Hugo Egon Balder im Interview:"Fremdschämen mag ich mich nicht"

Lesezeit: 4 min

Höherer Blödsinn - das sagt Hugo Egon Balder über seine Sendung. (Foto: SAT.1/Willi Weber)

Hugo Egon Balder gehört zu den innovativsten deutschen Fernsehmachern. Sat.1 hat nun seine Sendung "Genial daneben" wieder aufgelegt. Ein Gespräch über Spontanität, das Dschungelcamp und warum er selbst kaum fernsieht.

Interview von Carolin Gasteiger

Hugo Egon Balder wurde in den Neunzigern als Moderator bekannt und wird deswegen inzwischen oft als Fernsehfossil oder TV-Dinosaurier bezeichnet. Aber was viel wichtiger ist: Balder hat im Fernsehen immer viel ausprobiert. In Alles Nichts Oder?! ließ er sich zusammen mit Hella von Sinnen mit Torten bewerfen, in Tutti Frutti, das er moderierte, zogen junge Frauen blank, das Publikum war empört.

Für seine Sendung Genial daneben, die jetzt wieder bei Sat.1 läuft, gibt es kein Buch und keine Proben. Zuschauer schlagen absurde Begriffe vor und die Comedians müssen erraten, um was es sich handelt - und weder der Regisseur noch Balder selbst kennen die Begriffe vor der Aufzeichnung. Das Format lief erstmals 2003 bis 2011 auf Sat1, nun ist es nach sechs Jahren Pause zurück.

Von Spontaneität war auch sein Kneipentalk Der Klügere kippt nach geprägt, in der Balder mit Prominenten am Tresen aktuelle Themen verhandelte. Jemand mit so vielen Ideen und so viel Lust zum Ausprobieren muss doch eine strenge Meinung über das deutsche Fernsehen haben. Sollte man meinen.

SZ.de: Genial daneben wurde vor 14 Jahren erfunden, inzwischen sind mehr als 400 Episoden gelaufen. Ist diese Sendung die Zukunft im deutschen Fernsehen?

Hugo Egon Balder: Wenn ich das wüsste, würde ich es verkaufen.

Aber Sie sind doch lange genug im Showgeschäft. Da kriegt man doch ein Gespür dafür, was geht und was nicht.

Ja, ab und an hat man vielleicht so ein Gespür, aber definitiv weiß man es einfach nicht. Mit der Idee zur Sendung bin ich sieben Jahre lang hausieren gegangen, bevor das jemand umsetzen wollte. Alle wollten ein Drehbuch, aber ich wusste von Anfang an: Lasst die Leute einfach mal quatschen, was sie wollen.

"Man sieht Menschen, die nicht den Schimmer einer Ahnung haben und dies möglichst laut kundtun", schreibt der Kollege Hans Hoff.

(Balder lacht) Der Hoff hat recht. Wir machen doch nichts weiter als Blödsinn. Und was ich damals gar nicht bedacht hatte, ist der Nebeneffekt, dass der Zuschauer auch noch was dabei lernt. Egal, ob das wichtig oder unwichtig ist. Aber die Leute wollen eben dann doch wissen, was eine Opferwurst ist. Und das erfahren sie nicht irgendwie. Da sitzen fünf Humoristen und finden nicht Antworten, sie erfinden sie. Und dann behaupten sie einfach mal, dass das stimmt. Das ist das Schöne, dass es nicht mehr ist als höherer Blödsinn, der für uns alle ein großes Vergnügen ist.

Als Sat.1 2011 einen neuen Programmdirektor bekam, wurde Genial daneben abgesetzt. Nun ist die Sendung zurück. Hätten Sie sie auch noch einmal gemacht, wenn Hella von Sinnen nicht dabei wäre?

Wir sind davon ausgegangen, dass Hella nochmal mitmacht. Sie ist schließlich von Anfang an dabei, sie liebt Genial daneben. Eigentlich lustig.

Late-Night-Shows
:Deutschlands einsame Nächte

In den USA längst TV-Kultur, hierzulande eine unerfüllte Sehnsucht: Warum hat Deutschland keine Late-Night-Show? Eine Recherche bei Unterhaltern und Senderverantwortlichen.

Von Hans Hoff

Warum?

Weil ich sie anfangs dazu überreden musste. Sie hatte starke Bedenken, ob sie das kann. Völlig zu Unrecht.

