Investigative Journalisten:Ukraine Undercover

Investigative Journalisten: Eine Autostunde von der Front entfernt liegt das Studio von Alexej Mazuka, hier mit den Moderatorinnen Natalja Filatowa und Darja Liwotschenko (rechts).

Eine Autostunde von der Front entfernt liegt das Studio von Alexej Mazuka, hier mit den Moderatorinnen Natalja Filatowa und Darja Liwotschenko (rechts).

(Foto: Haas)

Unter Lebensgefahr berichten der Medienunternehmer Alexej Mazuka und sein Team aus der Ostukraine. Von Slawjansk aus decken die als "Separatisten" Geschmähten korrupte Geschäfte der Mächtigen auf.

Von Florian Hassel

Bilder luxuriöser Jeeps der Separatisten-Polizei. Aufnahmen von Militärparaden mit russischen Panzern. Berichte darüber, wer im von Moskau kontrollierten Osten der Ukraine das Sagen in der Führung der "Volksrepublik Donezk" (DNR) hat und wer welche Geldströme kontrolliert. Es sind einzigartige Bilder und Informationen, die Alexej Mazuka und seine Kollegen Zuschauern und Lesern liefern.

Mazuka, 34, leuchtende blaue Augen im schmalen Gesicht, residiert in Slawjansk, eine Autostunde entfernt von der Front zwischen der ukrainischen Armee und den von Moskau gestützten Separatisten. Neben der Stadtverwaltung haben Mazuka und seine Kollegen einen Raum der Stadtbücherei zum Redaktionsbüro und Fernsehstudio umgebaut. Seit drei Jahren berichten zwei Dutzend Mitarbeiter mit Online-Nachrichten und eigenen Fernsehsendungen nicht nur aus Kiew und den unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten Slawjansk und Mariupol, sondern auch aus der Separatistenhochburg Donezk - Journalismus aus dem Untergrund.

Mazuka tritt der ukrainischen Elite seit mehr als einem Jahrzehnt auf die Zehen, etwa mit der Zeitung Donezkaja Prawda oder dem Internet-Infodienst Nowosti Donbassa. Mazukas Spezialität: das Aufdecken korrupter Geschäfte lokaler, regionaler oder noch höherer Mächtiger des Landes. Schon im Juli 2011 - damals regierte in Kiew noch der aus Donezk stammende, Ermittlern zufolge hoch korrupte Präsident Wiktor Janukowitsch - steckte in Donezk ein Attentäter Mazukas Wohnung in Brand und hängte als unmissverständliches Symbol einen Grabkranz an seine Tür.

Als Moskau 2014 das Marionettenregime der "Volksrepublik Donezk" installierte, gehörte Mazuka zu den ersten Zielscheiben. Im April 2014 wurde Mazukas Wagen in Brand gesteckt; sein Foto mit dem Aufdruck "Verräter" in Donezk von Moskau angeheuerten Schlägern und Söldnern in die Hand gedrückt. Er floh nach Kiew. Als die ukrainische Armee im Sommer 2014 das einige Monate von den Separatisten kontrollierte Slawjansk zurückeroberte, kehrte Mazuka zurück.

Seitdem informiert er - trotz Unterstützung durch westliche Stiftungen und Botschaften mangels Werbung immer kurz vor dem Bankrott - mit den Donbass-Nachrichten und dem Mini-Fernsehen Hromadske TV Donbass über von der Kiewer Regierung oder in von ukrainischen Oligarchen kontrollierten Medien gern Ausgespartes: lokale und regionale Probleme und Korruption - und das Leben jenseits der Frontlinie.

