Im TV: Lautlose Morde:Unter der Hüppe-Dusche

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Ein bisschen Holz, viel Glas, dazu Ligne Roset: Ein Thriller im ZDF handelt von Medikamententests - er zeigt aber vor allem, wie einheitlich die Optik deutscher TV-Filme inzwischen geworden ist.

J. A. Heyer

Dieser Film ist überhaupt nicht schlecht. Er ist spannend, die Darsteller sind glaubwürdig in ihren Rollen. Lautlose Morde ist ein deutscher Fernsehthriller, und weil diese sich eher selten mit Pillepalle befassen, sondern öfters mit dem ganz Großen, geht es hier um illegale Medikamententests in einer psychiatrischen Anstalt.

Julia (Tatjana Alexander, li.) und Sarah (Jessica Schwarz) kennen sich aus der Psychiatrie. Was sie nicht wissen: Es wird mit nicht zugelassenen Medikamenten an ihnen experimentiert. (Foto: Oliver Roth)

Auch die Geschichte (Buch: Don Schubert) ist schlüssig erzählt: Die depressive Frau des Investmentbankers Andreas Mersfeld (Fritz Karl), augenscheinlich auf dem Weg der Besserung, erhängt sich kurz vor der Entlassung in ihrem Klinikzimmer. "Ich brauche ein Duschgel und meinen blauen Pullover", sind die letzten Worte, die sie an ihren sehr erfolgreichen, sehr einfühlsamen Mann richtet - der nun auch sehr traurig ist. Bis die Mitpatientin Sarah (Jessica Schwarz) ihm von ihrem Verdacht erzählt: Schuld am Selbstmord seiner Frau soll ein nicht zugelassenes Medikament gewesen sein, das an ihr getestet wurde. Da wird Mersfeld dann sehr wütend.

Natürlich ist das Ganze komplizierter, wendungsreicher, aber der Plot ist eben nur das eine. Das andere sind die Bilder, mit denen eine Geschichte erzählt wird. Der vorherrschende Eindruck: Ein Einheitsbrei an artifiziell ausstaffierten Einstellungen. Womit Lautlose Morde leider überhaupt keinen Einzelfall darstellt: Die deutsche Upperclass, wie sie um 20.15 Uhr gezeigt wird - ob in den "Fernsehfilmen der Woche" bei ARD/ZDF oder als "Filmfilm" bei Sat 1 oder Event Movie bei RTL - scheint grundsätzlich in einem Bungalow zu leben, den mindestens Rem Koolhaas entworfen haben könnte. Ein bisschen Travertin, ein bisschen Holz, viel Glas, dazu Ligne Roset und offene Hüppe-Dusche. Aus der Tiefgarage fährt ein silberner, wahlweise schwarzer Audi (Limousine oder Sportwagen, je nach Familienstand). Aber nur, wenn es sich um den netten, reichen Protagonisten handelt. Der Bösewicht darf auch Jaguar lenken.

Die wiederkehrende Optik in matten Farben, vor allem aber die Raster-Ausstattung nach den Klischees der Milieus nervt. Ein bisschen weniger Schablonen-Symbolik für Kulisse und Charaktere wäre nicht zuletzt deshalb wünschenswert, weil einen sonst wegen der sterilen Bilder das kalte Grausen packt.

Damit wäre auch dem differenzierten Spiel von beispielsweise eben Fritz Karl und Jessica Schwarz gedient: Die schaffen es nämlich nichtsdestotrotz, den Zuschauer in ein Vexier zu verstricken, wo Wahnvorstellungen von der Realität nicht mehr zu unterscheiden sind. Weil auch die so genannte Wirklichkeit so unglaublich wahnwitzig ist.

Lautlose Morde, 20.15 Uhr.

© SZ vom 13.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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