Harald Schmidt bei Sky Deutschland:Wie Schmidt sich von der Quote abnabelt

Das ging schnell. Die letzte Sendung bei Sat 1 ist noch nicht mal ausgestrahlt, schon hat Harald Schmidt einen neuen Arbeitgeber. Beim Pay-TV-Sender Sky wird er nun da sein, wo er eigentlich immer hingehörte: abseits des Massenpublikums.

Hans Hoff

Vielleicht sollte man in Zukunft ein bisschen vorsichtig sein, wenn man Manuel Andrack zu den Beschäftigungsaussichten seines ehemaligen Dienstherren befragt. Ganz offensichtlich hat der einstige Harald-Schmidt-Adlatus in solchen Angelegenheiten vor allem eines: keine Ahnung.

Harald Schmidt im vergangenen Jahr bei der Aufzeichnung der seiner Sat-1-Show - nun soll es bei Sky weitergehen.

Harald Schmidt im vergangenen Jahr bei der Aufzeichnung seiner Show bei Sat 1 - nun soll es bei Sky weitergehen.

(Foto: dpa)

Darauf deutet zumindest Andracks Aussage von diesem Montag hin. Da hatte er nämlich im Spiegel verkündet, Schmidt werde nach seiner Kündigung bei Sat 1 auf keinen Fall vor Juni 2013 wieder auf dem Bildschirm erscheinen. Die Kraft der markigen Ansage hielt genau einen Tag, denn am 1. Mai kam die Tinte unter einen Vertrag, der vorsieht, Schmidts Show künftig beim Bezahlsender Sky auszustrahlen.

Schon von September an, also direkt nach der ohnehin geplanten Sommerpause, wird Schmidts Show in ihrer wohlbekannten Form dreimal die Woche um 22.15 Uhr bei Sky Hits/HD und etwa eine Stunde später auf Sky Atlantic HD zu sehen sein. Zusätzlich ist die Sendung zeitlich flexibel über Sky Go und Sky Anytime zu empfangen.

"Meine Gespräche mit Sky und die gemeinsame Vision von Programmqualität haben zu einem schnellen Ergebnis geführt"', kommentiert Schmidts Geschäftspartner Fred Kogel den Abschluss. In der Tat wurde man sich vergleichsweise rasant einig, denn seit dem Tag, an dem Sat 1 und Schmidt ihre Trennung bekannt gaben und damit viele, wenn nicht sogar sich selbst überraschten, ist gerade mal gut ein Monat vergangen.

Durch Unverwechselbarkeit die Positionierung stärken

Sky nutzt mit der Verpflichtung Schmidts die Chance, sich ein Aushängeschild zu sichern. Man mag Schmidts Leistungen der vergangenen Monate positiv oder negativ bewerten, eine Marke ist er immer noch. Als Sendergesicht könnte er für Sky von Nutzen sein, vor allem aber kann man mit ihm werben, sich ein intellektuelles Mäntelchen überstreifen und Werbekunden bei Präsentationen mit einem Vortrag erfreuen.

"Schmidt stärkt durch seine Unverwechselbarkeit die Positionierung von Sky und schafft eine weitere positive Differenzierung zum herkömmlichen TV-Angebot", sagt dementsprechend Sky-Filmchef Marcus Ammon. "Late Night bei Sky - für mich der Himmel auf Erden", verkündet Schmidt und präsentiert sich dabei wieder in just jener cremigen Seitenwechslerrolle, für die er sich einst selbst die wenig charmante Bezeichnung "Mediennutte" verlieh.

Konsequente Abnabelung von jeglicher Rücksicht auf Publikumsgeschmack

Dass Schmidt so schnell und vor allem gegen die Erwartungen der Branche wieder Unterschlupf gefunden hat und sich nun jenseits der Bezahlschranke auch noch das Wörtchen exklusiv umbinden kann, entbehrt nur auf den ersten Blick einer gewissen Logik. In Wahrheit kann man den nun vollzogenen Schritt als konsequente Beschreitung eines bereits 1992 eingeschlagenen Weges betrachten.

Damals hatte Schmidt die ARD-Samstagabendshow "Verstehen Sie Spaß?" übernommen und betrieb in der Folge konsequente Abnabelung von jeglicher Rücksicht auf den Publikumsgeschmack.

Man muss sich Schmidt leisten können - und wollen

Schmidt dezimierte in den Folgejahren die von den Vorgängern aufgebaute Fan-Gemeinde so konsequent, dass seine Nachfolger danach lange brauchten, die verschreckten Stammzuschauer wieder einzufangen. Auch als er von 5. Dezember 1995 an die Late Night Show im deutschen Fernsehen etablierte, war er nie ein Zuschauermagnet und hatte seine besten Momente immer dann, wenn er tat, was man im Fernsehen auf keinen Fall tun sollte. Er schaltete eine ganze Show lang das Licht ab, moderierte auf Französisch oder spielte Klassiker mit Playmobilpüppchen nach.

Bei seinen jüngsten Sat-1-Shows schalteten in der Regel weit weniger Menschen ein als bei Thomas Gottschalks Vorabendquälerei in der ARD, über deren Quotenarmut sich Schmidt trotzdem konsequent lustig machte. Es gab zwischendrin gar Shows, bei denen sich Schmidt überhaupt nicht mehr um die Menschen an den Bildschirmen kümmerte und stattdessen Späßchen trieb, die nur die Menschen im Kölner Studio verstehen konnten. Die hatte er vorab mit ein paar Nettigkeiten und einigen schlüpfrigen Witzen angefüttert und sich so deren Wohlwollen erkauft.

Für die Sky-Bilanz wird man bei Schmidts sechsstelligen Sat-1-Zuschauerzahlen ziemlich sicher noch einmal eine Null streichen müssen. Den Meister wird aber auch das nicht groß scheren. Er betreibt halt die konsequente Abkoppelung vom Quotendruck als künstlerisches Stilmittel. Für seine Arbeitgeber galt ohnehin immer: Man muss sich Harald Schmidt leisten wollen, und man muss sich ihn leisten können. Sky will, und Sky kann.

Im Jahre 2005 hat Schmidt in einem Interview mal gesagt, man müsse sich zwischen Unsterblichkeit und Karriere entscheiden. Inzwischen muss man annehmen, dass er das mit der Karriere im herkömmlichen Sinne aufgegeben hat. Das stolze Signal, das die Verpflichtung bei Sky nicht nur an Leute wie Manuel Andrack aussendet, klingt nun überdeutlich. Totgesagte leben nun mal länger.

Oder wie es Schmidts früherer Partner, der überaus weise und kompetente Herbert Feuerstein im selben Spiegel-Interview wie der fehlsichtige Andrack ausdrückte: "Ich bin Atheist. Aber an Schmidts Wiedergeburt glaube ich."

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