Geschichte des Axel-Springer-Verlags:Das Zeitungswunder von Hamburg

Verleger Axel Springer zusammen mit Konrad Adenauer

Axel Sprigner zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer im Jahr 1957.

(Foto: Axel Springer AG)

Mit der "Hörzu", dem "Hamburger Abendblatt" und der "Berliner Morgenpost" verkauft die Axel Springer AG drei seiner traditionsreichsten Publikationen. Sie waren das Fundament für den Erfolg des Hauses und prägten die Verlagsgeschichte. Ein Rückblick.

Von Johannes Spengler

Heute steht die Axel Springer AG vor allem für die Bild-Zeitung. Das Boulevardblatt ist das Zugpferd des Verlags. Doch das war nicht immer so. Drei seiner ehemaligen Grundpfeiler will der Verlag nun verkaufen: die Programmzeitschrift Hörzu und die beiden regionalen Tageszeitungen Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost. Dabei wäre der Erfolg des Verlagsgründers Axel Cäsar Springer ohne sie nicht denkbar gewesen.

Mit den Worten "Ottilie, der Junge ist verrückt geworden!", soll sich Heinrich Springer an seine Frau gewandt haben, als er davon hörte, dass sein Sohn einen Verlag gründen wollte. Trotzdem gelang es Springer nach dem Zweiten Weltkrieg, britische Presseoffiziere von der Notwendigkeit einer Zeitschrift zu überzeugen, die das Rundfunkprogramm begleitet.

Die Pflicht neue Traditionen zu schaffen

"Wir glauben darauf hinweisen zu dürfen, dass das Erscheinen einer Rundfunk-Zeitschrift zu den vordringlichsten Aufgaben gehört", hieß es in dem offiziellen Konzept, das Springer den Besatzungsbehörden vorlegte. Und er bekam, was er wollte: einen Exklusivvertrag mit dem Rundfunksender der britischen Zone NWDR und eine Drucklizenz für die erste Programmzeitschrift des Gebiets. Am 11. Dezember 1946 erschien Hörzu mit einer Startauflage von 250.000 Exemplaren.

Der Erfolg der Programmzeitschrift legte den Grundstein für den Aufschwung des Springer-Verlags. Bereits damals orientierte man sich stark an den Wünschen des Publikums, wie das Editorial der ersten Ausgabe zeigt. Eduard Rhein, der damalige Chefredakteur, schrieb dort: "Hörzu wird eigene Wege gehen, denn wir halten es nicht nur für eine erhebende Pflicht, Traditionen zu heiligen, sondern nehmen für uns in Anspruch, neue zu schaffen."

Axel Springer Verlag "Hamburger Abendblatt" "Hörzu" "Berliner Morgenpost"

Axel Springer vor dem Verlagshaus in Hamburg im Jahr 1956.

(Foto: Axel Springer AG)

Von da an entwickelte sich die Hörzu zur Illustrierten für die ganze Familie, mit Fortsetzungsromanen (von Rhein verfasst) und schon früh mit dem Abdruck von spektakulären Bildern. So vervierfachte sich die Auflage innerhalb von vier Jahren von 250.000 Stück auf eine Million, bis 1962 stieg sie sogar auf 4,2 Millionen Exemplare pro Woche.

Das "Hamburger Abendblatt" - der Traum des Verlegers

Für Springer war der Erfolg der Hörzu jedoch nicht mehr als ein Fundament, auf dem er seinen Verlag bauen konnte. Die zweite namhafte Investition des Verlegers war das Hamburger Abendblatt, mit dem er sich den Traum von einer eigenen, überparteilichen Tageszeitung erfüllte. Am 12. Juli 1948 bekam Springer die Erlaubnis vom Hamburger Senat, die Tageszeitung zu produzieren. Damals überlegte er noch, ob er sie Excelsior nennen sollte. Die Ausrichtung des Blattes stand allerdings von vornherein fest: "Seid nett zueinander" hieß das Motto des Abendblatts.

Auf den Seiten des Hamburger Abendblatts wiederholte Springer das Prinzip, das auch der Hörzu zum Erfolg verholfen hatte. Familiär müsse eine Zeitung sein, um das Vertrauen der Leser zu gewinnen, wie er betonte. Was er schaffen wollte, war eine "Zeitung mit Herz, eine Zeitung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt." Dazu gehörte nicht nur, dass der Wetterbericht - bei Dauerregen immerhin ein extrem wichtiges Thema für Hamburg - auf die erste Seite gehoben wurde. Auch mit einer weißen Hochzeitskutsche machte die Zeitung auf sich aufmerksam. Von 1952 bis 1986 konnten sich Brautpaare für eine werbewirksame Fahrt zum Traualtar in der Kutsche des Abendblatts bewerben.

"Hamburger Abendblatt" Axel Springer Verlag

Verteilaktion von Fähnchen zur Einführung des Blattes am 14. Oktober 1948.

(Foto: Axel Springer AG)

So skurril diese Aktion war, der Erfolg gab Springer recht. Innerhalb kürzester Zeit stieg die Auflage, das Abendblatt wurde bekannt als das "Zeitungswunder von Hamburg". Die erste Ausgabe erschien mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren - ein halbes Jahr später lag sie bereits bei 170.000 Stück.

Wer keine Anzeige schaltete, bekam einen freundlichen Anruf

Wie erstaunlich dieser Erfolg war, wird vor allem deutlich, wenn man das damalige Leseverhalten betrachtet. Es waren nicht etwa die Artikel, die beim Publikum ankamen, sondern die Anzeigen. "Der Anzeigenteil hat sich nach dem Krieg als reiner Lesestoff erwiesen, als unentbehrliche Informationsquelle", wie sich der damalige Anzeigenberater, Gerhard Becher, erinnert.

Genau darin ist auch der regionale Erfolg der Berliner Morgenpost begründet. Ende der fünfziger Jahre übernahm Springer den Ullstein-Verlag und damit die traditionsreiche Tageszeitung, die im September 1898 zum ersten Mal erschienen war. Nach dem Kauf verlegte Springer die Morgenpost in das neue Druckhaus in Tempelhof.

"Berliner Morgenpost" Axel Springer Willy Brandt

Willy Brandt, der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, zusammen mit Axel Springer bei der Grundsteinlegung des Berliner Verlagshauses am 25. Mai 1959.

(Foto: Axel Springer AG)

Zu dieser Zeit hatte Springer bereits die Bild-Zeitung gegründet, der größte Erfolg des Verlags. Warum er trotzdem eine Regionalzeitung übernommen hat? Vielleicht wegen der langen Geschichte der Morgenpost und ihrer engen Bindung an den Leser. Oder, weil er damit konsequent eine Richtung weiterverfolgte, die er zuvor mit Hörzu und dem Hamburger Abendblatt eingeschlagen hatte: Journalismus der auffällt und nett ist.

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