25 Jahre GZSZ:Der tägliche Blick ins Herz

Produktionsfirma GrundyUFA im Filmpark Babelsberg

"GZSZ" wird 25: Das Außenset der RTL-Fernsehserie im Filmpark Potsdam-Babelsberg

(Foto: dpa)

"Gute Zeiten, schlechte Zeiten", Deutschlands älteste Daily Soap, wird 25. Fast so lang ist Martin Schlemminger dort der Mann für alles. Geschichte eines Serienlebens.

Von Sebastian Fischer

Millionen Menschen haben ihn gesehen und Millionen Menschen haben ihn vergessen. Martin Schlemminger spielte den Getränkelieferanten, den Bootsverleiher, den Bauunternehmer, den Türsteher, den DJ. Er war auch mal der "Autoscooter-Typ", so heißt seine Rolle im Drehbuch für Folge 2626. Er fragte - Regieanweisung: lässig - mit einem Schraubenschlüssel in der Hand: "Wie sieht's aus? Bock auf eine kleine Begrüßungsrunde?" Es war einer seiner größeren Auftritte. Ungewöhnlich viel Text.

Schlemminger, Tolle aus Haargel, rasierte Schläfen, mutiger Backenbart, Spitzname Elvis, sitzt an seinem Schreibtisch im Studio Babelsberg und wiehert ein Lachen, wenn er von seinen Auftritten als Schauspieler erzählt. Einmal, Folge 5450, gab er den Elvis-Imitator. Es wurde jemand mit Tolle gebraucht, der den Kopf schüttelt; jemand, der den Job erledigt. Und so ist das nun mal: Die Vorabendunterhaltung von Millionen Menschen in Deutschland ist sein Job. Nicht mehr, nicht weniger.

Martin "Elvis" Schlemminger, 53, ist der Aufnahmeleiter Außendreh für Gute Zeiten, schlechte Zeiten, die erste, älteste und erfolgreichste Daily Soap in Deutschland, die in dieser Woche 25 Jahre alt wird und wie Schlemminger auch einen Spitznamen hat: GZSZ. Martin "Elvis" Schlemminger ist von allen Soap-Mitarbeitern am längsten dabei, seit 22 Jahren. Es gibt niemanden, der besser vom Leben mit der Serie erzählen kann, die einige Menschen lächerlich finden mögen, aber die für viele andere zu ihrem Leben dazugehört. Wenn der Berliner Schlemminger von GZSZ spricht, sagt er nur: "Jute Zeiten".

Anfang der Neunziger wurde er für seinen Job belächelt. Bald lächelte niemand mehr

Die erste Folge läuft am 11. März 1992 auf RTL, das Vorbild kommt aus Australien wie der Produzent für Ufa, Ed Prylinski, eine Art Pionier der Seifenoper. Wer die Serie noch nie gesehen hat, dem reicht für eine thematische Einordnung der Soundtrack. Von 1992 bis 2014: "Mitten ins Herz". Seit 2014: "Ich seh' in dein Herz". GZSZ, das ist eine Art Pop-Version der ewigen Lindenstraße im Ersten, bunter und jünger und täglich statt einmal in der Woche. Die Mutter Beimer heißt im Privatfernsehen Jo Gerner, hat ein kaltes anstelle eines warmen Herzens und ist ein reicher und ehrgeiziger Rechtsanwalt; gespielt wird er von Wolfgang Bahro, der in der Rolle ein wenig so aussieht wie der Dortmunder Fußballmanager Aki Watzke ohne Gesichtsfalten. Ein Bild von Jo Gerner hängt im ersten Stock gegenüber von Martin Schlemmingers Büro.

1992, die Zuschauer sind noch skeptisch, ob sie den unkonventionell geschauspielerten Herzschmerz wirklich täglich ansehen wollen, die Quoten sind mäßig, arbeitet Schlemminger als Aufnahmeleiter bei Aktenzeichen XY ... ungelöst in München. Er kann das viel schöner berlinern. Er sagt: "Ixypsilon-unjelöst".

Schlemminger lernte im DDR-Fernsehen, machte eine kaufmännische Ausbildung, arbeitete in der Abteilung Fernsehdramatik. 1989 ging er zur Filmhochschule. Seine Kommilitonen sprachen von Selbstverwirklichung und Arthouse-Filmen, er wollte sein Geld verdienen. Wenn man ihn fragt, was für ihn die größte Befriedigung an seinem Job ist, dann antwortet er, dass GZSZ bei den Menschen ankomme. Je höher der Anspruch, desto wunderlicher die Leute, so sieht er das. Er sagt: "Wenn ein Bäcker ein Brot backt, das keiner kauft, dann hätte er es nicht backen brauchen." Wahrscheinlich hat niemand jemals präziser den Erfolg von RTL erklärt.

Schlemminger kann von den ersten Jahren der Serie erzählen, sodass sie wie ein Abenteuer klingen. Er fing 1995 an, weil er zurück nach Berlin wollte, die Münchner waren ihm zu lieb.

Zunächst wurde noch in Tempelhof gedreht, wo die Wände wackelten, wenn die Türen knallten. Szenen mussten schnell fertig sein, nicht schön. Wenn er mal etwas länger nach dem Ort für einen Außendreh suchte, zwei Häuser verglich, sagte Produzent Prylinski: "Ein Haus ist ein Haus."

