Wunsch-"Tatort" aus Hamburg:Mehr wund als cool

'Tatort'-Einstand für Til Schweiger

Schweigers erstes Wort im Dienst ist "Fuck", seine erste Amtshandlung besteht darin, drei Mitglieder eines Mädchenhändler-Clans zu erschießen.

(Foto: dpa)

Die Sommer-Tatort-Fans sehnen sich Til Schweiger herbei. Der ist als im Hamburger Mafiamilieu ermittelnder Nick Tschiller so wie erwartet: nuschelnd und testosterongeladen. Aber auch selbstironisch. Die Kritik von damals.

Von Holger Gertz

Diese Tatort-Kritik ist am 09. März 2013 in der Süddeutschen Zeitung erschienen. Aufgrund der Wahl zum Wunsch-Tatort wird der Film am 02. August noch einmal ausgestrahlt - SZ.de veröffentlicht die Kritik dazu erneut.

Til Schweiger ist allen vor seiner Tatort-Premiere natürlich wieder auf den Nerv gegangen mit seiner ewigen Schweiger-Attitüde. Er holt Millionen ins Kino, aber fühlt sich, als Künstler, von den Feuilletonisten nicht wertgeschätzt. "Um hierzulande anerkannt zu werden, muss man sterben oder zurücktreten", hat Schweiger gerade in der BamS gesagt, das sollte abgeklärt rüberkommen, klang aber doch sehr eingeschnappt und von der Argumentation her sogar nach Berti Vogts.

Vorher hatte Schweiger, ein gefürchteter Nuschler, über den Tatort-Vorspann gemeckert, dann wurde auf seinen Wunsch hin der Name seines Kommissars geändert, von Nick Tschauder in Nick Tschiller. "Obwohl mir ja Kain Tschwain, Dünn Tschis oder Tsching Tschangtschong noch besser gefallen hätten", schrieb der große Kritiker Oliver Kalkofe.

Dabei hätte Schweiger es sich locker leisten können, den bösen Menschen da draußen allein mit diesem Tatort zu antworten, Freunde des Action-Genres werden begeistert sein. Schweigers erstes Wort im Dienst ist "Fuck", seine erste Amtshandlung besteht darin, drei Mitglieder eines Mädchenhändler-Clans zu erschießen, unter anderem den Gastschauspieler Arthur Abraham: Boxfans kennen ihn als Blutboxer, oder einfach König Arthur. Wie jeder Actionfilm ist auch dieser hier testosterongeladen, ein wenig Cobra 11-Aroma hängt über dem Panorama, der Geruch von Jungbullenschweiß.

Dass er nicht beißend wird, liegt daran, dass alles schön gefilmt ist, ein herrliches Hamburg-Bilderalbum. Regisseur Christian Alvart, der zuletzt mit Borowski und der stille Gast bewiesen hat, dass er es sehr leise kann, kann es auch laut. So abgedreht die Handlung manchmal ist - wer Hamburg kennt, wird Hamburg wiederfinden.

Fahri Yardim ist Schweigers sehr witziger Kollege und feiner Sidekick: ein Typ wie aus dieser Imbissbude, in der sich auch Ditsche immer am Tresen festhält. Tschiller selbst wirkt mehr wund als cool, das Kunstblut klebt ihm dauernd im Gesicht. Aber wenn man den Kommissar mit seiner pubertierenden Tochter am Esstisch sitzen sieht, kriegt der Film die Atempausen, die er braucht.

"Ich hab meine erste Hühnersuppe für dich gekocht", nuschelt Tschiller zur Tochter rüber. Darüber hinaus schießt und spricht er, kurz und knapp. "Wenn du abhauen willst, dann hau ab - aber draußen werden sie dich finden", sagt er zur Nachwuchsprostituierten. "Ich hätt gern 'ne Eieruhr, die richtig Rabatz macht", sagt er zur Verkäuferin im Kleinwarengeschäft.

Regisseur Alvart kann es laut und leise und findet sogar die Mittellage, wenn er seinen Kommissar sprechen lässt. "Schiller, wie der Dichter?" fragt ihn jemand. "Ne, mit T vorne. Tschiller. Ich nuschel ein bisschen." Til Schweiger, selbstironisch. Wirklich jede Menge Neues am Tatort diesmal.

ARD, Sonntag 20.15.

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