Befragung zu Snowden-Enthüllungen:Britisches Parlament lädt "Guardian"-Chefredakteur vor

File photo of Alan Rusbridger, the editor of the Guardian, arriving to give evidence at the Leveson Inquiry into the culture, practices and ethics of the media, in central London

"Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger muss vor dem britischen Parlament aussagen.

(Foto: Reuters/Andrew Winning)

Die Vorwürfe wiegen schwer: Der britische "Guardian" gefährde mit seinen Snowden-Enthüllungen die nationale Sicherheit. Die britischen Geheimdienstchefs sind mehr als verärgert. Im nächsten Monat muss Chefredakteur Alan Rusbridger daher vor dem Innenausschuss des britischen Unterhauses aussagen.

Der Chefredakteur des britischen Guardian muss wegen der Veröffentlichung der Dokumente des Ex-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden zu den Spähprogrammen der britischen Geheimdienste vor dem Parlament aussagen. Alan Rusbridger werde im kommenden Monat vom Innenausschuss des britischen Unterhaus befragt, teilte der Guardian mit.

Die britische Zeitung hatte unter anderem über die Aktivitäten des britischen Geheimdienstes GCHQ und dessen enge Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA berichtet. Nach Einschätzung konservativer Abgeordneter gefährdet dieses Vorgehen die nationale Sicherheit. Besonders die Chefs der Geheimdienste sind verärgert. "Sie bringen unsere Operationen in Gefahr", sagte John Sawers, Chef des Auslands-Geheimdienstes MI6. "Unsere Feinde reiben sich die Hände."

Rusbridger hat dagegen die Rolle der Tageszeitung verteidigt, die seiner Ansicht nach eine "nötige Debatte" über das Ausmaß der Aktivitäten der Geheimdienste angestoßen habe, was Parlamentariern nicht getan hätten. Nach Aussage eines Guardian-Sprechers wird Rusbridger sich den Fragen der Parlamentarier stellen.

Facebook-Profil des "Guardian"-Chefs gehackt?

Vor wenigen Tagen hatte Rusbridger in einem Spiegel-Interview erneut schwere Vorwürfe gegen die Regierung von Premierminister David Cameron erhoben. Cameron hatte zuvor an die "soziale Verantwortung" der Journalisten appelliert und "härtere Maßnahmen" angekündigt, sollten die Enthüllungen kein Ende nehmen. Rusbridger dagegen sagte, die Behörden sollten dankbar sein, dass der Guardian mit dem Material von Edward Snowden in den vergangenen viereinhalb Monaten "äußerst verantwortungsvoll" umgegangen sei. Der Journalist rechnet dennoch damit, dass die britische Regierung weitere Schritte unternimmt, um die Redaktion unter Druck zu setzen: "Das wäre allerdings völlig sinnlos, weil es natürlich Kopien des Materials außerhalb Großbritanniens gibt."

Rusbridger sagte auch, ihm sei es genau wie Edward Snowden sehr wichtig, dass eine Debatte über die Aufsicht der Geheimdienste beginne: "Die wichtigste Frage lautet: Wer überblickt und kontrolliert das alles?" Zugleich geht der Guardian-Chefredakteur davon aus, dass auch er im Visier der Spione ist. Sein Facebook-Profil sei kürzlich wie von unsichtbarer Hand geändert worden, erzählte er. In der Rubrik mit seinen Lieblingsfilmen tauchte plötzlich der Streifen Stirb langsam auf. In den vergangenen Monaten ist Rusbridger nach eigener Aussage mit Kommunikationsmitteln vorsichtiger geworden. Zu wichtigen Gesprächen nehme er sein Mobiltelefon nicht mehr mit, Nachrichten mit sensiblem Inhalt verschickt er grundsätzlich nicht mehr per E-Mail.

Ende August hatte Rusbridger bekanntgegeben, dass der britische Geheimdienst GCQH den Guardian nach dessen Darstellung zur Zerstörung von geheimen Dokumenten des US-Enthüllers Edward Snowden gezwungen hatte. Zwei Agenten des GCHQ hätten in dem Pressehaus die Zerstörung von Festplatten durchgesetzt und überwacht. Wenige Tage zuvor war bekanntgeworden, dass der Ehepartner des Guardian-Enthüllers Glenn Greenwald, der 28 Jahre alte Brasilianer David Miranda, neun Stunden am Flughafen Heathrow festgehalten wurde - auf der Grundlage eines Anti-Terror-Gesetzes.

Linktipp: Der Guardian hat die NSA-Affäre interaktiv aufbereitet.

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