"Heino - Made in Germany" auf Arte:Brutto wie netto

75 und kein bisschen leise: Superstar Heino feiert Geburtstag

75 und kein bisschen leise: Heino.

(Foto: Christian Brodack/dpa)

"Wenn es in die Hose geht, ist auch egal": Heino wird 75, und Arte lässt in einer anschauenswerten Produktion exquisite Fans und Verächter das Phänomen des heiteren Verhaltensblonden erklären.

Von Bernd Graff

Eine der ungeheuerlichsten Bemerkungen, die der im höheren Alter zum coolen Hund gewandelte Heino in diesem Film direkt in die Kamera sagt, lautet: "Ich habe jetzt seit 50 Jahren Erfolg mit dem, was ich mache. Und dadurch, dass ich nicht wie andere Kollegen brutto und netto verwechsle, habe ich mir gesagt: Das kann ich mir jetzt mal erlauben. Wenn es in die Hose geht, ist auch egal."

Erlaubt hat sich Heino in diesem Jahr das Album: "Mit freundlichen Grüßen", auf dem er Pop- und Rock-Hits von völlig Heino-unverdächtigen Mitbewerbern abkupfert und damit ordentlich Erfolg hat. Wie alle Statements in diesem Feature zu seinem 75. Geburtstag, das Arte am Samstag ausstrahlt, kommt auch dieses in Heinos tadellos rechtsrheinischem Singsang daher, seinem Sound der Unbekümmertheit. Dazu werden Bilder aus seiner abwechslungsarmen Karriere, aber auch aus seinem "Sommernachtstraum" eingeblendet, jenem "Kultkonzert" (PR-Text) im Münchner Olympiastadion vom Juli 2013, bei dem der seit einem halben Jahrhundert phänotypisch imprägnierte Barde diese Songs von Rammstein, den Ärzten, den Sportfreunden und den Fantastischen Vier zum Besten gab. Was man dabei auch sehr gut sieht: Er tat dies offenbar sehr zur Freude vieler junger Menschen.

Während man als Fernsehzuschauer das Phänomen Heino, diese Diktion und das ewige Rolle-"RRRRR" mal wieder zu fassen versucht - und wieder nicht fassen kann -, fällt auf, was man sich während des fast einstündigen Features unterschwellig die ganze Zeit über gefragt hat: Was, um Himmels willen, hat dieser Greis da eigentlich an? Auf jeden Fall eine Menge schwerer Ketten über schwarzem Rollkragenpullover, dazu einen lila-weißen Sternenschal und dann noch diesen lila-schwarzen Blouson mit Biker-Reißverschlüssen an den Ärmeln, mindestens einer Totenkopf-Applikation auf der Brust und reihenweise Nieten in der Schultergegend. Das Material will wie ehrliches Rocker-Leder und unerbittlicher Stahl anmuten, ist aber wahrscheinlich alles aus fluffiger Seide. Auch der Totenkopf ist nicht von jener grimmen Heavy-Metal-Natur, die er haben müsste, sondern er könnte von Mickey Mouse stammen.

Alles in allem: Der in seinen späten Tagen auf harter Bursche gebürstete Heino wirkt wie die gut gelaunte Entenhausen-Version eines Rock'n'Rollers. Ein klingender Rheinländer eben. Einer, der überall in der wirklichen Welt seit je Erstaunen, Entzücken und auch Entsetzen ausgelöst hat. So ist es ein Verdienst dieser Heino-Doku, dass nicht einfach irgendwelche Fans und Verächter zu Wort kommen, sondern sehr exquisite.

Jello Biafra etwa, er ist ehemaliger Leadsänger der US-Hardcore-Punkband "Dead Kennedys". "Kill The Poor!" war einer ihrer Hits in den Achtzigern. Biafra schildert seine Irritation beim ersten Heino-Hören so: "Ich dachte: Was zur Hölle ist das? Es hörte sich an wie die Persiflage von 'German-Umpta-Umpta-Musik': Diese teutonische Stimme, diese viel zu laute Abmischung der Songs auf der Platte, alle Regler voll aufgedreht und eine so fette Produktion wie für eine Abba-Single."

Danach beginnt eine Art Exegese der Cover von Heino-Alben. Der Kanadier Marc Hickox macht den Auftakt, er ist tatsächlich Heino-Imitator in den Vereinigten Staaten und spricht - mit dem Zaunpfahl der Ironie winkend ! - von den ausgeruhten Porträts auf den Heino-Hüllen. Sie offenbaren ihm einen Menschen, der Pferde und seine Mutter liebt und auch sonst alles unter Kontrolle hat.

Biafra hingegen war fasziniert von den vielen "Geschmacksrichtungen" der Cover. Für ihn gibt es den "Bond-Bösewicht", den "Pudel-Heino mit Acid-Rückseite", den "Nosferatu-Heino" und "Heino im Weltraum" und dann "das Extremste von allen": Das Muttertagsalbum. Heino erscheine wie ein Alien aus dem Film: Das Dorf der Verdammten. Überhaupt wird über Heino geschmunzelt. Otto Waalkes tut es, Guildo Horn tut es, Norbert Hähnel tut es, er ist jener Westberliner Spätsponti, der Mitte der Achtzigerjahre als der "Wahre Heino" ein wenig Berühmtheit erlangte und sich dafür Ärger mit den Anwälten des "echten" Heino einhandelte.

Selbst Heino schmunzelt über sich. Nur Rocko Schamoni tut es nicht: Er nimmt Heino anscheinend heute noch so bierernst wie den Heino seiner frühen Jahre: als einen "Deutsch-Psycho" und "Spießer", der den "Soundtrack zur Normalität lieferte: stehen geblieben und althergebracht, sumpfig, modernd, reaktionär . . . ein perfektes Feindbild."

Arte verfügt über viele Konzertmitschnitte und Porträts aus Heinos 50 Karrierejahren, die über die Jahrzehnte einen konstant furchtbaren Kleidungsstil bei galoppierendem Farbenwahnsinn belegen wie andererseits den ungebrochenen Willen zum Mitklatschen bei seinen über Generationen hinweg konstant faszinierten Fans. Wenn diese also unbedingt anschauenswerte Arte-Produktion über das Phänomen des heiteren Verhaltensblonden dann aber zu Ende ist, kann man das Caramba-Caracho des Whiskys, das Blaublaublau des Enzians und das Rotrotrot der Lippen endgültig nicht mehr hören. Das sollte man bedenken.

Heino - Made in Germany, Arte, 14.12., 21:35 Uhr

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