Lungenpest in China:Eine Stadt unter Quarantäne

In Europa nur noch schaurige Erinnerung, flammt die Pest in Afrika und Asien immer wieder auf. Nun verbreitet sie ihren Schrecken in einer chinesischen Kleinstadt.

Werner Bartens

Niemand darf die Stadt verlassen. Die meisten Geschäfte sind geschlossen, die Straßen menschenleer. Die Bewohner bleiben zu Hause und verständigen sich fast ausschließlich per Telefon. Der ganze Ort steht unter Quarantäne. Ziketan, eine etwa 10.000 Einwohner zählende Kleinstadt im Westen Chinas, befindet sich im Ausnahmezustand und ist von den Gesundheitsbehörden abgeriegelt worden.

Lungenpest in China: Ziketan im Westen Chinas ist komplett abgeriegelt.

Ziketan im Westen Chinas ist komplett abgeriegelt.

(Foto: Karte: SZ)

Die Ursache dafür, dass in der Stadt in der Provinz Qinghai alles stillsteht und nichts mehr so ist wie noch vor wenigen Tagen, hat einen schaurigen Klang: die Pest. In diesem Fall ist es die Lungenpest, die seltenste und besonders gefährliche und schnell zum Tode führende Variante der Infektionskrankheit.

Bisher wurden offiziell drei Todesfälle aus Ziketan gemeldet. Das dritte Opfer, ein 64-jähriger Mann, war ein Nachbar der beiden ersten Lungenpest-Toten. Neun weitere Infizierte werden derzeit stationär behandelt. Wie viele Menschen sich angesteckt haben, ist noch ungewiss. Einsatzkräfte desinfizieren das Gebiet und töten Ratten und Insekten, die den gefährlichen Erreger übertragen können. Wer mit Infizierten in Kontakt gekommen ist, wird überwacht.

Der Erreger der Pest, Yersinia pestis, ist klein aber gemein und wurde schon 1894 in Asien von dem französischen Arzt Alexandre Yersin entdeckt. Das Bakterium wird zumeist durch Flohbisse von Ratten auf Menschen übertragen und kann sich dann im Blut vermehren. Eine Ausnahme von diesem Übertragungsweg ist die Lungenpest - an ihr kann man sich durch Tröpfcheninfektion anstecken. Man muss einem Pestinfizierten aber schon auf etwa 30 Zentimeter nahekommen, um sich anzustecken.

Die häufigste Form der Pest ist die Beulenpest. Bakterien, die sich im Blutstrom vermehrt haben, setzen sich in den Lymphknoten fest, geben dort giftiges Sekret ab und lösen eine Entzündung aus. Unbehandelt können solche eitrigen Pestbeulen bis zu zehn Zentimeter groß werden. Nach einigen Tagen öffnen sie sich und zerfallen zu übelriechenden Geschwüren. Breiten sich die Pestbeulen weiter aus, wird der Organismus stark geschwächt; es kann zum Tod durch eine Blutvergiftung kommen.

Haben sich die chinesischen Behörden richtig verhalten? Mehr dazu lesen Sie auf der folgenden Seite.

Die Pest ist noch lange nicht besiegt

Noch gefährlicher und dramatischer verläuft die Lungenpest. Sie beginnt wie eine Grippe mit starkem Krankheitsgefühl und Schwäche. Da die Lungenzellen angegriffen werden und sich entzünden, sammelt sich schnell Wasser in der Lunge an. Die Infizierten leiden unter Atemnot und husten Blut. Wenn sie nicht frühzeitig behandelt werden, sterben etwa 90 Prozent der Infizierten nach wenigen Tagen. "Bisher haben sich die Behörden vor Ort richtig verhalten und schnell reagiert", sagt Vivian Tan von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Peking.

Die Pest ist zwar immer noch das Synonym für die furchtbarste Plage, die Menschen heimsuchen kann. In medizinisch gut versorgten Regionen hat sie jedoch längst ihren Schrecken verloren. Mit konventionellen Antibiotika wie Streptomycin, Gentamicin und den Tetrazyklinen ist sie gut zu behandeln.

Um die Lungenpest erfolgreich zu therapieren, ist es jedoch wichtig, die Antibiotika innerhalb von 24 Stunden nach Beginn der ersten Symptome zu verabreichen, wie die Centers for Disease Control (CDC), die oberste Seuchenschutzbehörde der USA, betonen. "Wer engen Kontakt mit Infizierten hatte, schützt sich am besten, wenn er sieben Tage lang Antibiotika einnimmt", sagen die Infektionsexperten. "Ein chirurgischer Mundschutz, der eng anliegt, hilft auch."

Obwohl die Pest seit mehr als 50 Jahren mit Antibiotika behandelt werden kann, kommt es immer wieder zu lokalen Ausbrüchen und Todesopfern. Aus europäischer Sicht ist die Pest zwar eine Krankheit des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Schrecken, die mit der Pest über das Land kamen, waren offenbar so groß, dass die Krankheit bis heute Inbegriff allen Übels ist.

Zwei Dutzend Todesopfer auf Madagaskar

Auf Madagaskar sind im Januar 2008 etwa zwei Dutzend Menschen an der Pest gestorben. Während die letzten Pest-Epidemien in Europa - etwa in London (1666), Wien (1678) oder Moskau (1771) - Jahrhunderte zurückliegen, flammt das Leiden in Afrika und Asien immer wieder auf.

Im indischen Surat erkrankten 1994 mehr als 6000 Menschen an der Pest, damals starben 56 Menschen an dem Leiden. In Algerien kam es 2003 wiederholt zu vereinzelten Pestfällen. Aus dem Kongo wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 2006 mindestens 42 Todesfälle und mehr als 1000 Pest-Erkrankungen gemeldet. Für die Zukunft heißt das: Man kann die Pest zwar erfolgreich bekämpfen, besiegt ist sie aber noch lange nicht.

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