Ein Aufnahmeleiter einer Daily Soap ist, einfach gesagt, dafür verantwortlich, dass gedreht werden kann. Er organisiert alles, von der Auswahl der Kulisse bis zum Mittagessen und bis zu den Toiletten für die Schauspieler. Wenn etwas kaputt ist, ruft er den Elektriker. Und wenn ein Komparse fehlt, spielt er auch schon mal selbst mit.

Irgendwann lachte niemand mehr

Am Anfang war Schlemminger allein, ohne einen Kollegen am Set. Wahnsinn, sagt er. Inzwischen sind sie zu zweit, Schlemminger ist nur noch für die Außendrehs zuständig und hauptsächlich Location-Scout, das heißt: Er bekommt die Storyline vorgelegt und sucht nach Drehorten. Einen großen Teil seiner Arbeitszeit muss er im Auto verbringen und durch Berlin fahren. Was insofern gerade schwierig ist, als dass ihm die Polizei vor Kurzem seinen abgelaufenen tschechischen Führerschein abgenommen hat. Gerade fährt er mit der Bahn oder sucht bei Google Maps.

Wenn Schlemminger Verträge mit Hotels, Einkaufszentren und Drogeriemärkten abschließt, in denen die Szenen spielen sollen, ist er auch immer eine Art Außenminister der Serie. Anfang der Neunziger, erzählt er, hätten ihn viele noch belächelt, er wurde abgewiesen. Doch GZSZ wurde populärer. Einmal, Ende der Neunziger, sagte ein Drogist ihm für eine Szene nur ab, um sich an seiner Frau zu rächen. Seit die im Fernsehen immer GZSZ schaute, verpasste er die RBB-Abendschau. 1998 hatte Gerhard Schröder, damals SPD-Kanzlerkandidat, einen Gastauftritt bei GZSZ. Irgendwann lachte niemand mehr.

Zwar sind die Quoten in den vergangenen Jahren gesunken, doch 2016 sahen im Durchschnitt noch immer 2,84 Millionen Menschen zu. Anfang April hatte die Serie eine Woche lang einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, das hatte es seit 2013 nicht mehr gegeben. Die Zielgruppe, sagt die Medienwissenschaftlerin Maja Götz, sei mitgewachsen. "GZSZ trifft das emotionale Empfinden, die parasozialen Beziehungen mit den Figuren geben Halt und Struktur im Alltag." Mehr als bei anderen deutschen Serien. "Es sind immer wieder spannende Geschichten", sagt Götz.

Er könnte auch beim "Tatort" arbeiten, das wäre dasselbe. Nur mit mehr Halteverbot

Wenn man Schlemminger nach den Gründen für den Erfolg fragt, dann spricht er vom Konkurrenzdruck. Vor GZSZ lief in Deutschland nur die US-Produktion Reich und Schön. Doch in den Neunzigern entstanden mehr Formate. Jede Menge Leben im ZDF und Geliebte Schwestern auf Sat 1 wurden schnell abgesetzt; Marienhof und Verbotene Liebe im Ersten überlebten bis 2011 und 2015. Unter Uns auf RTL gibt es immer noch. Die ganz große Zeit der Daily Soaps ist vorbei, die Sender setzen auf billigere Reality-Formate oder Quiz-Shows. Doch GZSZ hat durchgehalten, die Produzenten hatten oft das bessere Gefühl für den Massengeschmack und gesellschaftliche Relevanz. Es outeten sich Figuren als homosexuell, es ging um Essstörungen, Alkoholismus. Die Drehs wurden anspruchsvoller, "hochwertiger", sagt Schlemminger. Schauspielerinnen wie Alexandra Neldel wurden durch die Serie bekannt. Das Team zog nach Babelsberg, die Wände wackelten nicht mehr. Und Schlemminger durfte auch mal länger nach dem perfekten Ort suchen.

Auf der GZSZ-Facebook-Seite, die fast 1,6 Millionen Menschen gefällt, werden in diesen Tagen vor der Jubiläumsfolge 6255 die bekanntesten Szenen aus 25 Jahren noch mal gezeigt. "Das Traumpaar Lenny und Carsten" oder "Die große Liebe von Franzi und Paula". Die Kommentare unter den Posts klingen dramatisch. "Diese Geschichte hat mein Leben grundlegend verändert", schreibt eine Frau.

GZSZ hat auch Martin Schlemmingers Leben verändert, aber nicht so. Er ist kein Fan. Er sehe die Serie eigentlich nie, sagt er, dafür kommt er zu spät nach Hause, oft erst nach 19.40 Uhr. Eigentlich könne er auch beim Tatort arbeiten, sagt er, wäre dasselbe. Da müsste er für die Außendrehs nur öfter Halteverbot beantragen.

Doch er kann sich schon vorstellen, den Job bis zur Rente zu machen. Keine Stars, keine cholerischen Regisseure. Bodenständige Arbeit für ganz gewöhnliche Unterhaltung. Martin Schlemminger sagt: "Ich bin da, wo ich hingehöre."

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