Helmut Schmidt als Medienmensch:Schweigt und raucht

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Umsteigen auf die E-Zigarette? Nicht mit Helmut Schmidt. (hier in seinem letzten TV-Interview bei Menschen bei Maischberger). (Foto: dpa)

Helmut Schmidt durfte im Fernsehen seine eigenen Regeln machen. Das musste auch Sandra Maischberger im letzten TV-Interview des Altkanzlers einsehen.

Von Hans Hoff

"Schweigt und raucht" stand gerne in Protokollen, die sich um eine schriftliche Wiedergabe von Helmut Schmidts medialen Auftritten bemühten. Schweigt und raucht. Was sich liest wie eine Drehbuchanweisung birgt in Wahrheit das große Geheimnis eines jeden Schmidt-Auftritts - die Pausen. Es wirkte stets, als lege sich der Altkanzler während des Schweigens auf der Zunge Aussagen zurecht, die mindestens bis in die Ewigkeit nachhallen sollten. Schweigt und raucht. Es waren nicht immer viele Worte, die er seinem Gegenüber widmete, aber sie hatten stets Gewicht.

Doch der große Hanseat konnte auch anders. Als Sandra Maischberger ihn im Mai bei seinem letzten Besuch in ihrer Sendung fragte, wie es ihm gehe, gab Schmidt eine ziemlich kurze Antwort. "Einigermaßen", sagte er. So etwas fordert natürlich eine auf Erkenntnis geeichte Moderatorin heraus. Also wollte Maischberger wissen, was denn einigermaßen sei. Die Antwort kam ohne Zögern: "Einigermaßen ist einigermaßen."

Er stellte seine eigenen Regeln auf

Es war Schmidts Verdienst, die medialen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft zu setzen. Wenn er als betagter Herr auf dem Bildschirm erschien, stiegen die Quoten, obwohl doch angeblich alle immer nur junge Menschen in der Glotze sehen wollen. Kaum ein Gast sonst war so talkshowtauglich wie Schmidt.

Er faszinierte vor allem deshalb, weil stets klar war, dass er die Regeln aufstellt und nicht das Medium. Wo er war, durfte gegen alle Gesetze geraucht werden. Wenn er sprach, dann klang das nicht wie eine aus Leitartikeln zusammengestoppelte Meinung. Mit seiner Kompromisslosigkeit setzte er alle Formatanweisungen außer Betrieb. Wo sich alle anderen im Studio den Regularien der Branche fügten, blieb Schmidt widerborstig und wurde dadurch zum wahren Diamanten im durchkonfektionierten Blingbling-Gewerbe.

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Als weiser Häuptling vom Dienst zeigte Schmidt meist etwas, das ansonsten im deutschen Fernsehen zur Mangelware geworden ist: Würde. Schmidt signalisierte Verlässlichkeit in turbulenten Zeiten. Wenn alle durcheinanderreden, braucht es einen, der klar sagt, was ist. Wobei am Ende egal war, was er verlautete. Dass er da war, reichte als Nachricht.

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Zudem konnte Schmidt im Fernsehen nicht nur auf seinen Ruf und sein Wirken als Politiker bauen, er profitierte auch davon, dass er mehrfach Geschichte mitgeschrieben hatte. Mit jeder neuen Verfilmung der Hamburger Sturmflut von 1962 wurde erneut sein Denkmal zementiert, ob bei den öffentlich-rechtlichen Sendern oder bei RTL. Immer wenn es um die Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut durch Terroristen ging, trat ein neuer Schauspieler als Helmut Schmidt vor die Kamera.

Christian Berkel hatte die Ehre, Schmidt gleich zweimal verkörpern zu dürfen, 2005 war er der Hamburger Innensenator im RTL-Film "Die Sturmflut" und 2008 der Bundeskanzler in "Mogadischu". Ulrich Tukur, Manfred Zapatka, Bernhard Schütz und Peter Striebeck durften auch einen Film lang Schmidt sein.

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Weil Schmidt schon früh eine Marke war, fand er auch Eingang in Loriots gezeichnetes Werk, eine Ehre, die nicht hoch genug einzuschätzen war.

Als Herausgeber der Zeit wirkte er kaum offensiv, eher im Verborgenen. Die sichtbarste Auswirkung dieser Tätigkeit offenbarte sich in der Rubrik "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt", in der Chefredakteur Giovanni di Lorenzo die Fragen stellte. Nicht wenige Menschen behaupten, es seien weniger Fragen gewesen als vielmehr Vorlagen, verbal ausgerollte Teppiche, auf denen Schmidt die Weltgeschichte abschritt.

"Der Welt geht es nicht gut", sagte er im Mai bei Maischberger, und wenn er das sagte, hatte das Gewicht. Kam er erst einmal in Fahrt, vergaß er gelegentlich sogar, sich seine nächste Zigarette anzustecken. Aber nie allzu lange.

Die Pausen und das Kunstrauchen in aller Öffentlichkeit gehörten schließlich zu seinem medialen Markenkern. Sie waren so etwas wie sein Alleinstellungsmerkmal. Nicht ohne Grund kam eine Zeitlang kaum ein deutscher Kabarettist ohne einen Helmut-Schmidt-Zigarettenwitz von der Bühne.

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Auf die Spitze trieben das Wilfried Schmickler und Uwe Lyko, die in der WDR-Sendung Mitternachtsspitzen als paffendes Pärchen Loki und Smoky auftraten. Zur Eingangsmelodie von "Smoke on the Water" spielten sie Loki und Helmut Schmidt, rauchten Kette und begannen ihren Dialog stets mit denselben Worten. "Loki, frag' mich mal was", forderte er, und wenn sie dann was fragte, begann er zu schwadronieren. Er erzählte der Gattin dann beispielsweise, dass er als Sechsjähriger schon vom Zehner gesprungen sei. Auf die Frage, ob das andere denn nicht auch gekonnt hätten, antwortete Smoky alias Helmut mit einer klaren Ansage: "Aber nicht so, dass die Kippe nicht nass wird."

Im Jahre 2010 stellte der WDR die Rubrik ein. Nach dem Tod von Loki Schmidt wolle man Rücksicht auf die Trauer des Altbundeskanzlers nehmen, hieß es beim WDR. Fans der Rubrik können sich nun möglicherweise auf ein Revival freuen, denn mehrfach schon wurde angedeutet, dass man "Loki und Smoky" nach einem Ableben von Helmut Schmidt und nach angemessener Trauerzeit wieder aufleben lassen könnte. Dann halt mit dem Zusatz "im Himmel".

Natürlich war das Rauchen auch Thema bei der letzten Fernsehbegegnung von Schmidt und Maischberger. Da bot die Moderatorin ihrem Gast eine E-Zigarette an und bewarb sie als Alternative, weil seine geliebten Mentholzigaretten im Jahre 2020 verboten werden. "2020 werde ich nicht mehr erleben", sagte Schmidt, woraufhin Maischberger ein höflich-keckes "Das werden wir sehen" nachschob.

Helmut Schmidt hat recht behalten. Natürlich.

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