"Hart aber fair" zu "Terror gegen die Freiheit":Paris, der Terror und die neue Arbeitsteilung in der CSU

Ilse Aigner (CSU, links) und Wolfram Weimer bei "Hart aber fair".

Zwei Konservative und ein Ausspruch: Der Satz "Paris ändert alles" kam Ilse Aigner (CSU, links) bei "Hart aber fair" nicht über die Lippen. Publizist Wolfram Weimer (rechts) distanzierte sich sogar von der Aussage des CSU-Politikers Markus Söder.

(Foto: WDR/Oliver Ziebe)

Statt Hardliner Markus Söder erscheint überraschend dessen moderate Kabinettskollegin Ilse Aigner bei Frank Plasbergs Talkrunde zum Terror in Paris. Die Fronten sind trotzdem klar - meistens.

Von Paul Katzenberger

Es ist bekannt, dass sowohl Ilse Aigner als auch Markus Söder das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten anstreben, was zwangsläufig eine gewisse Rivalität mit sich bringt.

Insofern war es erstaunlich, dass bei der Runde von "Hart aber fair" an diesem Montagabend nicht wie angekündigt der bayerische Finanzminister Söder Platz nahm, sondern seine innerparteiliche Konkurrentin - die stellvertretende Ministerpräsidentin und bayerische Staatsministerin für Wirtschaft Ilse Aigner.

Denn das Thema der Sendung "Terror gegen die Freiheit - wie verteidigen wir unsere Werte?" hätte Söders Profilierungsdrang sicher entsprochen. Schon kurz nach der Anschlagsserie von Paris hatte er sich auf allen Kanälen mit markigen Sprüchen zur Angelegenheit geäußert: per Pressemitteilung, über Twitter und in der Welt am Sonntag: "Paris ändert alles", hatte er gesagt und forsch einen Zusammenhang zwischen der so grässlich aufgeflammten Terrorgefahr und der Flüchtlingsthematik der vergangenen Monate hergestellt.

Das Thema brennt Söder schon seit dem Spätsommer unter den Nägeln, nicht zuletzt, weil er sich damit als Law-and-Order-Mann profilieren kann, was in Bayern nicht das Schlechteste ist, wenn man dort hohe Ämter anstrebt. Doch in dem Fall hatte er es übertrieben. Selbst von Parteifreunden schlug ihm Empörung entgegen. Er instrumentalisiere unfassbare Ereignisse für eigene Zwecke, hieß es. Da hielt man es in der CSU wohl für klüger, ihn kurzfristig aus der Schusslinie zu nehmen und stattdessen seine Gegenspielerin in deutlich moderaterem Tonfall Stellung im Fernsehen beziehen zu lassen.

Dass Paris "alles ändert", will keiner unterschreiben

Die ungewohnte "Arbeitsteilung in der CSU" (Plasberg) erwies sich als kluge Strategie. Denn mit seiner "Paris ändert alles"-Programmatik hätte Söder auch bei dieser "Hart aber Fair"-Runde allein auf weiter Flur gestanden. In aller Deutlichkeit missbilligte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, Söders jüngste Kampagne: "Wenn Paris alles ändert, was ist dann eigentlich mit den Werten, die bleiben sollen? Der Respekt vor der Würde des anderen Menschen und die Unterscheidung zwischen Menschen, die morden und denen, die vor dem Mord fliehen?", fragte der Theologe und der abwesende Söder konnte froh sein, dass er nicht antworten musste.

Denn Unterstützung hätte er selbst vom Publizisten Wolfram Weimer nicht erfahren, der sich selbst als wertkonservativ betrachtet und mit Aufsätzen wie "Die Multi-Kulti-Lüge" in Erscheinung getreten ist, also durchaus mit CSU-kompatiblen Gedankengut.

