Gleichberechtigung:Alternative: Frauen

Auf der Jahrestagung des Netzwerks Recherche in Hamburg debattieren Journalistinnen und Journalisten über die Geschlechterrollen. Eine Frage dabei lautet: Warum recherchieren vor allem Männer investigativ?

Von Karoline Meta Beisel

Zu den beliebtesten Veranstaltungen bei der Tagung des Journalistenverbandes Netzwerk Recherche in Hamburg gehört normalerweise die allererste Podiumsdiskussion, gleich nach der Begrüßung am ersten Tag. In diesem Jahr blieb der Saal halb leer, obwohl es um ein "verdammt wichtiges Thema" ging, wie Vorstandsmitglied Kuno Haberbusch es am Freitag formulierte. Aber die meisten Besucher der Konferenz seien eben "nicht an der Frauenfrage interessiert, sondern am Handwerk".

Das offizielle Thema der diesjährigen Konferenz lautete "Alternative: Fakten", das Programm dominierten aber andere Themen: die Recherchen zu und die Diskussion um #meToo. Und die Ungleichverteilung von Macht im Journalismus, wie bei der Eröffnungsveranstaltung zu "Frauen in Führungspositionen", bei der Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer als strahlender Held dastand, weil sein Blatt nach der jüngsten Auszählung des Vereins ProQuote mit 37,5 Prozent mehr Frauen in Führungspositionen vorweisen kann als alle anderen überregionalen Printmedien. Bei der ersten Zählung 2012 waren es noch kaum sechs Prozent gewesen. Wie er das gemacht habe? Es habe "ein bisschen Druck von außen" gebraucht, weil auch beim Spiegel lange eine männliche Führungskultur geherrscht habe und Männer andere Männer gefördert hätten. Inzwischen sei die Geschlechterfrage beim Hamburger Magazin kein Thema mehr, der Ton in den Konferenzen habe sich verändert, und es gebe weniger "ritualisierte Hahnenkämpfe". Manche Themen - etwa die investigative Recherche - seien allerdings nach wie vor fest in Männerhand.

Warum das so ist, war am zweiten Tag der Konferenz Thema. Investigative Recherche sei wie Schach, und Schach spielten ja auch mehr Männer als Frauen, die sich dafür häufiger für soziale Themen interessierten, erklärte ein männlicher Spiegel-Rechercheur auf dem Podium. Warum bei ihm im Haus das erst 2017 gegründete Team für investigative Recherche nur aus Männern bestehe? Das seien eben die Männer, die auch vorher immer zusammen Geschichten gemacht hätten, sagte er, offenbar ohne zu merken, dass genau das Teil des Problems sein könnte. Für die Bemerkung erntete er nicht nur empörte Ausrufe aus dem Publikum, sondern auch Protest einer Kollegin aus dem eigenen Haus - ganz erledigt ist die Geschlechterfrage beim Spiegel offenbar doch noch nicht.

Den Leuchtturm, den Preis für besondere publizistische Leistungen, erhielt die Zeit für ihre Geschichten zum Fall Dieter Wedel - recherchiert von einem gemischtgeschlechtlichen Team.

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