Irland:Alle mal weghören

Digicel Chairman Denis O'Brien poses on the rooftop of his company's headquarters in Port-au-Prince

Medienunternehmer Denis O'Brien (hier auf Geschäftsreise in Haiti) will der Presse einen Maulkorb verpassen.

(Foto: Swoan Parker/Reuters)

Der Milliardär Denis O'Brien besitzt einen Großteil der irischen Medien - aber wenn es um seine Bankgeschäfte geht, soll die Presse schweigen. Jetzt will er deswegen sogar das Parlament verklagen.

Von Marilena Geugjes

Dass Denis O'Brien, laut Forbes der zweitreichste Mann Irlands, einen Großteil der irischen Medien besitzt, ist eigentlich beunruhigend genug. Dass ebendieser milliardenschwere Medienunternehmer von der Nachfolgerin der Pleitebank Anglo Irish einen deutlich zu niedrigen Zinssatz für die Rückzahlung seiner Kredite genießt, dürfte ebenfalls für einen Skandal genügen. Doch damit nicht genug: O'Brien verbot den irischen Leitmedien - jedenfalls denen, die nicht sowieso ihm gehören - per Unterlassungsklage, über diese Angelegenheit zu berichten. Fast zwei Wochen lang war die irische Presse mundtot - und schockiert. Über den Kampf, der währenddessen zwischen O'Brien und dem Rest der irischen Öffentlichkeit, durfte niemand schreiben oder senden. Bis das Oberste Gericht zugunsten der Pressefreiheit entschied.

Von der Staatsbank IBRC soll er Kredit zu einem extrem niedrigen Zinssatz bekommen haben

O'Brien ist der größte Anteilseigner des irischen Medienunternehmens Independent News & Media, das unter anderem den Irish Independent und den Sunday Independent, zwei der auflagenstärksten Zeitungen Irlands, sowie mehr als 15 weitere Blätter herausgibt. Weiter hat O'Brien, der aus Steuergründen auf Malta lebt, über seine Holding Communicorp maßgeblichen Einfluß auf die beiden bekannten Radiosender Today FM und Newstalk. Zwar hat die neue irische Regierung erst im Dezember Richtlinien herausgegeben, nach welchen es "nicht wünschenswert" sei, wenn eine Einzelperson oder ein einziges Unternehmen einen zu großen Einfluss auf die mediale Berichterstattung im Land ausüben könne. Dies solle in Zukunft besser reguliert werden. Doch O'Brien musste sich deshalb keine Sorgen machen - die neuen Richtlinien gelten nicht rückwirkend und betreffen seine Firmen darum nicht.

Die fragwürdigen Geschäfte O'Briens mit der staatseigenen Irish Bank Resolution Corporation (IBRC), die im Jahr 2011 aus den beiden Pleitebanken Irish Nationwide Building Society und der Anglo Irish Bank hervorging, hatten Recherchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders RTÉ ans Licht gebracht. Demnach habe die IBRC dem Medienmogul unter anderem einen Zinssatz von 1,25 anstatt der üblichen 7,5 Prozent für die Rückzahlung seiner Kredite in Höhe von mehr als 500 Millionen Euro garantiert. O'Brien unterband jegliche Berichterstattung über seine Bankgeschäfte mithilfe eines Unterlassungsurteils durch den High Court, den obersten Zivil- und Strafgerichtshof. Die Begründung des Urteils: Die Berichterstattung über O'Briens private Bankgeschäfte beschneide dessen Recht auf Privatsphäre und könne zu unabsehbaren kommerziellen Schäden für seine zahlreichen Unternehmen führen. RTÉ protestierte, dass Pressefreiheit sowie investigativer Journalismus in einem demokratischen Staat erste Priorität erhalten sollten.

