Italienisches Fernsehen:Immer sexy, nie eifersüchtig - und die perfekte Hausfrau

Two women on a bench ignore the catcalls of two men driving by

So geht das Klischee: Italiener auf der Jagd nach der idealen Frau.

(Foto: National Geographic/Getty Images)

In einer italienischen TV-Talkrunde werden die Vorzüge osteuropäischer Ehefrauen diskutiert. Wegen sexistischer Stereotype ist jetzt Schluss mit der Sendung.

Von Oliver Meiler, Rom

Entgegen schulmeisterlicher Maximen gibt es sehr wohl dumme Fragen. Saudumme sogar. Eine geht so: "Sind Frauen aus Osteuropa die besseren Verlobten?" Nun, in einer Talkshow im italienischen Fernsehen haben die Gäste im Studio eine halbe Stunde lang pseudosoziologisch über diese Frage diskutiert, frei von Ironie. Und da die Sendung nicht etwa auf einem privaten Sender aus dem Imperium Silvio Berlusconis lief, der das Genre durchaus geprägt hat, sondern auf dem ersten Kanal der staatlichen Fernsehanstalt, auf Rai Uno, führt das Land nun eine Debatte über intellektuelle Frivolitäten, Rassismus und Sexismus - mit einigen Ausreißern in die Scheinheiligkeit.

Das Programm "Parliamone... sabato", etwa: "Reden wir am Samstag darüber", war eine dieser Shows, in der prominente und halbprominente Gäste auf weißen Ledersofas denkwürdig bedenkenlos ihre gar nicht immer so schlaue Meinung zu jedem und allem kundtun. Die Vergangenheitsform drängt sich auf, weil die jüngste Show von "Parliamone... sabato" auch die letzte war. Der Vorstand der Rai hat sie abgesetzt, obschon sie wohl wieder rund zwei Millionen Zuschauer erreicht hatte. Am vergangenen Samstag, ab 16.45 Uhr, waren es vielleicht sogar einige mehr gewesen, jedenfalls war das Wetter in Italien recht unwirsch und grau.

"Ich trage auch zu Hause immer nur Miniröcke", sagt eine Dame mit feinem Akzent

Man redete über dies und das, dann schlug die bekannte Moderatorin Paola Perego vor, dass man sich mal der gesellschaftlich offenbar relevanten Frage nach den Vorzügen der "Fidanzata dell' Est" widme, die der italienischen Verlobten als solcher ja mittlerweile mehr und mehr Konkurrenz mache. Auf einem großen Bildschirm erschien eine Grafik, auf der sechs Gründe aufgeführt waren, warum Italiener immer öfter Frauen aus dem Osten "auswählen".

Nachdem sie Mütter geworden sind, heißt es da unter Punkt 1, sorgen sie dafür, dass sie schnell wieder ihren tollen Körper zurückhaben. Sie sind immer sexy, tragen also nie Sportanzüge oder Pyjamas (Punkt 2). Sie vergeben Seitensprünge (Punkt 3), lassen den Mann kommandieren (Punkt 4), sind perfekte Hausfrauen (Punkt 5). Sie quengeln nicht, sind nicht eifersüchtig, machen keine Schnute. Diese letzten drei Qualitäten führte die Grafik versammelt unter einem einzigen Punkt - als argumentativer Schlussakkord gewissermaßen.

Dem Publikum wurde jetzt eine junge, blonde Dame vorgestellt, die mit feinem Akzent einige Punkte bestätigte, zunächst Punkt 2: "Ich trage auch zu Hause immer nur Miniröcke, das hat mir meine Mutter beigebracht." Dann kam dem Schauspieler Fabio Testi, 75 Jahre alt, eine Anekdote in den Sinn, die nun wirklich wunderbar zu Punkt 3 passte. Einer seiner Freunde, erzählte er, habe eine russische Verlobte gehabt, und die habe diesen Freund zum Geburtstag in ein Moskauer Freudenhaus eingeladen, wo er sich eine Dame habe aussuchen dürfen. "Es kommt doch nur selten vor", schloss Testi, "dass dir eine italienische Frau ein solches Geschenk macht."

Natürlich wirkte vieles an der Show so, als folgte es einem Skript, und das war auch das Problem daran. Da haben sich einige Leute in Planungssitzungen tatsächlich Gedanken gemacht, passende Gäste ausgesucht, eine Grafik entworfen.

Die Präsidentin der Rai, Monica Maggioni, die erst durch die Persiflagen in den sozialen Medien überhaupt von der unseligen Sendung auf ihrem ersten Kanal erfahren hatte, sprach von einem "verrückten Fehler". Der sei ihr so peinlich, dass sie sich dafür offiziell entschuldige. Finanziert werde das ja mit Gebührengeldern. Die Zeitung La Repubblica titelte lakonisch: "No, non è la BBC." Nein, das ist nicht die BBC. Die gesamte Politik, von ganz rechts bis ganz links, klagt für einmal unisono über das jämmerliche Niveau im Programm des Staatsfernsehens. Freilich, einige der empörten Herrschaften tragen in politischen Talkshows täglich und herzhaft dazu bei, dass das Niveau so tief fliegt.

Moderatorin Perego versuchte dann übrigens noch, ihrem Stargast Testi ein bisschen zu schmeicheln. "Fabio", sagte sie, "du hattest ja auch Geschichten mit fantastischen Frauen aus dem Osten - Anita Ekberg zum Beispiel, um nur eine zu nennen." Darauf Testi: "Naja, sie war nicht wirklich aus dem Osten: Anita war Schwedin." Darauf sein Sitznachbar auf dem weißen Ledersofa: "Ach komm, das ist ja alles da oben im Norden." Diese Passage stand wohl nicht im Skript.

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