Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Um Kopf und Kragen

Einer hat "Aktenordner voller Frauen", ein anderer gerät über offene Ehen in Rage und in Österreich wird dem Gegner ein Rückgrat aus Plastik überreicht. Politiker-Duelle im TV können durchaus Unterhaltungswert haben. Vor der Begegnung Merkel-Steinbrück am Sonntag hier ein Rückblick auf besondere Momente der Polit-Debatte in aller Welt.

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Themenpaket Super Tuesday

Quelle: dpa

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:USA

Einer hat "Aktenordner voller Frauen", ein anderer gerät über offene Ehen in Rage und in Österreich wird dem Gegner ein Rückgrat aus Plastik überreicht. Politiker-Duelle im TV können durchaus Unterhaltungswert haben. Vor der Begegnung Merkel-Steinbrück am Sonntag hier ein Rückblick auf besondere Momente der Polit-Debatte in aller Welt.

Fernsehdebatten zwischen Politikern sind in den USA meist perfekt durchgeplant. Umso schöner fürs Publikum ist es, wenn etwas einmal nicht so läuft wie geplant. So war es am 20. Januar 2012 in Charleston im Bundesstaat South Carolina. CNN-Moderator John King eröffnete die Debatte zwischen den vier republikanischen Bewerbern um die Präsidentschaft mit einer Frage nach dem Eheleben des Kandidaten Newt Gingrich. Ob er tatsächlich eine "offene Ehe" verlangt habe, wie seine erste Frau behaupte?

Gingrich antwortete mit einer rüden Attacke auf John King und die Medien insgesamt. Seine frühere Ehe zum Gegenstand einer Frage in einer Fernsehdebatte zu machen, sei "so ziemlich das Jämmerlichste, das ich mir vorstellen kann", blaffte er King an. Das Publikum johlte. (Zu sehen hier im Video.)

Im Bild: Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten Rick Santorum, Mitt Romney, Newt Gingrich und Ron Paul bei der Diskussionsrunde im Januar 2012 in North Charleston.

Text: Nikolaus Piper, New York

Handout still image taken from video shows former Playboy model and presidential debate assistant Orayen handing out cards to four candidates during a televised debate at the Federal Electoral Institute in Mexico City; Julia Orayen

Quelle: Reuters

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Mexiko

In Mexiko standen im vergangenen Jahr die Präsidentschaftskandidaten vor der Kamera, darunter der anschließend gewählte Staatschef Enrique Peña Nieto. Da kam eine freizügig bekleidete Dame des Weges. Julia Orayen verteilte im Auftrag der Wahlbehörde Umschläge mit dem Zeitplan an die Diskussionsrunde, aber die Fernsehzuschauer inklusive der Politiker starrten auf ihren enormen Ausschnitt.

Schnell erfuhr das Publikum, dass es sich bei der Hostess um ein vormaliges Playboy-Model handelte und um eine Argentinierin. Die Organisatoren entschuldigten sich später, doch der 24 Sekunden kurze Auftritt von Julia Orayen blieb der Höhepunkt des Abends. Der grüne Bewerber Gabriel Quadri gab danach zu: "Ich hatte noch nie mit einem Playmate zu tun gehabt, das bringt dich durcheinander."

Text: Peter Burghardt, Buenos Aires

TV-Duell Merkel - Steinmeier

Quelle: dpa

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Deutschland

So kann's auch gehen: Manche Kandidaten wollen offenbar gar nicht richtig streiten. "Das klingt mehr nach Duett als Duell", bemerkte Moderator Peter Kloeppel einigermaßen enttäuscht nach den ersten Minuten der TV-Begegnung von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier 2009. Immerhin, hier zeigten die Kameras das Zerbrechen einer Zweckgemeinschaft, der Großen Koalition.

So wollten die Kanzlerin und ihr Herausforderer, der Vize-Kanzler, denn auch unbedingt zu Protokoll geben, "dass wir gut miteinander gearbeitet haben", ja, "die Vergangenheit war gut". Gelächelt wurde auffällig viel. (Zu sehen hier.) Natürlich gab es dann auch noch eine Diskussion, dennoch ...