Catherine Murphy, eine parteiunabhängige Abgeordnete des Dáil, des irischen Parlaments, sprach die fragwürdige Beziehung zwischen O'Brien und der IBRC Ende Mai in einer Rede vor dem Parlament an. Da die IBRC Staatseigentum sei, so deutete Murphy an, hätten die irischen Steuerzahler O'Briens Rückzahlungen praktisch mitfinanziert. Allein dies mache den Fall zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse, die nicht von der Presse und der Bevölkerung abgeschirmt werden dürfe.

Doch auch über den Inhalt von Murphys Parlamentsrede sollten die irischen Medien nach dem Willen von O'Briens Anwälten nicht berichten. Sie argumentierten, dass Murphys Aussagen ebenfalls in den Geltungsbereich der Unterlassungsklage des High Court fielen. Der britische Guardian berichtete, dass einige Rundfunkanstalten Drohbriefe von O'Briens Anwälten erhalten hätten, Murphys Aussagen vor dem Dáil nicht zu veröffentlichen. Gleichzeitig beschuldigte O'Brien die Abgeordnete jedoch öffentlich, Lügen zu verbreiten. Welcher Lügen er Murphy bezichtigte, erfuhren die Iren allerdings nicht: Die Medien, die von O'Briens Unternehmen kontrolliert werden, berichteten gar nicht - die anderen bis zur Klärung der Rechtslage nur über die Tatsache, dass Murphy im Dáil eine Rede gehalten hatte - nicht aber über deren Inhalt. Bei der Irish Times verwies man statt dessen auf die Webseite des Guardian und des Parlaments: Dort finde man den Inhalt der Rede.

Selbst über das Parlament dürfe niemand berichten, wenn O'Brien dort Thema ist, so seine Anwälte

Diese Lesart des Unterlassungsurteils schockierte die irische Öffentlichkeit. Denn eine so weite Auslegung des Unterlassungsurteils, wie sie die Anwälte des Medienunternehmers forderten, berührte nicht nur die Freiheit der Presse, sondern auch das so genannte parlamentarische Privileg. Dieses besagt, dass Abgeordnete des Dáil für alle Aussagen, die sie im Rahmen ihrer legislativen Pflichten im Parlament treffen, rechtliche Immunität genießen. Artikel 15.12 der irischen Verfassung hält außerdem fest, dass all diese Aussagen von der Presse straffrei veröffentlicht werden dürfen und gar sollen, um die Tätigkeiten des Gesetzgebers für die Öffentlichkeit transparent zu machen.

Die Irish Times schrieb, O'Briens Unterlassungsklage habe einen der Grundpfeiler der irischen Demokratie auf das Beunruhigendste erschüttert. Gemeinsam mit RTÉ und unterstützt von zahlreichen Abgeordneten aus Regierung sowie Opposition zog die Irish Times vorletzte Woche vor den High Court, um Klarheit zu erhalten: Durften sie den Inhalt von Murphys Rede veröffentlichen? Sie durften. Das Gericht stellte klar, dass das Unterlassungsurteil niemals dazu gedacht war, die Berichterstattung über Äußerungen im Parlament zu beschneiden. Dies sei unmöglich. Das parlamentarische Privileg habe oberste Priorität. Des weiteren, so Richter Donald Binchy, bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass die Geschäfte der IBRC Gegenstand des öffentlichen Interesses seien.

Erst ließ O'Brien seine Anwälte rasch verkünden, er habe niemals die Absicht gehabt, das Parlament zum Schweigen zu bringen. Und stellte sich selbst als Opfer einer beispiellosen Hetzkampagne dar. Vergangene Woche jedoch kündigte er an, gegen die Entscheidung des High Court rechtlich vorzugehen. Sein Recht auf Privatsphäre dürfe nicht vom parlamentarischen Privileg gebrochen werden. O'Brien und seine Anwälte haben nun rechtliche Schritte gegen das irische Parlament sowie den Staat Irland eingeleitet: Murphys Rede habe ihn in seinen Rechten verletzt. Eine Anhörung ist für den 1. Juli angesetzt. Über diese Entwicklungen wird in Irland wieder in allen Zeitungen und auf allen Sendern berichtet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: