Griechenland im Fernsehen:Stundenlanges Kampfgelaber

Illner und Jauch

Die Talkshows von Maybrit Illner und Günther Jauch zeigen, dass sich die Griechenland-Debatte einfach nicht für simple Meinungsmache eignet.

(Foto: dpa)

Wer am Sonntagabend Maybrit Illner und Günther Jauch verfolgte, dem bot sich ein unwürdiges Schauspiel.

Von Johan Schloemann

Giorgos Chondros, Mitglied im Vorstand von Alexis Tsipras' Syriza-Partei, war am Sonntagabend bei Günther Jauch eingeladen. Giorgos Chondros, der gut Deutsch spricht, äußerte die Auffassung, man solle nach der Volksabstimmung der Griechen gegen die Sparpolitik "die Diskussion nicht noch einmal so weiterführen wie bisher".

Die Talkshowmacher bei ARD und ZDF und mehrere ihrer Gäste waren entschieden nicht dieser Auffassung. Sie ließen zum Beispiel Ralph Brinkhaus auf die Griechen los, Fraktionsvize der CDU. Jauchs Anmoderation, dass das Athener Referendum "wie ein Schrei durch ganz Europa hallt", nahm dieser Ralph Brinkhaus allzu wörtlich: Er blaffte mit unerbittlicher Stimme sein "Am Ende des Tages" oder "Wir müssen das alle zahlen" heraus. Er zeigte so genau die Fratze des hässlichen Deutschen (zum Teil vielleicht unbewusst, was es keineswegs besser macht), die jetzt in Europa keiner mehr braucht.

Und der extrem gebräunte Kampagnenprofi Michael Spreng durfte sekundieren und mit all dem schnell angelesenen ökonomischen Sachverstand, den jetzt alle haben, ordentlich mit vom Leder ziehen. Ein unwürdiges Schauspiel.

Ziviler geht es bei Maybrit Illner zu

"Europa kann Berge versetzen", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn bei der parallelen Sondersendung von Maybrit Illner. In der Runde ging es insgesamt etwas ziviler zu, aber seine Beschwörung des europäischen Geistes schien auch nicht übermäßig Mut zu machen. Immerhin zeigte es guten Willen, wenn Asselborn im Namen der EU anführte: "Wir sind keine Terroristen." Das war eine Replik auf entsprechende Vorwürfe von Athens Finanzminister Varoufakis.

Der Historiker Heinrich August Winkler lieferte dazu, was man von ihm erwartete: schonungslose, abgeklärte Analysen. Die Bundesregierung hatte, unter dem ganz frischen Eindruck des Referendums, auch in diese Sendung wohlweislich nur die zweite Garde geschickt, in diesem Fall einen weiteren CDU-Fraktionsvize, Michael Fuchs, der sich vorsichtig freundlich und dennoch unnachgiebig gegenüber Athen zeigen durfte. Katja Kipping von der Linken hielt recht souverän dagegen, sie hatte ja auch den vermeintlichen Sieg ihrer Athener Freunde im Rücken.

Im Laufe des Abends platzte Günther Jauch dann einmal der Kragen, und er rief seinen Diskutanten, unter anderem der wackeren taz-Wirtschaftsredakteurin Ulrike Herrmann, genervt einen ganz, ganz schlimmen Vorwurf zu: "Sie wollen, dass jedes einzelne Detail hier hin- und hergedreht wird!" Ja, wo kämen wir denn dahin, wenn wir über eine sehr komplizierte Lage, in der Europa und Griechenland gemeinsam stecken, auch noch komplizierte Dinge sagen würden!

Genau in dieser Reaktion Günther Jauchs steckt ein zentrales Problem der gesamten deutschen Griechenland-Debatte sowie des dazugehörigen Talkshow-Regimes: Das Ganze eignet sich einfach nicht für einfache Meinungsmache. Besonders bezeichnend lief es in der ARD ab: Erst sieben Minuten Extra-Tagesthemen, und dann durfte wieder stundenlang kampfgelabert werden.

Wie wäre es, wenn man die Abfolge umdrehte und erst einmal sehr guten, ausführlichen Nachrichtenjournalismus lieferte?

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