Inzwischen ist sie neben Ihnen der wichtigste Part der Show. Ansonsten ist das Prinzip ja ziemlich simpel.

Das ist ja gar kein Prinzip ( lacht). Das, was passiert, ist reine Spontaneität.

Vielleicht ist das ja das einzig konstante Erfolgsrezept im deutschen Fernsehen: Blödsinn machen und Spaß dabei haben.

Es muss nicht immer nur Blödsinn sein. Wir reden von Unterhaltungsfernsehen, das kann auch mal spannend sein. Oder eben lehrreich, wenn man etwas erfährt. Aber fremdschämen mag ich mich nicht. Ich mag mir keine Leute angucken, die ich schon bedauere, wenn ich den Fernseher anstelle.

Was ist schlimmer: das Dschungelcamp oder die Goldene Kamera?

Auf jeden Fall das Dschungelcamp.

Warum?

Das Bohei um die Goldene Kamera - also das kann man ja nicht ernstnehmen.

Goldene Kamera
:Technische Exzellenz beim Treten nach unten

Der falsche Ryan Gosling von Joko und Klaas ist nicht der große Wurf, zu dem er gerade gemacht wird. Er richtet sich an einen Gegner, der am Boden liegt: das deutsche Fernsehen.

Von Jakob Biazza

Sie meinen das Ryan-Gosling-Double, das Joko und Klaas in die Verleihung geschleust haben. Im Dschungelcamp wissen die Teilnehmer wenigstens, worauf sie sich einlassen.

Das sind doch arme Kreaturen. Ich habe es noch nie gesehen, aber nach allem, was ich darüber in der Zeitung lese, werde ich das auch niemals tun. Wenn da Leute dabei sind, die ich kenne und ich die dann treffe, weiß ich nicht, was ich sagen soll. Bei der Goldenen Kamera ist das was anderes. Gut, das Ding lief dieses Mal ein bisschen anders. Na und? Schön. Die Goldene Kamera? Abhaken!

Wirklich?

Klar. Ich war an dem Abend dabei und habe danach oft gelesen, wie sich die amerikanischen Gäste wie Colin Farrell geschämt haben. Gut. Aber allen, die das behaupten, möchte ich entgegnen, schaut euch doch mal normale amerikanische Sendungen an. Die sind ja nicht viel anders. Im Gegenteil. Da gibt es Sendungen, die sind ja noch schlimmer als das, was wir machen. US-Sendungen wie Saturday Night Live, die immer so gepriesen werden, sind doch nur die Spitze des Eisbergs.

Sehen Sie privat denn noch fern?

Selten, ich spiele ja fast jeden Abend Theater. Wenn, dann gucke ich Arte oder Dieter Nuhr, den ich sehr mag. Liebend gern auch Fußball. Und ich bin ein großer Fan von Inspector Barnaby. Auch wenn das komisch klingt.

Nochmal die Frage: Wie steht es denn jetzt um das deutsche Fernsehen?

Ich weiß es nicht.

Sie werden immer wieder mit dem Satz zitiert, das deutsche Fernsehen sei eine Katastrophe.

Natürlich ist das eine Katastrophe, was gerade läuft, wenn ich an angebliche Doku-Formate denke, die aber durchweg gescripted sind. Aber anscheinend begeistern diese Sendungen viele Leute, sonst würden sie es ja nicht machen. Da kann ich allen nur entgegen, was ich zu Tutti Frutti-Zeiten schon gesagt habe: Dann schaltet halt weg.

Hätten Sie auch mal Lust, etwas Ernstes im Fernsehen zu machen?

Ich glaube, das kann ich nicht. Ich habe sieben Jahre lang am Schillertheater ernsthafte Rollen gespielt, aber es ist einfach nicht mein Ding. Ich bringe lieber Leute zum Lachen. Auch auf der Bühne: Wir spielen in Hamburg gerade vor ausverkauftem Haus und die Leute brüllen vor Lachen. Das ist doch herrlich.

Aber Sie wirken irgendwie schon auch ernst.

Nein, ernsthaft bin ich nicht. Ich lache sehr viel. Wie Sie mich im Fernsehen sehen, so bin ich auch privat. Da gibt es keinen Unterschied.

Würden Sie Jan Böhmermann in Ihre Sendung einladen?

Sofort. Ich weiß nur nicht, ob er da Lust drauf hätte, wir machen ja keine Satire.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: