"House of Cards" bei Sat 1:Der Chef hier, das bin ich

US-Serienhit 'House of Cards' in SAT.1

Sat 1 zeigt die US-Serie House of Cards im deutschen Free-TV.

(Foto: Patrick Harbron/obs)

Der Erfolg der Serie "House of Cards" gründet auf präziser Marktforschung des Streamingportals Netflix - und der Tatsache, dass alle Folgen der ersten Staffel auf einmal bereitgestellt wurden. Nun bringt Sat 1 die Serie ins deutsche Free-TV, Woche für Woche zur festen Sendezeit - ein Fehler, den deutsche Sender nicht zum ersten Mal machen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der beste Moment der Emmy-Verleihung vor wenigen Wochen dauerte nur ein paar Sekunden: Auf der Bühne müht sich Moderator Neil Patrick Harris gemeinsam mit den Late-Night-Talkern Jimmy Kimmel, Conan O'Brien und Jimmy Fallon durch den Eröffnungsmonolog. Schnitt in den Zuschauerraum. Kevin Spacey dreht sich um und blickt einfach nur in die Kamera.

Er sagt erst einmal nichts, das muss er auch nicht. Dieser arrogante und bitterböse "Okay Freunde, ich verrate Euch jetzt mal, was hier wirklich abgeht"-Blick reicht vollkommen: Lass' die Jungs der etablierten Sender CBS (Harris), ABC (Kimmel), NBC (Fallon) und TBS (O'Brien) mal da oben rumhampeln. Der Chef hier, das bin ich! Spacey sagte dann auch: "Es läuft alles nach meinem Plan."

Er ist der Hauptdarsteller der Serie House of Cards, deren Episoden nicht Woche für Woche auf einem Fernsehkanal gesendet werden, sondern den Abonnenten des Streamingportal Netflix als Staffelblock zur Verfügung gestellt werden. Spaceys Blick war deshalb mehr als nur ein Gag während einer ansonsten öden Veranstaltung, es war ein Kommentar zum Fernsehen allgemein: Lass' die etablierten Sender weiter rumgurken und Serien nach wenigen Folgen wegen Misserfolgs absetzen.

Das Portal Netflix hat stattdessen reichlich Daten gesammelt und diese bei der Konzeption von House of Cards genutzt: Welchen Schauspieler sehen die Nutzer häufig? Welchen Regisseur mögen sie? Welches Genre bevorzugen sie? Wann und wie gucken sie? Die Antworten: Kevin Spacey. David Fincher. Politthriller. Wann sie wollen. Alle Folgen einer Staffel auf einmal.

Spacey gibt in der Serie Frank Underwood. Der sieht Politik als Pokerspiel und hat mit der demokratischen Partei gerade den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf gewonnen. Er will nun die Chips einsammeln und sich als Sieger vom Tisch erheben: Er soll Außenminister werden. Doch dann wird ihm mitgeteilt, dass er ganz gewaltig beschissen worden ist von den Menschen, die er für seine Partner gehalten hatte.

Von nun an mit gezinkten Karten

Underwood muss zurück an den Tisch, in diesem Fall ist das der amerikanische Kongress. Er legt sein Pokergesicht nicht ab, spielt von nun an jedoch mit gezinkten Karten. Er will die Bluffs der anderen entlarven oder ihre guten Karten einfach kaputt machen. Er will dieses Spiel nicht nur gewinnen - er möchte, dass die anderen Haus und Hof verlieren. Er will sie brechen, zerstören, ihr Kartenhaus vernichten.

Mit am Tisch sitzen all jene Figuren, die sich in Washington so herumtreiben: Politiker, Politikerfrauen, Lobbyisten, Journalisten, Speichellecker. Underwood verteilt die Karten, er lässt jeden glauben, das beste Blatt in der Hand zu halten und bereit zu sein, alle Chips in die Mitte zu schieben. Die besten Karten gibt er sich selbst, er behält stets die Kontrolle und ist jederzeit bereit, in Western-Manier eine Pistole zu zücken und einen rebellischen Spieler einfach von seinem Stuhl zu pusten.

Wie Spacey bei den Emmy-Awards dreht sich Underwood immer wieder um und blickt direkt in die Kamera. Dann erklärt er den Zuschauern, wie das so läuft in Washington: Lass' die anderen mal rumhampeln. Der Chef hier, das bin ich! Dieser Frank Underwood ist ein intrigantes Arschloch, ein Lügner und Erpresser - von Kevin Spacey derart diabolisch verkörpert, dass man ihn einerseits zum Teufel wünscht, sich andererseits aber auch ein bisschen freut, wenn mal wieder ein fieser Plan funktioniert.

Damit folgt House of Cards einem weiteren Trend in Serien, den die Zuschauer offenbar ganz wunderbar finden und der sicherlich in der Datensammlung von Netflix verzeichnet ist: diesen faszinierenden Bösewicht, diesen Walter White aus Breaking Bad (Brian Cranston), diesen Raymond Reddington aus The Blacklist (James Spader) oder eben diesen Frank Underwood.

40 Millionen Netflix-Abonnenten weltweit

Der künstlerische wie kommerzielle Erfolg von der Serie war also kein Zufall, sondern das Ergebnis akkurater Marktforschung, was der Zuschauer haben möchte und wie und wann. Das lohnt sich für Netflix, das Portal erwirtschaftete im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar. Es wird erwartet, dass bei der kommenden Emmy-Verleihung nicht nur House of Cards, sondern auch Orange Is The New Black und andere Netflix-Serien für bedeutende Preise nominiert werden.

Mehr als 40 Millionen Abonnenten hat Netflix weltweit, keiner davon kommt aus Deutschland. Hierzulande ist das Portal nicht verfügbar, Sat 1 hat sich die Free-TV-Rechte an diesem grandiosen Drama gesichert. In Deutschland sind viele immer noch der Meinung, dass die Zuschauer brav den Fernseher einschalten und gucken sollen, was ihnen da vorgesetzt wird, wann es ihnen vorgesetzt wird. Das war schon bei Sky so, der Pay-TV-Sender zeigte House of Cards montags. Nun macht Sat 1 den gleichen Fehler. Woche für Woche zeigen sie die Serie - die Netflix nur im Paket zur Verfügung stellt - Sonntagabends um 23.15 Uhr. Mister Spacey, können Sie bitte noch einmal böse in die Kamera gucken?

House of Cards, Sat 1, Sonntag, 23.15 Uhr

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