Impro-Comedy-Serie:Scherzmittel

JERKS

Brüder in den Armen: Fahri Yardim und Christian Ulmen teilen in Jerks nicht nur den Seeblick, sondern auch jede Menge Geheimnisse.

(Foto: André Kowalski/Pro Sieben/Maxdome)

Die erlösende Kraft von auf die Spitze getriebenem Klamauk: Auch in der zweiten Staffel von "Jerks" lassen Christian Ulmen und Fahri Yardim wieder kein Fettnäpfchen aus.

Von David Denk

Dieser Arne ist nicht zu beneiden. Nichtsahnend ist er in die Potsdamer Nachbarschaft von Christian Ulmen und Fahri Yardim gezogen. Arne (Andreas Pietschmann) sucht Anschluss - und bekommt die Abfuhr seines Lebens. Nachdem der Plan fehlschlägt, sich im Supermarkt vor ihm zu verstecken, sagt Christian ihm ins Gesicht: "Pass auf, Arne, ich hab genug Freunde." Und Fahri legt nach: "Wir sind Prominente, da ist das Interesse groß, ganz anderes Leben, anderes Tempo." Als dann allerdings die Einkäufe nicht alle in die heimische Tiefkühltruhe passen und auch nicht in Christians, klingelt Fahri bei Arne, attestiert dem fernsehbekannten besten Freund "eine gewisse soziale Behinderung", deponiert die Tiefkühlkost in Arnes Gefrierfach und verabschiedet sich mit den Worten: "Wenn deine Toilette ausfällt, dann kannst du bei mir kacken."

Sind sie nicht zuckersüß, die beiden?

Seit Donnerstag ist die zweite Staffel von Jerks beim Streamingdienst Maxdome abrufbar (vom 9. Mai an im Free-TV bei ProSieben) - und wer gedacht hat, die Peinlichkeiten wären auserzählt, wird gleich in der ersten von zehn neuen Folgen eines Besseren belehrt: Da wacht Christian verkatert in einem fremden Bett auf, will sich davonstehlen, weckt dabei aber seinen One-Night-Stand, der ihn verschlafen fragt: "Bist du Christian Ulmen?" Der könnte einem fast ein bisschen leid tun, wie er vor dem Bett steht, ein Sünder mit offener Hose, aber eben nur fast, denn die Schlamassel, in welche die Schauspieler Christian Ulmen und Fahri Yardim in ihren Paraderollen als Christian Ulmen und Fahri Yardim geraten, sind allesamt hausgemacht. Beide sind dazu verdammt auszulöffeln, was sie sich selbst, zumeist aus Feigheit, eingebrockt haben. Es muss ja nicht unbedingt gleich ein Seitensprung - und damit die Trennung von Langzeitfreundin Emily (Emily Cox) - sein.

Aufmerksame Leser von Klatschmagazinen werden jetzt einwenden, dass Ulmen doch eigentlich verheiratet ist, mit Kollegin Collien Ulmen-Fernandes. Die ist auch bei Jerks dabei - als Exfrau und Mutter seiner Töchter. Die auf dem dänischen Klovn basierende Impro-Serie ist eben ein lustvolles Spiel mit der Wirklichkeit - und nicht mit ihr zu verwechseln, auch wenn es heißt: "Die geschilderten Ereignisse beruhen auf wahren Begebenheiten." Im auf Eindeutigkeit getrimmten deutschen Fernsehen ist Jerks auch wegen dieses Muts zur alternativen Realität ein Kleinod.

Wer sich darüber hinaus von derber Sprache ("Aus dem Mund riechst du nach Scheide") und pubertären Gags nicht abschrecken lässt, kann in Jerks (Buch: Johannes Boss, Murmel Clausen; Regie: Christian Ulmen) die erlösende Kraft von auf die Spitze getriebenem Klamauk erfahren: In jeder Folge gibt es mindestens einen Schmerzscherz-Moment, in dem man sich ein Kissen vors Gesicht pressen möchte, weil wieder eine Grenze überschritten wurde - wenn etwa "in der Scheiße stecken" mehr ist als ein Sprachbild. Doch die Serie leistet noch etwas anderes: Man fühlt sich erkannt, ja ertappt. In den zwei Promi-Kindsköpfen spiegeln sich die eigenen Unzulänglichkeiten, das eigene Scheitern, die eigene Scham. Sind wir nicht alle ein bisschen Jerks?

Jerks, bei Maxdome.

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