Wie die Berichte zu Mazuka kommen? Dazu äußert er sich nicht - zum Wohle der Kollegen

Mazukas in Donezk lebende Kollegen arbeiten inkognito und in ständiger Angst. "Wir sind nicht akkreditiert und gehen nicht zu offiziellen Pressekonferenzen. Würden unsere Mitarbeiter dort identifiziert, säßen sie schnell im Gefängnis", sagt Mazuka. "Unser Kameramann dreht seine Bilder versteckt oder abseits der Öffentlichkeit. Befragen wir Donezker zu ihren Lebensbedingungen, zu den Folgen der Wirtschaftsblockade durch die Ukraine oder zu ihrer Meinung zur Führung der 'DNR', drehen wir in ihren Wohnungen und zeigen nie Gesichter. Sondern nur eine Teetasse in der Küche, mit der Stimme unseres Interviewpartners im Off." Mazukas Kollegen schneiden auch Bilder des Rebellenfernsehens mit: Die ukrainischen Behörden und die der Kreml-kontrollierten "Volksrepubliken" in Donezk und Lugansk blockieren die jeweils anderen Fernsehsender nach Kräften.

Doch auch die Übermittlung von Bildern oder Rechercheergebnissen birgt Risiken. Geheimdienste kontrollieren zunehmend auch den Internetverkehr. Das "Informationsministerium" der "DNR" befahl nicht nur, neben vier rebelleneigenen Fernsehsendern auch sämtliche Kreml-kontrollierten russischen Sender bis zum Armeekanal ins Kabelfernsehen einzuspeisen. Internetprovider in Donezk oder Lugansk müssen auch die komplette private Internetnutzung aller Nutzer einschließlich der Verbindung zu "verbotenen" Internetseiten speichern.

Ob die Kollegen von Alexej Mazuka ihre Bilder und Berichte verschlüsselt über das Internet übertragen oder gespeichert auf USB-Sticks durch zahlreiche Kontrollpunkte erst der "DNR", dann der Ukrainer nach Slawjansk schmuggeln, "dazu kann ich konkret nichts sagen, um meine Kollegen nicht zu gefährden", sagt Mazuka. Klar ist, dass sie unter hohem Risiko arbeiten: Ende Juli wurde in Lugansk, der zweiten "Volksrepublik" von Moskaus Gnaden, Eduard Nedeljajew wegen "Spionage und Verrat" zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Nedeljajew hatte unter Pseudonym auf Facebook und Twitter über unbezahlte Renten und Gehälter, Zensur und Reisebeschränkungen berichtet. In Donezk sitzt seit Juni Stanislaw Asajew im Gefängnis: Er berichtete unter dem Pseudonym Stanislaw Wasin für Kiewer Zeitungen und Internetdienste ebenso wie für den ukrainischen Dienst des US-Auslandsradios Radio Free Europe. Auch Asajew drohen jetzt bis zu 14 Jahre Gefängnis.

Die Behörden in Kiew sind gleichfalls keine Liebhaber freier Berichterstattung - die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen setzte die Ukraine bei der Pressefreiheit nur auf Platz 102 (von 180 Ländern). Nicht nur Korrespondenten russischer Staats- und Propagandasender werden ausgewiesen oder nicht mehr ins Land gelassen. Ende August verweigerte Kiew auch den spanischen Journalisten Antonio Pampliega und Angel Sastre die Einreise. Angeblich war Ukraines Geheimdienst SBU, verantwortlich für die Aufsicht über den zur "Anti-Terror-Aktion" umgedichteten Krieg in der Ostukraine, wütend, weil die Spanier auch über zivile Opfer durch ukrainische Bomben auf Rebellengebiet berichteten.

Auch Mazuka und seine Mannschaft hatten bereits Ärger. "Geht es um die 'Volksrepubliken', übernehmen viele unserer Kollegen auch ukrainische Propaganda und Desinformation. Wir wollen einfach nur Nachrichten liefern und nicht zur Dehumanisierung der Menschen im Donbass beitragen." Dass Nowosti Donbassa auch Tote und durch ukrainische Bomben zerstörte Häuser meldet, missfällt ebenso wie Enthüllungen über Korruption lokaler Beamter oder hoher ukrainischer Militärstaatsanwälte im Kriegsgebiet. Einer von Mazukas Kollegen sollte nach einer Enthüllung schon zur Armee eingezogen werden. "Die Masche ist oft die gleiche", sagt Mazuka. "Wer nicht positiv im Sinne unserer Mächtigen berichtet, wird schnell als Separatist abgestempelt."

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