Journalismus in Griechenland:An der Rettungsleine der Banken

Journalismus in Griechenland: Überlebenskampf am Kiosk: Griechischen Zeitungen geht es in der Krise schlecht. Manche versuchen, mit unsauberen Methoden zu überleben.

Überlebenskampf am Kiosk: Griechischen Zeitungen geht es in der Krise schlecht. Manche versuchen, mit unsauberen Methoden zu überleben.

(Foto: AFP)

In wenigen Tagen erhalten die griechischen Banken Aufseher, die über die Vergabe umstrittener Kredite an Parteien und hochverschuldete Medienunternehmen wachen sollen. Nun gewähren vier Geldhäuser ausgerechnet dem größten Privatsender des Landes noch schnell einen Kredit.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Zeitungen können glücklich machen. Zumindest in Griechenland. 4,25 Euro hatte ein Grieche am Sonntag an einem Kiosk für eine Ausgabe von Real News bezahlt - und damit einen Barscheck im Wert von 40.000 Euro gewonnen. Zeitungskauf als Lotterie. Viele Medien in Griechenland bewegen sich wie der Staat am finanziellen Abgrund, das Anzeigenaufkommen ist wie die Wirtschaftslage mies, und auch große Medienhäuser sind tief verschuldet.

Die prominentesten unter ihnen sind in Griechenland eng mit Politik und Wirtschaft verwoben. Ihre Besitzer sind als Reeder oder Bauunternehmer reich geworden. Ihr Überlebenskampf treibt seltsame Blüten - nicht nur am Zeitungskiosk.

"Wir müssen jetzt mit einer Lotterie konkurrieren", kommentierte ein Journalist eines Konkurrenzblattes bitter den neuen Scheckbuch-Journalismus von Real News. Das Blatt ist Teil der Medienaktivitäten von Andreas Kouris. Der 42-Jährige ist erst vor wenigen Tagen zu einer Strafe von vier Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden, wegen unbezahlter Sozialabgaben in Höhe von 9,7 Millionen Euro für Mitarbeiter seines TV-Senders Alter. Der hat wegen Finanzproblemen sein Programm im Dezember 2011 eingestellt. Finanzminister Giannis Stournaras möchte das Gesetz ändern, damit es bei Sozialabgabenbetrug künftig nicht mehr automatisch Bewährung gibt.

Zwei Milliarden Euro Schulden

Die Regierung von Premier Antonis Samaras demonstriert unter dem Druck der internationalen Geldgeber Entschlossenheit. Am Dienstag will Samaras in Berlin bei einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel die Fortschritte aufzählen, die sein Land schon gemacht hat, um aus der Krise zu kommen. So soll in Kürze die angekündigte Steuerreform vom Parlament verabschiedet werden.

Sie wird den Griechen weitere Härten auferlegen. In die Frohbotschaft des Wandels mischen sich aber die weniger guten Nachrichten. Dass sie nun die Medienbranche treffen, ist zu Beginn des sechsten Jahres der Rezession kaum verwunderlich. Nach einer von der Nachrichtenagentur Reuters Ende 2012 veröffentlichten Übersicht sind die 18 wichtigsten Athener Medienunternehmen mit insgesamt zwei Milliarden Euro verschuldet.

Am 16. Januar sollen die griechischen Banken spezielle Aufseher erhalten. Sie sollen auf Wunsch der EU über die Vergabe größerer Kredite wachen, besonders, wenn es um spezielle Kunden geht: Verwandte von Anteilseignern, die griechischen Parteien oder auch die Medien. Bevor die Aufseher kommen, wurde nun noch schnell ein prominenter Medienkonzern mit einem Kredit bedacht - von den vier größten Bank des Landes: Mega, der größte private TV-Sender.

Bevor die Aufseher kommen

Die radikale linke Oppositionspartei Syriza, die den Kredit für Mega bekannt machte, stellte gleich noch einen Zusammenhang mit der "Lagarde-Liste" her, jener Aufstellung von mehr als zweitausend Griechen mit Konten bei der Genfer Filiale der HSBC-Bank. Die Datensammlung hatte 2010 die damalige französischen Finanzministerin Christine Lagarde ihrem griechischen Kollegen Giorgos Papakonstantinou übergeben, der nun beschuldigt wird, eigene Verwandte von der Liste entfernt zu haben. Nicht gestrichen wurde der Name Fotios Bobolas, Mitbesitzer des Senders Mega.

Das Unternehmen Teletypos, zu dem Mega gehört, ist an der Athener Börse gelistet. So musste Teletypos am 3. Januar offiziell mitteilen, dass es einen Kredit von fast 100 Millionen Euro in Anspruch genommen habe, zur "Restrukturierung langlaufender Verbindlichkeiten" und allgemeiner unternehmerischer Aktivitäten.

Der gewöhnlich gut unterrichtete Internet-Dienst capital.gr verfügte offensichtlich über Insiderwissen, als er jetzt auflistete, welche griechischen Banken mit welchen Anteilen an der Stützung von Mega beteiligt sind. Auf der Webseite vermerkte ein verärgerter Leser: "Gesunde Unternehmen finden bei unseren Banken geschlossene Türen vor." Die Institute behaupteten schließlich stets, sie hätten kein Geld.

"Griechenland ist keine Kolonie"

In der Zeitung Ta Nea, die zum selben Medienkonglomerat wie Mega gehört, sah sich Miteigentümer Stavros Psycharis am Montag zu einer Stellungnahme veranlasst. Die neue Kreditsumme betrage nur 8,5 Millionen Euro. Der Rest sei Refinanzierung alter Kredite. Zudem habe man Kreditgarantien im Wert von 140 Millionen Euro gegeben.

In To Vima, einer anderen Zeitung aus der Mediengruppe, hatte Psycharis im November 2012 geschrieben: "Griechenland ist keine Kolonie." In dem Artikel des Verlegers auf Seite eins der Zeitung hieß es weiter: "Ich wende mich an diejenigen, die glauben, dass das, was das Dritte Reich nicht geschafft hat, nun von Europas Hausierern erreicht wird." Grund für die beißende Kritik des Mannes: Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die griechischen Banken Kredit-Aufseher erhalten werden, und dass diese ihr Augenmerk besonders auch auf Medienunternehmen legen sollten.

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