Historien-Epos im TV:Was im Adlon geschieht, bleibt im Adlon

Fabelhafte Skandale, delikater Tratsch und geheime Leidenschaften: Oliver Berben verfilmt die sagenumwobene Vergangenheit des Berliner Hotels Adlon als opulentes Epos fürs Fernsehen. Dabei wird so manche geheime Liebelei aufgedeckt.

Joachim Käppner

Man nannte sie "La belle Otero", und allein ihr Name bedeutete: Skandal. Als die spanische Tänzerin, geboren 1868, in der späten Kaiserzeit das Hotel Adlon zu Berlin aufsuchte, da führte sie ein Perlhuhn, einen sprechenden Papagei, zwei Mopshunde sowie eine siamesische Tempelkatze mit sich, dazu eine Kammerzofe und 38 Koffer. Es war freilich weniger die beachtliche Menagerie, welche das Publikum raunen und berühmte Männer Kuverts in ihr Hotelzimmer überbringen ließ. Für wilhelminische Verhältnisse waren ihre privaten Gewohnheiten skandalös, ja man munkelte, la belle Otero habe sich einem ihrer zahlreichen prominenten Liebhaber selbst als Beigabe zum Dinner auf einem Silbertablett . . .

Fototermin 'Das Adlon: Ein Hotel. Zwei Familien. Drei Schicksale'

"Das Adlon: Ein Hotel. Zwei Familien. Drei Schicksale" läuft 2013 in drei Teilen im deutschen Fernsehen. Im Bild die Besetzung: Ken Duken, Josefine Preuss, Christiane Paul, Heino Ferch, Juergen Vogel, Burghart Klaussner und Nora von Waldstaetten (von links).

(Foto: dapd)

Diskreter ist folgende Szene. Hoteldirektor Lorenz Adlon lässt den Pagen Rudolf rufen und fragt ihn: "Was ist die wichtigste Regel in Sachen Diskretion?" Rudolf kennt das erste Gebot eines Adlon-Angestellten und sagt, was ein Mann in seiner Lage zu sagen hat: "Was im Adlon geschieht, bleibt im Adlon!" Womit er sich hinreichend qualifiziert hat für einen "Spezialauftrag" des Patrons, nämlich der belle Otero Champagner aufs Zimmer zu bringen und bitte nichts, gar nichts weiter wahrzunehmen, was immer dort geschehen möge.

Beunruhigt schiebt Rudolf den Servierwagen in die Fürstensuite, wo ihn die Köter der Otero arg verbellen und die Gefeierte ihn nicht minder arg ignoriert. Sie ruft statt dessen laut ins Nebenzimmer: "Le Champagne est là, Stinkerschen!"

Im heutigen Event-Sprachgebrauch wäre der so Adressierte, der wenig schmeichelhaften Ansprache ungeachtet, ein Premium VIP. Doch soll nicht verraten werden, um wen es sich handelt. Zum einen ist das hier kein Tratschblatt, auch wenn der Tratsch mehr als 100 Jahre zurückliegt. Und zum anderen würde man Oliver Berbens neuestem Historienepos, aus dem die Szene stammt, dadurch einen schönen Gag nehmen.

Produzent Berben lässt gerade ein Großprojekt drehen, Schauplatz: Das gleich am Brandenburger Tor Unter den Linden gelegene Berliner Prachthotel Adlon, das bei seiner Eröffnung 1907 zu den allerersten Häusern der Welt zählte. "Fabelhaft, Adlon! Faaabelhaft!" lobte Kaiser Wilhelm II. den Unternehmer Lorenz Adlon, als seine Majestät des Hotel persönlich eröffnete - zweifellos erfreut, dass sein der Piefigkeit verdächtiges Berlin damit etwas zu bieten hatte, was Paris und London erst einmal nachmachen sollten.

Bei ihm im Stadtschloss - das die historische Achse Unter den Linden übrigens zum Glück für das Stadtbild bald wieder vervollständigen wird, auch wenn die Architekturkritik für diesen Fall offenbar eine Rückkehr des Kaisers leibhaftig befürchtet -, im Stadtschloss also sei es vergleichsweise kühl und ziehe durch die Fenster.

Der Zar von Russland und marlene Dietrich

Im Mai 1945 verbrannte das Hotel, obwohl es den Bombenkrieg und die Eroberung Berlins überstanden hatte, als russische Soldaten den legendären Weinkeller plünderten und dabei wahrscheinlich Feuer legten. Nur ein Seitenflügel stand noch, als im Westen 1955 ein erster Adlon-Film gedreht wurde. Den traurigen Rest des Hotels nahe der Wilhelmstraße nutzte die DDR angeblich, um RAF-Terroristen aus dem Westen unterzubringen.

1984 ließ die SED auch diesen Trakt abreißen. Und 13 Jahre später entstand das Adlon als Haus der Kempinski AG neu, im typischen Berliner Stil nicht 1 : 1 rekonstruiert, aber stark angelehnt an das historische Vorbild. Heute gehört es wieder zu führenden Häusern des Landes. Zu den Gästen, die es in seinem ersten Leben sah, zählten der Zar von Russland, John Rockefeller, Charlie Chaplin und Marlene Dietrich; auch heute ist es die große Anlaufstelle für echte Prominente und solche, die gern prominent wären.

