H&M-Doku in der ARD:Von Kindern für Kinder

Cool, hip, günstig: Fast jeder Deutsche hat Klamotten von H&M im Kleiderschrank. 3,38 Milliarden Euro Umsatz im Jahr macht der schwedische Bekleidungsriese in Deutschland. Rekord. In der ARD-Reihe "Markencheck" nehmen die Dokufilmer Rebecca Gudisch und Gönke Harms H&M unter die Lupe.

Meike Mai

"Frech, leger, pampig, jung." Fragt man Wolfgang Joop nach H&M, klingt ein bisschen Bewunderung durch. Trendy sind die Blusen und Röcke, Hemden und Hosen des schwedischen Klamottenkonzerns. Cool. Und vor allem günstig. "Wir wollen vernünftig sein, kein Geld für so was Frivoles wie Mode ausgeben", erklärt der Designer das Faible der Deutschen für den Mode-Discounter.

H&M präsentiert Bilanz

H&M-Markencheck: Unklare Produktionsbedingungen für billige Klamotten.

(Foto: dpa)

Trotzdem - oder gerade deshalb - ist Deutschland H&Ms größter Markt. Ein Drittel des 14 Milliarden-Umsatzes machten die Schweden 2010 hierzulande: 3,38 Milliarden Euro. Fast in jedem deutschen Kleiderschrank hängt ein Teil des Bekleidungsriesen. Doch woher kommt der Erfolg? H&M ist weltweit die Nummer zwei im Textilhandel, hinter dem spanischen Inditex, zu dem Zara oder Massimo Dutti gehören. Wie passen Image und Wirklichkeit zusammen? Und wer bezahlt letztlich den Preis für die Schnäppchen?

In der dritten Folge der Markencheck-Reihe nimmt die ARD an diesem Montag nach Lidl und McDonald's nun H&M unter die Lupe. Die Dokumentarfilmer Rebecca Gudisch und Gönke Harms testeten das Unternehmen in den vier Kategorien Preis, Qualität, Trend-Faktor und Fairness. Das Ergebnis ist kein Skandal. Vielleicht hat das Erste auch wegen dieser Vorhersehbarkeit des Films diese Folge so spät in der bislang quotensicheren Info-Reihe programmiert. Bei Lidl (sensationelle 6,3 Millionen Zuschauer) und auch McDonald's (sehr gute 5,3 Millionen) gab es noch ein bisschen mehr Investigativ-Journalismus oder auch einfach nur Aufreger über die Fast-Food-Verfressenheit der Deutschen.

Nun also H&M. Obwohl die Journalisten in den 45 Fernsehminuten alles aufbieten, was die Labore oder die Reisekasse hergeben, bleibt die große Sensation aus. Sie befragten Dutzende Kunden und einen Markenforscher, interviewten H&Ms Chefdesignerin Ann-Sofie Johannson, lösten in einem Krefelder Labor Jeansknöpfe in Säure, um nach Schwermetallen zu fahnden, und reisten sogar in die Slums von Bangladesch. Das Ergebnis?

H&M ist günstig. Teils sogar billiger als Kik. Soso! H&M ist trendy. Bietet sogar dank Kooperationen mit Versace & Co. High-Fashion zum Schnäppchenpreis. Ach was! H&M-Klamotten enthalten keine schädlichen Weichmacher oder Farbstoffe, nur das Nickel und Blei in den Jeansknöpfen kratzt an der zulässigen Obergrenze. Gut so!

Bliebe nur noch Punkt vier, die Fairness ...

Die Zustände sind ein Skandal

Nachdem die Reporter an schwerbewachten Firmentoren in Bangladesch abblitzen, und bei den offiziellen H&M-Nähern nichts beanstanden können, werden sie doch noch fündig: Bei einem Zulieferer-Betrieb arbeitet die zwölfjährige Amina. 14 Stunden am Tag muss sie stehen und Labels in Pullover einnähen oder heraushängende Fäden von Etiketten abschneiden. Für 35 Euro im Monat. Ihr Vater ist blind, die Familie wohnt in einem Slum, in dem sich 200 Menschen ein Plumpsklo teilen.

Das Schicksal von Amina, generell Lohndumping mit seinen schrecklichen Folgen, ist natürlich eine Schande. Aber nichts, wovon ein aufgeklärter Mitteleuropäer nicht schon irgendwann mal gehört hat.

Dennoch hat die Doku ihren eindringlichsten Moment, wenn sie die junge Amina mit gleichaltrigen deutschen Mädchen zusammenschneidet. Denen steht das Unbehagen über die Verhältnisse in H&Ms Zuliefererbetrieb in die erschrockenen Gesichter geschrieben. Betroffen meint Antonia: "Also ich wusste, dass so was kommt, wenn man das sieht, ist es aber noch was anderes irgendwie."

Stimmt. Und genau darin liegt die Stärke der Markenchecks. Mit dem Format schafft es ARD-Programmdirektor Volker Herres, mehr Infosendungen im öffentlich-rechtlichen Sender zu platzieren, die auch eine jüngere Zielgruppe erreichen. Ein Anfang. Nun muss es das Erste nur noch hinbekommen, in diesen Sendungen Neuem und Interessantem den Vorrang vor schlicht Populärem zu geben.

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