Illner-Talk zu Böhmermann:"Schluss mit so albernen Sachen"

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Klare Worte von Oliver Kalkofe am Ende der Sendung (Foto: imago/Metodi Popow)

Nur ein Kabarettist hat zum Streit um Böhmermann bei Illner wirklich was zu sagen. Der CSUler und der Erdoğan-Anhänger finden dagegen gar nicht zusammen.

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Bülent Bilgi hatte es am Donnerstagabend bei Maybrit Illner nicht leicht. Als Einziger verteidigte der Generalsekretär der Union Europäisch-Türkischer Demokraten im ZDF die "Ehre" seines Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan. Und dann musste er sich auch noch von Komiker Oliver Kalkofe vorhalten lassen, es sei ein "falscher Ehrbegriff", den er und alle Aufgeregten in dieser Sache anlegten. Das trieb Bilgi den Schweiß ins Gesicht.

Die Sache, um die es in der Talkrunde ging, war natürlich, wie sollte es in diesen Tagen auch anders sein, das Schmähgedicht von Jan Böhmermann; eine Satire, die infrage gestellt werden darf - oder anders ausgedrückt: ein "Haufen von Zeilen" ist, wie Bilgi es nannte.

Mit seinen Versen habe der Moderator neben Erdoğan auch "das türkische Volk rassistisch angegangen und beleidigt", fand der AKP-Lobbyist. Bilgi hatte seinem Ärger schon vor der Sendung Luft gemacht. In einem Video im Web-Sender dbate stellte er gleich eingangs die Frage: "Wie heuchlerisch sind die Deutschen?" Einerseits schimpften sie Erdoğan "Diktator", andererseits schlössen sie einen Deal mit ihm, um endlich die von vielen Menschen als echt leidig empfundene Flüchtlingskrise in den Griff zu kriegen.

Zum Leidwesen des Erdoğan-Unterstützers interessierte sich die Moderatorin aber nicht für diese Frage. Vielmehr wollte Illner wissen, ob die Deutschen wegen des EU-Türkei-Deals in der Causa Böhmermann erpressbar sind. "Merkels Türkei-Deal - Kuschen vor Erdoğan?", fragte Illner ihre Gäste.

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Die Bundeskanzlerin hatte das Satire-Stück Böhmermanns öffentlich als "bewusst verletzend" bezeichnet und damit eine mögliche Grenze der Kunstfreiheit angedeutet. Und so hat sich dann der Vorhang vor der Bühne geteilt, auf der die derzeitige Staatsaffäre spielt. Erdoğan zeigte seinen mutmaßlichen Beleidiger bei der Staatsanwaltschaft an. Bilgi, als Getreuer seines Präsidenten, klagte auch. Genauso wie "viele türkischstämmige Migrantinnen und Migranten in Deutschland", wie er sagte. Zudem forderte die Türkei die Bundesregierung auf diplomatischem Weg auf, Böhmermann wegen der - salopp gesagt - Majestätsbeleidigung vor Gericht zu ziehen. Noch zieht sich die Entscheidung der Kanzlerin und ihrer Minister hin. Mitunter wohl auch, weil Erdoğan im Zuge des Deals mit der EU angefangen hat, in Griechenland ankommende Flüchtlinge zurück in die Türkei zu nehmen.

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Problematisch für Illner: Ihre Gäste wollten sich auf diese Frage ebenfalls nicht wirklich einlassen. Mehrmals musste sie ihre Gäste wieder zum Thema der Sendung zurückführen. Die Zeit-Journalistin Özlem Topçu fand die Frage dabei auch schlichtweg "falsch", sagte aber auch, dass sie die Meinungsfreiheit in Deutschland in dieser Staatsaffäre nicht gefährdet sieht. Jean Asselborn verteidigte als Pro-Europa-Politiker hauptsächlich den Mitte März geschlossenen EU-Türkei-Deal.

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Während eine Zuschauerin sich wünschte, dass dieser Deal die Satire wäre und nicht das Böhmermann-Gedicht, wünschte sich Asselborn, dass man von "Abkommen" anstatt von Deal spreche. Immerhin gehe es bei der Übereinkunft um Menschen, entgegnete er Illner, als diese es mit den Begriffen gerade einmal nicht so genau nahm.

Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer legte sein Hauptaugenmerk anstatt aufs Antworten eher darauf, zu sein wie sein Parteichef Horst Seehofer. So nahm er etwa Viktor Orbán vor dem Vorwurf in Schutz, dieser habe sich nicht gerade vorbildlich gegenüber Flüchtlingen verhalten. Laut Scheuer hat der ungarische Regierungschef einfach einen anderen Weg eingeschlagen als andere europäische Länder angesichts des massenhaften Zuzugs von Flüchtlingen und Migranten. Orbán hatte keine Bereitschaft gezeigt, Fliehende aufzunehmen oder an einem gemeinsamen europäischen Verteilsystem mitzuarbeiten.

Der Christsoziale Scheuer präsentierte sich im Laufe der Sendung dann auch als Liebhaber von Einwürfen. Bevorzugt unterbrach er die Sätze seines Sitznachbarn Bilgi.

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"Sind Sie sich sicher, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes auch vollständig für die Türkei gilt?", warf Scheuer in Richtung Bilgi ein, als dieser sich verhaspelt hatte und versehentlich von Türken anstatt von türkischstämmigen Migranten oder Deutschen gesprochen hatte. Bilgi hatte in seiner Nichtmuttersprache Deutsch zu erklären versucht, dass deutsche Gerichte wegen der vermeintlich verletzten Menschenwürde von Türkischstämmigen auch ohne die Ermächtigung der Bundesregierung bereits hätten eingreifen müssen.

Als Bilgi dann erklärte, die Türkei leiste bei der Aufnahme von Flüchtlingen Großes, konnte der CSU-Mann das keinesfalls unkommentiert stehen lassen und warf "sechs Milliarden" ein. Scheuer spielte damit auf die finanzielle Unterstützung an, die die EU der Türkei gemäß dem Abkommen versprochen und zum Teil bereits ausgezahlt hat.

"Ich stehe da drüber, ich bin cool"

Scheuer und Bilgi, diese beiden wollten an diesem Abend so gar nicht zusammenfinden. Asselborn blieb diplomatisch. Einzig Kalkofe hatte am Ende noch richtig was zu sagen, frei von den politischen Korsetts, wie sie die anderen trugen. Anstatt als der Kabarettist, der er ist, vom im Grunde ernsten Thema mit Albernheiten abzulenken, lenkte er den Blick auf das Wesentliche und forderte, die Causa Böhmermann endlich ruhen zu lassen.

"Schluss mit so albernen Sachen", sagte er. Am Ende lande man immer wieder an dem Punkt, um den es wirklich geht: "um Menschen, um eine Krise, die wir haben, um die Flüchtlinge". Und Erdoğan solle lieber mal souverän sein und sich sagen: "Ich stehe da drüber, ich bin cool." Denn das würde den Menschen wirklich Respekt abringen. Die Frage nach der Erpressbarkeit hätte sich damit vorerst auch erledigt.

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