Dreharbeiten bis September

Das alles hat Berben gefesselt, und er begann ein zehn Millionen Euro teures Wagnis, ein weiteres nach der Saga des Hauses Krupp und der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Justiz-Bestseller Verbrechen. Nun lässt Berben einen Dreiteiler zu je 90 Minuten drehen, ein Werk, das die gesamte Geschichte des Hauses umspannt: Das Adlon: Ein Hotel. Zwei Familien. Drei Schicksale, ein gemeinsames Projekt des ZDF, das den Löwenanteil der Kosten trägt, und der Berliner Firma Moovie, mit Produzent Berben.

An diesem Donnerstag will er mit Regisseur Uli Edel (Wir Kinder vom Bahnhof Zoo, Der Baader Meinhof Komplex) das Vorhaben passend im Adlon vorstellen. Die Dreharbeiten laufen noch bis September, der Film soll 2103 zu sehen sein.

So stimmungsvoll und opulent wie möglich

In den Studios Berlin Adlershof und Bavaria in München sowie in Nordrhein-Westfalen wird das alte Hotel also künstlich auferstehen, ergänzt um 3-D-Ansichten der damaligen Umgebung. Aber das ist sozusagen nur die Optik, die so stimmungsvoll und opulent wie möglich sein soll. "Unser Wunsch ist es", sagt Berben, "eine eigene, geschlossene Geschichte zu erzählen - in einem Haus, das über hundert Jahre deutscher Geschichte und darin fünf politische Systeme widerspiegelt" - die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, den NS-Staat, die DDR und die Bundesrepublik. Und das Adlon ist die große Theaterbühne.

Berben orientiert sich gern an den großen historischen Mehrteilern, die früher zur Jahreswende im Fernsehen liefen und Millionen fesselten, so auch Die merkwürdige Lebensgeschichte des Friedrich Freiherrn von der Trenck (ZDF 1973). Im Feuilleton haben Berbens Historienepen nicht nur Freunde; dem einen ist es zu kitschig, dem anderen zu wenig belehrend.

Für Berben sprechen dagegen zwei Dinge: Erstens der Erfolg bei den Zuschauern, den er auch seinem Prinzip verdankt: "Ich will Geschichte erzählen, nicht unterrichten." Und zweitens eine unbestreitbare historische Redlichkeit. Die Drehbücher halten sich so eng wie möglich an die Realität, sie machen, zum Beispiel, aus ihren Hauptfiguren wie den Krupps oder den Adlons nicht der Story wegen bessere Menschen, als sie gewesen sind, vor allem in den finsteren Tagen der Nazidiktatur.

Berben mag bei all dem die angelsächsische Erzählkunst, "die Art, wie sie in den USA Emotionen vermitteln". So sind Drehbücher entstanden, die weder das große Drama noch die große Inszenierung scheuen. "Wir tun uns in Deutschland oft schwer mit Emotionen". Durch Uli Edel, der lange in Los Angeles lebte und arbeitete, komme eine amerikanische Handschrift in den Dreiteiler hinein: "nämlich ein klares Bekenntnis zum Emotionalen"!

Ein guter Historiker will Geschichte erzählen, wie sie gewesen ist, so weit das geht. Ein guter Filmproduzent will diese Geschichte durch Geschichten erzählen und sie so lebendig machen. Und die Hauptgeschichte dreht sich, durch all die Jahre und Systeme, um die fiktive Hotelfrau Sonja Schadt, gespielt von Josefine Preuß, welche die wütende 15-Jährige ebenso perfekt darstellen kann wie die viel ältere, von Schicksalschlägen gezeichnete Frau. Auch bekannte Darsteller sind dabei wie Heino Ferch, Jürgen Vogel und Anja Kling.

Briefwechsel aus dem alten Adlon

"Ich wollte ein riesiges Ensemble", sagt Berben, und der 41-Jährige wirkt wie ein Junge, der sich begeistert eine eigene Welt aus kleinen Spielfiguren bastelt. Das kann man mit deutscher Muffigkeit kindisch finden, dem bewährten Motto folgend, Geschichte dürfe keinen Spaß machen. Aber lohnender ist es vielleicht doch, sich anstecken zu lassen von der Freude an all den großen und kleinen Geschichten, die im Adlon spielten, den heiteren wie den tragischen.

"Das spannendste aus den historischen Sammlungen waren die Briefwechsel aus der Geschichte des Adlon - da haben wir uns zu mancher Geschichte anregen lassen", sagt Berben. Eben hat er in München einen Brief einer alten Dame geöffnet. Sie freut sich, dass zumindest im Fernsehen das alte Adlon wieder entsteht. Und sie schildert, wie ihr Vater, ein Angestellter des Hotels, dort nach dem Ende der Kämpfe in Berlin 1945 unbedingt einmal nach dem Rechten sehen wollte. Die Mutter beschwor ihn, nicht zu gehen. Er sei bald zurück, sagte der Mann. "Wir haben ihn fünf Jahre nicht wiedergesehen", so die Schreiberin: Die Russen hatten ihn mitgenommen.

Wie mit dem alten Hotel nahm es mit der belle Otero kein gutes Ende. In späteren Jahren brachte sie all das Geld, das ihr die Verehrer und zweifellos auch der eingangs erwähnte Prominente in seiner Verzückung zugeschaufelt hatten, im Casino von Monte Carlo durch. Am Ende zahlte ihr die Direktion Geld, damit sie nicht mehr kam.

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