Doch "Paris ändert alles", das wollte auch Weimer nicht unterschreiben: "Ich bin da mehr beim Bischof", sagte der frühere Chefredakteur von Focus und Welt, während Ilse Aigner zwar streng dreinblickte, zuvor aber selbst schon ungewöhnlich deutlich für eine CSU-Spitzenpolitikerin betont hatte, dass es ihr "um eine saubere Trennung" zwischen Terrorgefahr und Flüchtlingsthematik gehe.

Die gefestigten Fronten ändern sich auch bei Plasberg nicht

So konnte der Zuschauer durch die Anwesenheit der moderaten Ilse Aigner bei gleichzeitiger Abwesenheit des rustikalen Markus Söder durchaus das Gefühl bekommen, dass das Thema Flüchtlinge, das im deutschen Parteienspektrum ja schon viele ungewöhnliche Allianzen und Divergenzen hervorgerufen hat, nach Paris nun sogar für die Christsozialen nicht mehr auf einen Nenner zu bringen ist.

Es gibt in dieser Debatte inzwischen zwar einige Frontverläufe, die man als gefestigt und bekannt voraussetzen kann. Dazu gehört etwa die sogenannte "Außerkraftsetzung des Rechts", mit der die CSU die Öffnung der deutschen Grenzbäume für die Flüchtlinge geißelt, die im September am Budapester Hauptbahnhof gestrandet waren.

Bei Plasberg waren es nun Aigner und Weimer, die diesen Vorwurf einmal mehr wiederholten, während Huber und die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan ihn ebenso reflexhaft in Frage stellten: "Die Flüchtlingsströme sind nicht durch Bundeskanzlerin ausgelöst worden, die waren dort schon längst angelangt. Die Frage war doch vielmehr, sollen wir dort ein Chaos auslösen", sprang Schwan Angela Merkel bei.

Bei der Verwendung des Wortes "Krieg" unterscheiden sich die Haltungen

Auch wer wie zu Burka und Kopftuch steht (Schwan: "Nebenkriegsschauplatz", Weimer: "Symbol der Frauen-Apartheid"), ist in dieser Debatte inzwischen hinlänglich bekannt, und doch tauchen bei diesem Thema auch immer wieder überraschende Bewertungen auf, durch die sich auch die Protagonisten dieser Plasberg-Sendung in deren weiterem Verlauf in ständig wechselnden Lagern widerfanden.

Waren sich etwa Huber, Weimer, Schwan und der ebenfalls geladene Politikwissenschaftler Markus Kaim bei der Einschätzung von Söders Haltung eben noch weitgehend einig gewesen, so unterschied sich ihre Haltung zur Verwendung des Wortes "Krieg" deutlich. Bundespräsident Joachim Gauck und der französische Staatspräsident François Hollande hatten die Vokabel im Zusammenhang mit dem Terror in Paris am Wochenende mehrfach gebraucht.

Ausgerechnet der Theologe sagt, dass Gegengewalt nötig sei

Bei Plasberg bot nun kurioserweise der konservative Verleger Weimer seiner sozialdemokratischen Diskutantin Schwan einen "Freundeskreis zur Abrüstung der Sprache" an, weil sich beide strikt gegen den Begriff "Krieg" als Bezeichnung für die Konfrontation mit dem sogenannten IS aussprachen: "Wir brauchen keine Hitzköpfe, die vom Krieg reden, sondern wir brauchen einen kühlen Verstand, wie darauf zu reagieren ist", brachte Weimer seine Haltung auf den Punkt.

Dem widersprach Kaim deutlich. Der derzeitige Luftkrieg gegen den IS sei nicht ausreichend und selbst bei einem Einsatz am Boden gebe es keine Erfolgsgarantie für westliche Streitkräfte. Der Theologe Huber, der diese Meinung weitgehend teilte, gestand Frankreichs Präsidenten dessen martialische Ausdrucksweise gegenüber den Dschihadisten sogar ausdrücklich zu: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, diese Art der Gewaltausübung ohne Gegengewalt zu bändigen", sagte ausgerechnet der Kirchenmann.

Flüchtlinge und Terror - bei der Themenbehandlung werden wohl noch viele weitere Volten geschlagen.

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