Hörspiel:Gesprengte Gewissheit

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Verleger, Erbe und Kommunist: Giangiacmo Feltrinelli (1926-1972). (Foto: AP)

Der Verleger und Kommunist Feltrinelli starb 1972 beim Versuch, einen Hochspannungsmast zu sprengen. Sein Tod war für Italiens Linke ein Einschnitt. Michael Farin erzählt den Fall als Studie über Radikalisierung.

Von Stefan Fischer

Grausig, mit vielen anatomischen Details beginnt Der Verleger, ein zweiteiliges Hörspiel über den italienischen Unternehmer und Kommunisten Giangiacomo Feltrinelli. Dessen Leiche wurde im März 1972 gefunden, der Körper schlimm zugerichtet von einer Bombe. Feltrinelli hatte sie offenbar selbst an einem Strommast in der Nähe Mailands angebracht, den er sprengen wollte. Es geht in dem 1989 erschienenen "dokumentarischen Roman" von Nanni Balestrini, den Michael Farin nun fürs Radio inszeniert hat, jedoch nicht um den Kitzel des Grusels, sondern um eine Selbstvergewisserung: Über den Tod des linksterroristisch aktiven Verlegers aus reichem Hause sind einige Gerüchte im Umlauf. "Sein Tod hatte große Bedeutung für mich. Feltrinelli war mein Freund. Aber auch für Italien war das ein Einschnitt", sagte Balestrini einmal. Diese Geschichte begibt sich deshalb klugerweise erst einmal auf den sicheren Boden der Fakten. Dazu gehört das Ergebnis der Autopsie.

Von diesen Erkenntnissen aus lässt sich dann auch auf soliderer Grundlage darüber spekulieren, worüber schon so viel spekuliert worden ist: was wirklich passiert ist an jenem Tag. Ob es ein Unfall war oder ein Anschlag auf Feltrinelli, ob er alleine war oder nicht. Aber das sind Fragen, mit denen sich die fiktiven Figuren des Hörspiels in erster Linie nur ablenken von dem, was sie selbst unmittelbar betrifft: Was nämlich bedeutet Feltrinellis Entschluss, ein Attentat durchzuführen - und den hatte er - für sie, die italienische Linke? Der Verleger kennt keine Romantisierung; die Radikalisierung, ihre Motive und Folgen werden in drastischer Konsequenz ausgebreitet.

Der Verleger , Bayern 2, 21.05 Uhr. Teil 2 am 10. November.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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