Japan: Boom der Nachrichtensendungen:Super-GAU als TV-Highlight

Rekordquoten für Nachrichten: Das Interesse der TV-Zuschauer an Japan ist seit dem Erdbeben am Freitag extrem hoch. Doch die Zuschauer sind wählerisch.

Christina Maria Berr

Selten, dass Ralf Güldner so viel und so oft im Fernsehen sprechen durfte wie in diesen Tagen. Der Präsident des Deutschen Atomforums ist ein gefragter Gesprächspartner für TV-Interviews. Denn viele Befürworter von Atomstrom lassen sich nicht mehr finden.

Tagesschau

Hohes Interesse am ARD-Flaggschiff: Die Tagesschau wird hat derzeit überdurchschnittlich hohe Zuschauerquoten.

Die Fernsehsender berichten schwerpunktmäßig über die Katastrophe in Japan und brauchen Stimmen unterschiedlicher Positionen, auch die Polittalker in den öffentlich-rechtlichen Sendern beschäftigen sich quasi monothematisch mit der Krise in Japan. Und so kommt es, dass Güldner in diversen Sondersendungen und in den ARD-Talkshows - am Dienstag bei Maischberger, am Mittwoch bei Plasberg - seinen Standpunkt vertreten darf. Und das vor großem Publikum.

Selten zuvor hatten Informationssendungen derart gute Quoten. Seit Beginn der Katastrophe stellen vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender permanent ihr Programm um. Auch die Nachrichtenkanäle wie n-tv und N24 bringen Spezialsendungen, sie haben ihre Zuschauerquoten stellenweise verdreifacht. So lag der Tagesmarktanteil von n-tv nach Angaben des Kölner Senders seit Freitag vor einer Woche zwischen 2,4 Prozent und 3,2 Prozent beim Gesamtpublikum - im Jahresdurchschnitt sind es bei dem Nachrichtenkanal 0,9 Prozent. Einer Sprecherin zufolge sind es jetzt bis zu 10.89 Millionen statt normalerweise sechs Millionen Zuschauer pro Tag.

Favoriten des Publikums sind allerdings die Nachrichten- und Sondersendungen bei ARD und ZDF. So finden sich auf den ersten Plätzen der Quotenhits am Mittwoch überdurchschnittlich viele öffentlich-rechtliche Sendungen. Den Brennpunkt zur Primetime um 20.15 Uhr in der ARD verfolgten etwa 7,6 Millionen Zuschauer, das entspricht etwas mehr als einem Fünftel aller TV-Zuschauer. Die Tagesschau eine Viertelstunde vorher hatte 5,7 Millionen Zuschauer. Beim heute-journal um 21.45 Uhr im ZDF waren es 4,5 Millionen, beim ZDF spezial zur Atomkatastrophe um 19.20 Uhr knapp fünf Millionen. Bei RTL sahen um 18.45 Uhr 4,6 Millionen die Nachrichten RTL aktuell.

Noch höher war das Informationsbedürfnis am Wochenende, inzwischen ist es leicht abgeklungen. Das spiegelt sich in den ARD-Talkrunden: Anne Will erzielte überdurchschnittliche 4,34 Millionen Zuschauer (16,4 Prozent Marktanteil, Durchschnitt knapp vier Millionen, 12,8 Prozent Marktanteil). Die Runde bei Beckmann, sonst montags bei knapp über 1,5 Millionen Zuschauern, lag bei knapp zwei Millionen. Die Sendungen von Sandra Maischberger am Dienstag und Frank Plasberg am Mittwoch hatten dagegen Einschaltquoten leicht unter dem Durchschnitt. Das mag auch an der monothematischen Besetzung der Talkshows liegen - vier Debatten zur Krise in Japan könnten selbst interessierten Zuschauern zu viel sein.

Auch die Tagesschau-Quoten sinken. Der ARD zufolge lag jeder Tagesdurchschnitt - hier werden die Ausstrahlungen in der ARD, den dritten Programmen, 3sat und Phoenix mitgerechnet - seit Ausbruch des Tsunamis über dem Jahresdurchschnitt von 9,1 Millionen: am Samstag zwölf Millionen, am Sonntag 13,5 Millionen, am Montag noch knapp elf Millionen, am Dienstag etwas mehr als neun Millionen, am Mittwoch 9,9 Millionen.

Die Berichterstattung aus Japan indes wird immer schwieriger. Viele Journalisten haben die Hauptstadt verlassen und arbeiten nun in Osaka und anderen Städten im Süden des Landes.

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