagt Pitt.

Demokratisierung des Journalismus

Möglich gemacht hat den Drohnenjournalismus der technische Fortschritt. Kleine ferngesteuerte Flieger gibt es inzwischen für weniger als 100 Dollar in jedem Elektro-Fachgeschäft. Hängt man eine Digitalkamera daran, kann das Filmequipment weniger als 200 Dollar kosten. So ist es nicht so schlimm, wenn die immer noch nicht perfekt steuerbaren Drohnen einmal abstürzen. Größere Risiken kann man mit ihnen allemal eingehen. Die Drohnen schaffen es in Gegenden, in die sich Reporter nicht wagen. Und sie können näher heran als die schwergängigeren Helikopter.

"Drohnen bedeuten eine Demokratisierung des Journalismus", sagt Pitt. "Auch für freiberufliche Reporter wird es möglich, investigativ zu arbeiten." Außerdem lohnt sich das Videomaterial für Medienhäuser, denn Anzeigen in Videobeiträgen bringen mehr ein als in der Zeitung oder auf der Website. Die Technik entwickele sich rasant, Pitt erwartet, dass Journalisten auch andere Sensoren wie Geigerzähler oder CO₂-Messgeräte bald per Drohne in Gefahrengebiete schicken oder so auch Bodenproben nehmen.

Probleme wie Chancen

Allerdings gibt es ebenso große Probleme wie Chancen. Viele Menschen haben Angst vor Drohnen-Angriffen. Ginge es nach Forschern wie Pitt, würde man einen neuen Namen für die kleinen Flugroboter finden, der nicht an die Kampfgeräte der Armee erinnert, die ferngesteuert töten. Auch für die Privatsphäre bringen Drohnen Herausforderungen. Während Prominente sich bislang vor Fotografen durch hohe Hecken und Sicherheitsleute schützen, könnten Drohnen einfach über sie hinwegfliegen - und etwa vor dem Schlafzimmerfenster von Prinz William und Kate warten, bis sich drinnen etwas tut.

Es sind ganz neue Optionen für Paparazzi. "Es gibt aber bereits eine Menge Gesetze zum Schutz der Privatsphäre, die auch Drohneneinsätze umfassen", sagt Pitt. Hinzu kämen Verhaltensregeln, die sich die Medienbranche selbst auferlegt. "Es wird immer Leute geben, die Gesetze brechen, aber das spricht nicht gegen die Drohnen an sich." Außerhalb der Vereinigten Staaten gibt es weniger Verbote für journalistische Drohnenflüge, vor allem in Krisengebieten. In Deutschland dürfen Privatleute die Flugroboter steuern, allerdings dürfen Letztere nicht zu schwer sein und nicht zu hoch fliegen - die Regeln unterscheiden sich zwischen den Bundesländern. Für kommerzielle Drohnenflüge braucht man eine Genehmigung. In den USA ist es strenger: Jede kommerzielle Anwendung von privaten Drohnen ist verboten.

Hobby-Piloten dürfen also Bilder machen, Journalisten nicht - und Dozenten wie Pitt dürfen nicht ausbilden. "Wir Journalisten wären eigentlich sehr gut geeignet, die zivilen Anwendungsmöglichkeiten von Drohnen zu erweitern", sagt der Wissenschaftler. "In anderen Ländern fliegen private Drohnen weiter herum, dieses Land hält eine überbordende Bürokratie auf." Gerade hat das US-Verkehrsministerium verkündet, den ersten Entwurf des Drohnen-Regelwerks erst im November vorzustellen. "Weiterer Frust", sagt Pitt.

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