Hörspiel:Traumadeutung

Die Vertonung des Comicbandes "Katharsis" von "Charlie Hebdo"-Zeichner Luz erreicht mitunter die Eindringlichkeit der Vorlage. Die ist geprägt von vermummten Gestalten - und der Hilflosigkeit des Überlebenden.

Von Stefan Fischer

In einem starken Kapitel dieses Comics, der laut Vorwort gar kein Comic sein will, wird der Zeichner Luz bestürmt von einem Mann, der, vor Ergriffenheit triefend, den Mut der Satiriker von Charlie Hebdo lobt. Der Mann umarmt Luz, er verwandelt sich in einen Haufen Schleim, der an Luz herunterrinnt - und nur ein verätztes Gerippe übrig lässt. Der Mann - wieder in ursprünglicher Gestalt - verabschiedet sich frisch gestärkt. "Vampir" heißt die Episode.

Für die Hörspielfassung von Katharsis musste der Regisseur Ulrich Lampen ein adäquates akustisches Bild finden. Er lässt diesen Jubelperser nicht billig ranschmeißerisch klingen und doch wie jemanden, der alles falsch macht. Weil seine Solidarität aufgesetzt ist. Man hört es aus jedem seiner Sätze heraus, das der Mann erst eine Nummer von Charlie Hebdo gelesen hat - die erste nach dem Attentat von Paris.

Luz, der vor zwei Jahren überlebt hat, weil er spät dran war, verarbeitet in Katharsis sein Trauma. Dazu gehört, sich das Zeichnen erst wieder anzueignen. Diese Arbeit ins Akustische zu übertragen, ist gewagt. Lampen baut sich eine Brücke: Unentwegt sind Radionachrichten zu hören von Terroranschlägen der letzten Jahre. Das ist die Entsprechung für die vielen schwarzvermummten, bewaffneten Figuren im Comic. Wie Luz leistet sich auch die Hörspieladaption Momente der Ratlosigkeit und erreicht mitunter die Eindringlichkeit der Zeichnungen. Wenn sie einen Sound findet, der der Ernsthaftigkeit von Katharsis gerecht wird und zugleich den in viele Richtungen zielenden sarkastischen Unterton trifft.

Katharsis, SWR 2, Dienstag, 19.20 Uhr.

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