"Hattinger und die kalte Hand" im ZDF:Horror der Idylle

Hattinger und die kalte Hand ZDF Edgar Selge

Am Schmerzkern: Ostermeier (Edgar Selge) vorm Chiemsee.

(Foto: Marco Nagel/ZDF)

Er richtet seine Opfer so meisterlich wie sprichwörtlich zu, dieser Albrecht Ostermeier. Im Chiemsee-Krimi von Hans Steinbichler hat der Mörder viel Sinn für "a schöne Leich". Mit einem überzeugenden Edgar Selge.

Von Alex Rühle

Der Albrecht Ostermeier war's. Der nervöshagere Nachbar vom Kommissar Hattinger hat sie alle auf dem Gewissen: Den Chefarzt, den Anästhesisten und die Erfolgsautorin. Man verrät hier nicht zu viel, wenn man gleich zu Beginn sagt, wer der Mörder ist, schließlich darf man von der ersten Szene an bei seinen minutiös ausgetüftelten Taten dabei sein.

Und es macht aus drei Gründen solchen Spaß, ihm zuzusehen: Zum einen weiß dieser Ostermeier, was das heißt: A schöne Leich. Er richtet seine Opfer so meisterlich wie sprichwörtlich zu, der Fisch stinkt vom Kopf her, eine Hand wäscht die andere. . . Zum anderen ist da die Figur dieses Ostermeier. Vor 20 Jahren starb seine damals jugendliche Tochter bei einer Abtreibung. Ostermeier selbst hat sie zu der Operation gedrängt, es waren die achtziger Jahre im katholischen Bayern. Er hat aber mittlerweile rausgefunden, dass das Ganze kein Kunstfehler war. Sondern dass bei den Operationen im Kurklinikum tatsächlich eine Hand die andere gewaschen hat und der Fisch dort bis heute vom Kopf her stinkt. Weshalb sie jetzt eben alle sterben müssen, der fischige Chef, die damalige Assistenzärztin . . .

Jahrelang hat Ostermeier seinen überaus grausamen Plan ausgetüftelt. Und er hat gewartet, bis seine Frau gestorben ist. Jetzt ist es ihm vollkommen wurscht, dass ihm Kommissar Hattinger auf die Spur kommen wird. Im Gegenteil, er gibt ihm von Anfang an Hinweise, schließlich hat der einsame Mörder nichts mehr zu verlieren, er will ja nur noch aller Welt zeigen, was da für ein Unrecht geschah und seine reinigende Rache durchziehen, bei der er Hattinger bis zum Schluss um einen Schritt voraus ist.

Zum wirklich großen Fernsehkrimi wird Hans Steinbichlers Adaption des Romans Chiemseeblues von Thomas Bogenberger aber, weil man diesen Mörder durchaus versteht, was gibt es schließlich Schlimmeres als den Verlust des eigenen Kindes, und damit wären wir bei demjenigen, der den so fürchterlichen wie bedauernswerten Ostermeier verkörpert: Edgar Selge. Der sieht hier aus, als sei er über die Jahre abgemagert bis auf eine Art körperlichen Schmerzkern, eine verknorpelte Seele und den absoluten Willen, zu töten. Selges Mörder bewegt sich wie ein Pfeil durch diesen Film, den sehnigen Hals vorgereckt, das Gesicht witternd wie ein Fuchs, in hastendem Hass auf seiner Mission.

Selge selbst nannte seine Figur überaus treffend einen "Kohlhaas im Horrorfilm": Schließlich will Ostermeier auf seine grausam verquere Art ja so wie Kleists Held nur sein Recht: Dass die bestraft werden, die seine Tochter auf dem Gewissen haben. Wie Kohlhaas verzweifelt er daran, dass Recht und Gerechtigkeit derart weit auseinanderklaffen können, dass ein ganzes Menschenleben in dem Spalt dazwischen verschwinden kann. Wie Kohlhaas bricht er, als er erstmal auf seinem Feldzug ist, alle Brücken hinter sich ab. Als Zuschauer aber ertappt man sich dabei, wie man ihm im Grunde viel Glück wünscht oder doch zumindest, dass er es wenigstens noch schafft, diesen aasigen Chefarzt um die Ecke zu bringen.

Den harten Stoff bettet Hierankl-Regisseur Steinbichler tief in seine eigene Heimat, die malerische Landschaft um den Chiemsee, was dem Ganzen eine merkwürdige Fallhöhe gibt, das psychopathisch düstere Treiben in dieser sommerlichen Kalenderblattidylle. Selge ist darin der hochdeutsch steife Fremdkörper, während man seinem Nachbarn und Gegenspieler ganz und gar abnimmt, dass er von hier stammt: Den bärbeißig sympathischen Hattinger spielt Michael Fitz, der nach der Scheidung in den Trümmern seines Lebens und einem halbleeren Wohnzimmer sitzt.

Aber dann kommt eines Nachts seine Tochter zu ihm zurück und mischt sein Leben auf. Wie es das Unglück will, hat sie ungefähr das Alter von Selges Tochter bei deren Tod, und man ahnt nichts Gutes, als Ostermeier sie erstmals aus dem Küchenfenster beobachtet.

Hattinger und die kalte Hand - ein Chiemseekrimi, ZDF, 20.15 Uhr

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