Israel:Da ist Musik drin

Israel kann ESC-Gastgeber werden

Sicherte Israel den nächsten Eurovision Song Contest: Sängerin Netta Barzilai beim Finale im Mai in Lissabon.

(Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Warum ein europäischer Gesangswettbewerb eine umstrittene Rundfunkreform verhindert.

Von Alexandra Föderl-Schmid

In Israel hat die Regierung mit dem begonnen, worüber in der Schweiz, in Deutschland und Österreich seit Monaten intensiv diskutiert wird: dem Umbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der gebührenfinanzierte Sender Israel Broadcasting Authority (IBA) war im Mai 2017 eingestellt worden, nachdem die Quoten bis auf drei Prozent gesunken waren, die Rundfunkanstalt wurde als Kan (hebräisch: "hier") neu gegründet. Mit weniger Personal und Geld, finanziert aus dem Staatsbudget.

Das geringe Zuschauerinteresse war jedoch nicht der wichtigste Grund für die Neugründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach jahrelangen Debatten: Die Aufsicht über die neue Anstalt obliegt einem Gremium, dessen zwölf Mitglieder vom Kommunikationsministerium bestellt werden und an deren Unabhängigkeit entsprechende Zweifel bestehen. Hintergrundberichte gab es auf Kan im ersten Sendejahr so gut wie keine, politisch kritische Beiträge werden in Israel fast ausschließlich von Privatsendern produziert und ausgestrahlt. Aus Sicht der Regierung ist also ein Ziel erreicht, das Kulturministerin Miri Regev einmal so formuliert hat: "Warum sollen wir eine neue Rundfunkanstalt bilden, wenn wir sie nicht kontrollieren können?"

Der nächste Schritt beim Umbau sollte nun die Aufteilung des Senders in zwei Einheiten sein: In einer sollte der Nachrichtenbereich gebündelt werden, in der anderen das Unterhaltungsangebot. Die einen behaupten, damit solle die Unabhängigkeit gestärkt werden, die anderen, dass politische Einflussnahme erleichtert werde. So oder so: Nun bewahrt ausgerechnet der Eurovision Song Contest (ESC) Israels öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor dem umstrittenen weiteren Umbau.

Denn laut European Broadcasting Union (EBU), die den Gesangswettbewerb veranstaltet, zählt ein öffentlich-rechtlicher Vollprogrammsender mit Nachrichten, Unterhaltung und Sport zu den Vorgaben für Mitglieder und Mitveranstalter. Folglich könnte Israel den Wettbewerb nach einer Umstrukturierung nicht austragen, obwohl die israelische Sängerin Netta Barzilai zuletzt das Wettsingen gewann und damit ihr Heimatland den ESC im Folgejahr austragen darf. Kan hat derzeit als Warnung nur eine vorläufige EBU-Mitgliedschaft.

Um die Veranstaltung in Israel nur ja nicht zu gefährden, hat Regierungschef Benjamin Netanjahu nun jenes Gesetz zurückgezogen, das die Aufspaltung Kans vorschreibt. Netanjahu ließ verlauten, die Regierung werde "nach den Vorgaben der EBU agieren". Das will etwas heißen bei einem Regierungschef, der sich in Medienbelange gerne einmischt und dessen Wunsch nach positiver Berichterstattung bereits Korruptionsermittlungen ausgelöst hat.

Auch der Veranstaltungsort des ESC wird heftig diskutiert, weil das von israelischen Politikern bevorzugte Jerusalem als politisch heikel gilt. Für die Israelis ist es ihre unteilbare Hauptstadt, die Palästinenser beanspruchen aber Ostjerusalem als Hauptstadt ihres erst zu gründenden Staates. Zuletzt gab es rund um die Verlegung der US-Botschaft heftige Auseinandersetzungen mit den Palästinensern. Tel Aviv, Haifa und Eilat haben sich auch um die Austragung beworben, bis Oktober soll entschieden werden.

Die Übertragung des ESC war übrigens im Mai 2017 die letzte Sendung der altgedienten IBA, nach dem letzten Lied und dem Abspann verabschiedeten sich die Mitarbeiter

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