Im Bild: Merkel und Steinmeier während des TV-Duells am 13. September 2009 in den Fernsehstudios in Berlin-Adlershof.

Text: Irene Helmes

Merkel And Steinmeier Face Off In TV Debate

Quelle: Getty Images

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... kam es zum Quoten-Minus-Rekord der bisherigen, wenn auch kurzen Geschichte des deutschen TV-Duells (mit 14,18 Millionen Zuschauern) und recht hämischen Kommentaren.

Im Bild: Eine Schlagzeile zum TV-Duell Merkel-Steinmeier am 14. September 2009 an einem Berliner Kiosk.

Text: Irene Helmes

TV-Duell zwischen J. F.Kennedy und Nixon 1960

Quelle: dpa

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:USA

Das Duell Nixon-Kennedy hat Politiker weltweit das Fürchten gelehrt - das Fürchten vor der Macht der Äußerlichkeiten. Als der republikanische Präsidentschaftskandidat und sein demokratischer Kontrahent im September 1960 zum ersten Mal vor TV-Kameras debattierten, hörten die Amerikaner viele Argumente. Vor allem aber sahen sie einen finster und ausgemergelt wirkenden Nixon (er hatte eine Krankheit hinter sich), der neben dem topfitten Strahlemann Kennedy im wahrsten Sinne des Wortes verblasste. (Ein Ausschnitt ist hier zu sehen.)

Umfragen danach zeigten, dass Radiohörer Nixon für den Sieger der Diskussion hielten. Die Bilder dagegen schenkten Kennedy den Sieg. Danach halfen Nixon weder die "Milkshake-Kur" noch die weiteren Debatten. Kennedy gewann die Wahl, Nixons Zeit als Präsident sollte bekanntlich noch kommen.

Im Bild: Kennedy und Nixon nach ihrem letzten Fernsehduell in Washington am 7. Oktober 1960.

Text: Irene Helmes

FRANCE-VOTE-MEDIA-DEBATE

Quelle: AFP

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Frankreich

Mit dem Satz "Sie haben nicht das Monopol des Herzens" hat Valéry Giscard d'Estaing die Präsidentenwahl 1974 gewonnen. Die Mehrheit der Franzosen, die im Mai 1974 zum ersten Mal eine Schluss-Debatte zwischen zwei Kandidaten im TV sah, war der Meinung, dass er damit seinen Gegner François Mitterrand aus dem Feld geschlagen hatte. Vergeblich hatte der Sozialist seinem Konkurrenten von der bürgerlichen Mitte vorzuhalten versucht, die Verteilung des Wirtschaftswachstums sei nicht nur eine Frage des Verstandes, sondern auch des Herzens.

1988 kam Mitterrand - seit 1981 Amtsinhaber - auf die Herzen zurück. Sein Rivale Jacques Chirac hatte ihm die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Tierfutter vorgeworfen. "Sie haben nicht das Monopol des Herzens für Hunde und Katzen", ironisierte Mitterrand - und gewann.

Von oben links im Uhrzeigersinn: Giscard d'Estaing und Mitterrand 1974 und 1981, Lionel Jospin und Jacques Chirac 1995, Chirac und Mitterrand 1988 bei ihren TV-Duellen.

Text: Rudolph Chimelli, Paris

Bundestagswahl historisch

Quelle: dpa

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Deutschland

"Es steht dem Kanzler der Bundesrepublik nicht gut an, sich auf ein Stühlchen zu setzen und zu warten, bis ihm das Wort erteilt wird." So lehnte Kurt Georg Kiesinger (CDU) 1969 die Initiative seines SPD-Herausforderers Willy Brandt zu einem Fernsehduell ab. Stattdessen sahen die Deutschen in den Siebzigern und Achtzigern sogenannte "Elefantenrunden" mit den Spitzenpolitikern der großen Parteien.

Dabei konnte es durchaus mal hoch her gehen. Drei Tage vor der Bundestagswahl 1980 etwa pampten sich Helmut Schmidt und Helmut Kohl an ("Geben Sie als Bundeskanzler ein bisschen Beispiel von Kinderstube", Kohl zu Schmidt, hier geht's zum Youtube-Ausschnitt).

