Hörspiel:Der Asket

37 Jahre in 18 Metern Höhe: Sylvester Groth tritt in einem überdrehten, lehrreichen Hörspiel als Symeon Stylites, der erste Säulenheilige, auf. Darin sind deutsche Urlauber aus der Provinz dessen größte Kritiker.

Von Stefan Fischer

Symeon Stylites, geboren 389 n. Chr., hat 37 Jahre seines Lebens auf dem Kapitell einer 18 Meter hohen Säule verbracht. Er war somit der erste Säulenheilige. Aus der gesamten römischen und griechisch-orthodox geprägten Welt kamen Pilger zu ihm ins heutige türkisch-syrische Grenzland. Stylites hat Theologen beeinflusst, Mystiker, Dadaisten und Surrealisten - und wird nun zum Helden eines Hörspiels.

Heiko Daniels lässt in Stylites - 37 Jahre / 18 Meter (Regie: Alexander Schumacher) aber nicht nur Bewunderer auftreten. Manche halten den Superhelden der Askese für einen Spinner, vor allem ein provinzdeutsches Urlauber-Ehepaar, das wie nichts Gutes zufällig an Symeons Säule vorbeischlendert. Als Untertitel wird das Spiel als "Hagiophonie" bezeichnet - nach der Hagiophobie, der Angst vor Heiligen.

Stylites wird von Daniels wüst durch die Jahrhunderte katapultiert, der Autor konfrontiert den von Sylvester Groth gespielten Säulenheiligen mit Zeitgenossen und allerlei Nachgeborenen, mit Intellektuellen, Bewunderern, Neidern und Ignoranten. Und Daniels lässt Symeons Lebensstil auf den der jeweiligen Zeit prallen. Der Dramatiker Antonin Artaud tritt auf, der Anfang des 20. Jahrhunderts ein Theater der Grausamkeit propagiert hatte.

Dazu André Breton, einer der wichtigsten Theoretiker des Surrealismus - dessen Vertreter sehen in Stylites Askese vor allem die psychische, geistige Dimension. Heute erscheint daran vielmehr das Körperliche relevant: Körperoptimierung und Body-Art sind die Bezugspunkte zu unserer figurbewussten Gegenwart. Stylites - 37 Jahre/18 Meter ist so klug wie verspielt, so lehrreich wie überdreht. Und wunderbar absichtslos.

Stylites - 37 Jahre / 18 Meter, HR 2, Mittwoch, 21 Uhr.

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