So schnell und so klug wie Elfriede Jelinek reagiert kaum ein Autor auf die Realität. Mitunter sprengt die Realität dann die Grenzen des Geschriebenen noch einmal - und entpuppt sich als drastischer, als Jelinek sie ohnehin wahrnimmt. 2014 haben BR und ORF das Hörspiel Die Schutzbefohlenen inszeniert, einen an die Menschlichkeit appellierenden Chorgesang von Flüchtlingen. Verfasst lange vor den Ereignissen des vergangenen Sommers.
Jelinek hat zwei Ergänzungen geschrieben, Coda und Appendix. Es sind verzweifelte, persönliche Texte über das Schicksal von Flüchtlingen. Jelinek trägt sie selbst vor, eine schauspielerische Distanz gibt es nicht. Die Ergänzungen sind keine Kapitulation der Kunst vor dem Leben, Jelinek versteht sich nach wie vor auf ihre Mittel. Aber sie ringt diesmal stark darum, das zu Sagende tatsächlich zu formulieren. Verstummen kann und will sie hier nicht. Umso mehr erschrickt man im Appendix, als es um den Tod geht: "Habt acht, ihr werdet mich nicht mehr oft hören." Das ist Erzähler-Fiktion, aber wohl auch ein Stück der Jelinek'schen Persönlichkeit. Ein Hinweis darauf, dass die Dinge zu groß werden und die Kraft nicht ewig reicht, sich ihnen zu stellen.
Die Schutzbefohlenen, Coda und Die Schutzbefohlenen, Appendix , Bayern 2, Samstag, 15.05 Uhr.