Ab 1990 lehnte es Kohl ab, weiter im Wahlkampf an entsprechenden Runden teilzunehmen. Erst 2002 folgte das erste TV-Duell in einem Bundestagswahlkampf, Schröder gegen Stoiber, 2005 dann Schröder gegen Merkel. Zumindest Schröder übte sich dabei im Polterton alter Zeiten, unvergessen etwa sein TV-Auftritt in Siegermanier am verlorenen Wahlabend 2005.

Im Bild: Eine "Elefantenrunde". Die damaligen Parteivorsitzenden Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU), Hans-Dietrich Genscher (FDP) - und per Zuschaltung auf dem Bildschirm Franz Josef Strauß (CSU) - diskutieren am 3. Oktober 1976 in Bonn die Wahlergebnisse.

Text: Irene Helmes

Austrian political party's top candidates Molterer Strache Haider and Van der Bellen wait for the start of a TV discussion in Vienna

Quelle: REUTERS

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Österreich

Konfrontationen heißt die Reihe im ORF, aber was Jörg Haider und Heinz-Christian Strache in diesem legendären TV-Duell vor der Nationalratswahl 2008 boten, war blanker Hass. Haider, größter Rechtspopulist seiner Zeit, hatte 2005 das BZÖ gegründet und seine alte Partei, die FPÖ, im Regen stehen lassen. Strache, einst Haiders größter Fan, hatte die Scherben bei der FPÖ aufgelesen und sich seinerseits zum größten Rechtspopulisten ausgerufen.

Im Studio treffen also zwei alte Freunde aufeinander, die sich nun als Verräter betrachten. Strache entzieht Haider als Erstes das Du, Haider wirft Strache vor, der sei eine Kopiermaschine. Später reicht Strache Haider ein Rückgrat aus Plastik wie ein totes Tier über den Tisch. Haider rührt die Knochen nicht an. Die Moderatorin sagt: "Zum Schluss gibt es noch ein Geschenk." (Zu sehen am Ende dieses Videos.)

Im Bild von links: Freundliche Fassade - Werner Faymann (SPÖ), Wilhelm Molterer (ÖVP), Strache, Haider und Alexander Van der Bellen (Grüne) vor dem Start einer TV-Debatte in größerer Runde in Wien am 28. September 2008.

Text: Cathrin Kahlweit, Wien

TV-DUELL  BUSH GORE

Quelle: DPA

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:USA

Wie genervt darf man in einer TV-Debatte sein? Beziehungsweise wie offensichtlich kann man es zeigen? Beim ersten Aufeinandertreffen mit seinem republikanischen Kontrahenten George W. Bush am 3. Oktober 2000 übertrieb es der damalige Vize-Präsident Al Gore in den Augen vieler Zuschauer deutlich. Immer wieder bedachte er Äußerungen Bushs mit demonstrativem Seufzen und Kopfschütteln. Arrogant und unangemessen, wie viele Zuschauer fanden.

In der Wirkung von Gesten verschätzt hatte sich übrigens auch schon George W. Bushs Vater. Als er am 15. Oktober 1992 mit seinem Herausforderer Bill Clinton Publikumsfragen beantworten sollte, blickte er so betont auf die Armbanduhr, dass viele ihm das als Desinteresse an Bürgerproblemen auslegten (zu sehen hier). Die Wahl verlor Bush Senior, wie dann im Jahr 2000 auch Al Gore.

Im Bild: George W. Bush und Al Gore bei ihrer zweiten Debatte am 11. Oktober 2000.

Text: Irene Helmes

POLAND-WALESA-KWASNIEWSKI

Quelle: AFP

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Polen

Vor den Präsidentenwahlen in Polen 1995 schien alles klar zu sein: Amtsinhaber Lech Walesa war Held im Kampf gegen das kommunistische Regime gewesen und überdies Friedensnobelpreisträger, sein 40-jähriger Herausforderer Aleksander Kwasniewski hatte indes in eben diesem Regime seine Karriere begonnen. Doch hatte ihn sein Wahlkampfstab als Vertreter des modernen Polen inszeniert und auch reichlich auf Walesas manchmal proletenhaftes Auftreten auf internationalem Parkett hingewiesen.

