Hesse-Doku zum 50. Todestag:Die Guru-Slideshow

Hesse für Eilige: Der SWR zeigt ein Porträt über den ungebrochen populären Literaturnobelpreisträger - ohne ihn posthum auf Krawall zu bürsten oder zum Null-Bock-Anarcho zu promovieren.

Christopher Schmidt

Es muss ja nicht gleich der Stinkefinger sein, den der notorische Strohhut- und Nickelbrillenesoteriker Hermann Hesse den Spiegel-Lesern auf der aktuellen Ausgabe des Heftes sozusagen aus dem Grab heraus zeigt. Wenn man schon einen Schriftsteller auf die Titelseite hebt, noch dazu einen, der zum Inbegriff von Weltabgewandtheit und Innerlichkeit geworden ist, kann es offenbar nicht schaden, ihn posthum auf Krawall zu bürsten und zum Null-Bock-Anarcho zu promovieren. So forciert das auch wirken mag - ein wenig von dieser Chuzpe hätte dem allzu elegisch heruntergedimmten Filmporträt von Andreas Christoph Schmidt nicht schlecht getan.

Hermann Hesse - 50. Todestag

Hermann Hesse bei der Lektüre in seinem Arbeitzimmer in Montagnola. Bis heute ist er einer der meistgelesenen deutschsprachigen Schriftsteller.

(Foto: dpa)

Die SWR-Produktion Hermann Hesse - der Weg nach innen zum 50. Todestag des Dichters beschränkt sich auf einen diashowartigen biografischen Abriss, unterlegt mit verwehten Klavierklängen und malerischen Landschaftsaufnahmen. Bild für Bild wechseln Close-ups von welkenden Blumen und reifen Früchten im honigfarbenen Herbstlicht.

Alles ist hier, wie so oft in Dokumentationen über tote Dichter, auf Abschied gestimmt, im Ton piano, in der Anmutung sepia. Dazu aus dem Off der mürbe Bariton des Sprechers Ulrich Noethen, der mit dem zweiten Sprecher Ingo Hülsmann alterniert. Warum muss es bei Literatursendungen eigentlich immer dieser Nachtgedanken-Sound sein? Wieso gefallen sich Beträge zur kulturellen Grabpflege stets in der Abendsonne einer spätidealistischen 50-plus-Ästhetik?

Zuschauen, entspannen, nachschenken: Zu Beginn schwenkt die Kamera die Täler im Engadin ab, das Hesse so oft durchwandert hat, denn als eine spirituelle Wanderung soll sein Lebensweg verstanden werden. Das edel-nostalgische Ambiente des Hotels Waldhaus in Sils, wo Hesse in späteren Jahren wie so viele andere Großdichter logierte, liefert eine gediegene Gratis-Kulisse.

Dann geht es ins mittelalterliche Gassengewirr von Calw, wo Hesse 1877 geboren wurde, und in die Klosterschule Maulbronn, Schauplatz frühen Leids. Nach verschiedenen abgebrochenen Schulen und Lehren, einer Zeit als Antiquariatsgehilfe in Basel, wird Hesse vom Verleger Samuel Fischer entdeckt und avanciert zum Erfolgsautor. Es folgen Hausbau und Familiengründung. Doch es hält den Ruhelosen nirgendwo, er wechselt die Orte, die Frauen und die Rollenbilder.

Hesses Häutungen

Hesses Biografie ist eine Abfolge von Häutungen. Immer wieder erfand er sich neu, aus Emil Sinclair, seinem Jugendstil-Pseudonym, wurde der Zauberer Klingsor und schließlich der Steppenwolf, der in Montagnola am Luganer See sein letztes Revier fand. Doch die inneren Widersprüche des Schriftstellers lotet der Film ebenso wenig aus, wie er im Gespräch mit dem Hesse-Biografen Heimo Schwilk, dem Herausgeber Volker Michels oder dem Schriftsteller Adolf Muschg erhellende Bezüge zwischen Leben und Werk herzustellen vermag.

Im letzten Teil geht es um Hesse als Guru der Hippie-Bewegung, eine Wirkung, die der amerikanische Hesse-Experte Theodore Ziolkowski ebenso beglaubigt wie der "Siddhartha"-Leser Udo Lindenberg. Das Schlusswort hat Adolf Muschg, der Hesses ungebrochene Aktualität betont. Belege dafür sind 400.000 verkaufte Bände pro Jahr, und auch die Devotionalien, die Besucher an seinem Grab im Tessin hinterlassen: Kettchen, bemalte Steine, ein Gitarren-Plektrum. Wer sich jedoch vom SWR Aufschluss darüber erhofft, weshalb Hermann Hesse immer noch rockt, wird von dieser Slideshow musealer Lebensbilder enttäuscht.

"Hermann Hesse - der Weg nach innen", läuft an diesem Donnerstag, 09.08. um 22.30 Uhr im SWR. Was sonst noch läuft, sehen Sie hier.

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