Und genau diesem Bild entsprach Walesa am Ende des TV-Duells. Als Kwasniewski ihm die Hand reichen wollte, sagte das Staatsoberhaupt: "Einem Kommunisten kann ich nur den Fuß geben." Seine Landsleute fanden das oberpeinlich. Und am Wahltag fehlten ihm dann 1,8 Prozent.

Im Bild: Lech Walesa und Aleksander Kwasniewski - wesentlich friedlicher - bei einer Veranstaltung in Warschau im Mai 2007.

Text: Thomas Urban

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Quelle: AFP

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:Japan

In Japan gibt es alles, was zur Demokratie gehört: Parteien, Wahlen, ein Parlament. Die Parteien sind freilich in mancher Hinsicht nur der Form nach Parteien, der Wahlkampf ist eher ein hohles Ritual als eine Debatte. Dennoch versucht Japan diese Formen der Demokratie ernst zu nehmen. Deshalb gibt es, weil das auch hier dazugehört, vor Wahlen eine TV-Debatte.

Allerdings findet sie nicht wie in den meisten Demokratien zur besten Sendezeit statt, sondern am frühen Nachmittag, wenn die Leute in der Arbeit sind. Ein Präsidiumsmitglied des Nationalen Presseclubs liest den Parteichefs artig Fragen vor, die antworten mit präparierten Statements. Nachgehakt wird nicht. Dann dürfen sich die Politiker gegenseitig befragen, wiederholen sich aber meist nur. Der Journalist kontrolliert ihre Redezeit. Das war's.

Im Bild: Shinzo Abe, Sadakazu Tanigaki und Taro Aso bei einer Debatte im Japanischen Nationalen Presseclub in Tokio im September 2006.

Text: Christoph Neidhart, Tokio

Barack Obama Mitt Romney US-Wahl

Quelle: REUTERS

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Höhepunkte des TV-Duells weltweit:USA

Versprecher passieren, auch in Zeiten von Kameratraining und höchstprofessionellen Spin-Doktoren. So lieferte der republikanische Herausforderer Mitt Romney im Oktober 2012 im zweiten Duell mit Barack Obama den verschwurbelten Ausdruck "binders full of women" ("Aktenordner voller Frauen"). Der wurde ihm prompt auf Twitter, bei tumblr und auf Facebook um die Ohren gehauen und entwickelte sich zum Meme der Stunde.

Der Zeigefinger war interessanterweise auch bei diesem Duell nicht tabu, wie hier zu sehen. Dabei hatte Obamas letzter Herausforderer John McCain damit 2008 einen ziemlichen Patzer gelandet. Er deutete damals auf Obama und nannte ihn "that one" ("der da"). Wie so oft mit Bumerang-Effekt, am Ende verkauften Demokraten sogar T-Shirts mit dem Spruch, um für Obama zu werben.

Im Bild: Mitt Romney und Barack Obama während ihrer zweiten TV-Debatte in Hempstead, New York, am 16. Oktober 2012.

Text: Irene Helmes

Kinostarts - 'Horst Schlämmer - Isch kandidiere!'

Quelle: dpa

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Kein Wunder, dass das Format TV-Duell längst auch Komiker und Zuschauer zu eigenen Varianten inspiriert. Hape Kerkeling etwa führte 2009 in seiner Polit-Komödie "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" im fiktiven TV-Duell mit der Kanzlerin vor den Augen von ZDF-Moderator Theo Koll einen "Bundeshasen" ein, "um große Sprünge zu machen" (zu sehen hier im Video ab Minute 2:06).

In den USA wiederum kursierten besonders während des letzten Wahlkampfs musikalische Remixe der Duelle von Obama und Romney im Netz (zu sehen etwa hier). In Deutschland inspirierte diesmal schon vorab die Aufnahme von Entertainer Stefan Raab ins Moderatorenteam die Satire - wie hier in der Heute Show.

Im Bild: Hape Kerkeling in einer Szene seines Kinofilms "'Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" vor dem Reichstag in Berlin.

​Text: Irene Helmes

© SZ vom 30.08.2013/SZ.de/ihe/mkoh/rus
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